Berlin. Hat ein vollständig Geimpfter in Israel über 80 Menschen mit Corona infiziert? Durchaus möglich, sagt Infektiologe Bernd Salzberger.

Die beunruhigende Nachricht kommt aus Israel. Auf einer Party in Tel Aviv, so berichtet der TV Sender Chanel 12, sollen sich über 80 Schülerinnen und Schüler mit dem Coronavirus infiziert haben. Die Quelle des Ausbruchs sei ein vollständig geimpfter Jugendlicher gewesen. Dieser Jugendliche wiederum, so berichtet die Zeitung „Times of Israel“, soll sich ebenfalls bei einer geimpften Person angesteckt haben.

Die Behörden in Israel sind besorgt. Das Gesundheitsministerium rechnet in dieser Woche mit 500 bis 600 Neuinfektionen pro Tag. Trotz einer hohen Zahl von Corona-Geimpften will die Regierung die Schutzmaßnahmen wieder verstärken.

Der Bericht aus Tel Aviv wirft die Frage auf, ob vollständig Geimpfte also doch zu sogenannten Superspreadern werden können, die das Virus stark verbreiten? Bisher waren unter anderem die Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) nicht davon ausgegangen.

Corona: Viruslast nach erster Impfung stark reduziert

Durch die Impfung erscheine das Risiko einer Virusübertragung derart reduziert, „dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spielen“, erklärte das RKI noch vor zehn Tagen. Bei Personen, die trotz Impfung mit Sars-CoV-2 infiziert würden, sei die Viruslast stark reduziert und die Virusausscheidung verkürzt.

„In der Summe ist daher das Risiko einer Virusübertragung stark vermindert“, so das RKI weiter. Deshalb habe man auch empfohlen, dass Geimpfte nach einem Kontakt mit Infizierten nicht mehr in Quarantäne müssen.

Basis dieser Einschätzung war unter anderem eine Studie des Institute of Technology in Haifa (Israel). Diese hatte ergeben, dass Menschen, die mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft wurden, sich zwar noch mit Sars-CoV-2 infizieren können, dass sie aber bereits nach der ersten Impfdosis viel weniger Viren reproduzieren als Ungeimpfte. Daraus wurde oft geschlussfolgert, dass Geimpfte weniger ansteckend seien. Grundlage für die Aussage waren wohl Infizierte mit der Alpha-Variante des Coronavirus, die zuerst in Großbritannien entdeckt worden war und sich dann auch schnell in Israel durchgesetzt hatte.

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    Delta-Variante könnte Situation verschärft haben

    Weniger Viren, weniger ansteckend also. Doch weniger ansteckend bedeutet, dass vollständig Geimpfte das Virus sehr wohl weitergeben können. Die Delta-Variante mit ihrem vermeintlichen Fitnessvorteil, der zu einer besseren Übertragung führt, könnte die Situation nun verschärft haben.

    Das RKI jedenfalls hat seine Position schon vor Tagen angepasst: „Es muss davon ausgegangen werden, dass einige Menschen nach Kontakt mit Sars-CoV-2 trotz Impfung asymptomatisch PCR-positiv werden und dabei auch infektiöse Viren ausscheiden“, teilte das RKI mit.

    In Bezug auf die Schutzwirkung der Impfstoffe gegen die Delta-Variante gebe es im Hinblick auf die Weitergabe von Viren durch Geimpfte noch nicht genügend Daten. Das Institut empfiehlt daher, dass auch doppelt Geimpfte nach einem Kontakt mit einem Delta-Infizierten wieder in Quarantäne sollen. „Es geht darum, die Verbreitung der Mutante nach Kontakt mit einem bestätigten Fall zu verhindern und dafür möglichst jedes Risiko zu vermeiden“, so das RKI.

    Geimpfte Superspreader sind möglich, aber weniger wahrscheinlich

    Bernd Salzberger, Chef-Infektiologe des Uniklinikums Regensburg und Vorsitzender der Gesellschaft für Infektiologie hält es prinzipiell für möglich, „dass ein vollständig Geimpfter zum Superspreader wird“, wie er auf Anfrage erklärt. „Das ist aber weniger wahrscheinlich als bei Ungeimpften oder einmal Geimpften.“

    Ebenfalls nicht auszuschließen sei, dass die Delta-Variante auch bei Geimpften, die sich infizieren, zu einer höheren Viruslast und damit zu einer größeren Ansteckungsgefahr führt. „Das ist möglich, obwohl wir hierzu noch wenige Daten haben“, so Salzberger weiter. Für enge Kontakte mit Corona-Infizierten hält er es deshalb für die sicherere Option, auch doppelt Geimpfte grundsätzlich wieder in Quarantäne zu schicken.