Paris. Gefährliche Diebe haben es auf Luxusuhren wohlhabender Opfer abgesehen. Besonders Touristen werden öfter Ziel von brutalen Attacken.

Celine R. zieht ihren Seidenschal zur Seite, um die Würgemale an ihrem Hals zu zeigen. „Ich wurde vollkommen überrascht, habe rein gar nichts kommen gesehen“, berichtet die 39-Jährige, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Es geschah vor wenigen Tagen in einer ruhigen Seitenstraße des Pariser Zentrums. Als sie gerade die Tür ihres Autos öffnen wollte, „nahm mich jemand von hinten in einen Klammergriff und riss mir im nächsten Augenblick die Armbanduhr ab, ohne deren Verschluss zu öffnen“, erzählt die Innenarchitektin. Ihr Handgelenk ist noch immer blutunterlaufen und angeschwollen.

Celine R. wurde brachial zu Boden gestoßen. Bis sie sich wieder aufgerappelt hatte, war der Räuber ebenso verschwunden wie ihre mit Diamantensplittern besetzte Omega-Damenuhr im Wert von 80.000 Euro. Selbstverständlich erstattete sie sofort Anzeige. Doch ob sie ihre Uhr jemals wiedersehen wird, ist unwahrscheinlich. Lesen Sie auch: Warum Sie diese Luxusmarken in Paris besser nicht tragen sollten

Seit Jahresbeginn 92 Überfälle auf offener Straße

„Das war ein Überfall nach leider durchaus klassischem Muster“, heißt es aus der für die territoriale Sicherheit in Paris zuständigen Abteilung der Kriminalpolizei. Die Beamten haben Erfahrung: Ähnliche Fälle verzeichnen sie derzeit beinahe jede Woche.

Pariser und Touristen mit Leidenschaft für wertvollen Schmuck sind in Angst: Brutale Luxusuhren-Räuber haben in der französischen Hauptstadt seit Jahresbeginn bereits 92 Überfälle auf offener Straße verübt. Ihre Opfer würgen sie wie Celine R. von hinten oder drücken sie zu Boden.

Die Beute sind auf den ersten Blick als teuer zu erkennende Armbanduhren bekannter Luxusmarken wie Rolex, Omega, Cartier, Roland Millet oder Patek Philip. Die meisten Straftaten werden im sogenannten goldenen Dreieck der Hauptstadt verübt – also zwischen der Prachtavenue Champs-Élysées, der vom Nobelhotel Ritz sowie von zahlreichen Juwelierläden eingerahmten Place Vendôme sowie entlang der exklusiven Einkaufsstraße Rue Saint-Honoré.

Die Täter gehen immer kaltblütiger vor

Laut der zuständigen Polizeipräfektur hat sich die Zahl solcher Raubüberfälle im Vergleich zum Vorjahreszeitraum beinahe verdreifacht. Der Grund, so ein Fahnder, sei „die Demokratisierung dieser kriminellen Spezialität“.

Waren es früher vor allem einige aus Nordafrika oder Osteuropa anreisende und gut organisierte Gaunerbanden, die für ein paar Tage an der Seine ihr Unwesen trieben und dann mit ihrer Beute wieder verschwanden, sollen inzwischen vorwiegend „eingeborene und vergleichsweise junge Pappenheimer“ am Werk sein, wie es der Fahnder ausdrückt.

Diebe sind vor allem junge Franzosen

Zwischen 2017 und 2020 konnte die Kripo etwa 50 Prozent der Täter ermitteln, es waren nur wenige Ausländer unter ihnen.

Die neuen Uhrenräuber gehen ungleich aggressiver vor als die „alte Garde“, die der Polizei zufolge überwiegend aus gewieften Taschendieben bestand. Mittlerweile kommen die Leidtragenden nur selten ohne Blessuren davon. Die meist jungen Täter verfolgen ihre Opfer bis in Tiefgaragen oder Hauseingänge.

Im Gegensatz zu Celine R. vermeiden es viele wohlsituierte Pariser Bürger deshalb, teuren Schmuck auf der Straße zu tragen. Touristen sind in dieser Hinsicht leichtsinniger, weswegen sie vor Corona beinahe neun von zehn Opfern stellten. Die Gefahr dürfe nicht unterschätzt werden, warnt die Polizei. Wer nach Paris komme, solle Rolex oder Diamantring lieber im Hoteltresor lassen – oder gar nicht erst mitnehmen.