Berlin. Der Corona-Impfstoff von Curevac zeigte in einer Zwischenanalyse nur eine Wirksamkeit von 47 Prozent. Die Studie soll weiter laufen.

Nach dem Stocken der Impfkampagne in Deutschland galt der Impfstoff des Tübinger Pharmaunternehmens Curevac als Hoffnungsträger. Doch genau diese Hoffnung wurde nun massiv gedämpft. Curevacs Corona-Impfstoffkandidat CVnCoV hat bei einer zweiten Zwischenanalyse die Erfolgskriterien verfehlt. Das Vakzin zeigte nur eine Wirksamkeit von 47 Prozent – und zwar gegen eine Corona-Erkrankung „jeden Schweregrades“. Das teilte Curevac in einer Pflichtmitteilung mit. Damit ein Corona-Impfstoff überhaupt zugelassen wird, hat die europäische Arzneimittelbehörde Ema eine Wirksamkeit von mehr als 50 Prozent vorgesehen.

„Eine Impfwirksamkeit von 47 Prozent ist erstmal enttäuschend“, sagte Bernd Salzberger, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, gegenüber unserer Redaktion. Sollten sich die Zahlen bis zur Endanalyse bestätigen, geht Salzberger davon aus, dass Curevac keine Zulassung einreicht.

Curevac: Rückschlag wegen neuen Virusvarianten

Der Bereichsleiter Infektiologie am Uniklinikum Regensburg betonte jedoch, es sei wichtig nun keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen. Wann und ob Curevac überhaupt Impfstoff liefern kann ist damit unklar. „Wenn sich das bestätigt, besteht eine große Gefahr, dass Curevac zurück in die Entwicklung muss“, so Salzberger.

Das Tübinger Biotech-Unternehmen begründete den Rückschlag mit neuen Virusvarianten. „Wir bekämpfen eigentlich ein anderes Virus“, sagte Vorstandschef Franz-Werner Haas bei einer Telefonkonferenz am Donnerstag. So sei der Wildtyp des Coronavirus bei der Zwischenanalyse in weniger als einem Prozent der Infektionsfälle nachgewiesen worden. Alle anderen Infektionen entfielen auf neuere Virusvarianten.

Curevac wies zudem darauf hin, dass sich der Wert von 47 Prozent auf sämtliche Infektionsfälle beziehe, also auch auf leichte und sehr schwere Verläufe sowie auf alle untersuchten Virusvarianten. Aussagen zur Wirksamkeit bei einzelnen Varianten seien auf Grundlage der Daten noch nicht möglich. Die finale Analyse der Daten auf Basis von mehr als 200 Infektionen soll in den nächsten zwei bis drei Wochen abgeschlossen werden.

Experte: Vakzin zu niedrig dosiert

Die niedrige Wirksamkeit des Corona-Impfstoffs ergibt sich laut dem Virenexperten Peter Kremsner auch daraus, dass das Vakzin nicht hoch genug dosiert werden konnte. Das wiederum habe daran gelegen, dass die einzelnen Bestandteile - anders als bei den Impfstoffen von Biontech und Moderna - nicht chemisch modifiziert worden seien, sagte der Leiter der Impfstoff-Studie des Tübinger Biotech-Unternehmens dem SWR am Donnerstag.

Eigentlich sei dies immer als Vorteil gepriesen worden, wahrscheinlich sei das jetzt der Hauptnachteil: „Das heißt, wir konnten nicht hoch genug dosieren wie das die anderen gemacht haben.“ Die anderen Impfstoffhersteller hätten 30 und 100 Mikrogramm verabreicht. „Mit der Curevac-Impfung konnten wir nur 12 Mikrogramm geben. Dann wurde es zu unverträglich, wenn man weiter höher dosiert hat.“

Bundesregierung sieht Impfkampagne nicht in Gefahr

Von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums heißt es, man könne die Nachrichten über vorläufige Studienergebnisse aus Tübingen nicht kommentieren. Eine Auswirkung auf das Tempo der Impfkampagne habe die Mitteilung nicht.

Die Bundesregierung hatte den Curevac-Impfstoff Berichten zufolge lange für die zweite Jahreshälfte eingeplant, auf der Mitte Mai vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Liste der Impfstoff-Lieferplanungen fehlte das Unternehmen aber bereits.

Curevacs Corona-Impfstoffkandidat CVnCoV befindet sich bereits seit Dezember in der letzten Phase der klinischen Entwicklung.
Curevacs Corona-Impfstoffkandidat CVnCoV befindet sich bereits seit Dezember in der letzten Phase der klinischen Entwicklung. © AFP | Jeroen Jumelet

Curevac kündigte bereits an, die Studie werde trotz des Rückschlags bis zur finalen Analyse mit mindestens 80 weiteren Fällen fortgesetzt. „Wir hatten auf stärkere Ergebnisse in der Zwischenanalyse gehofft, haben aber gesehen, dass es bei dieser beispiellosen Bandbreite an Varianten eine Herausforderung darstellt, eine hohe Wirksamkeit zu erzielen“, sagte Franz-Werner Haas, Vorstandsvorsitzender von CureVac laut Mitteilung.

Nach Ansicht von Haas könnte sich die endgültige Wirksamkeit des Curevac-Impfstoffkanditaten noch verändern. Dass es zu einer „dramatischen Verbesserung“ komme, daran glaubt Infektiologe Salzberger aber nicht. „Wir werden bei der Wirksamkeit des aktuellen Curevac-Impfstoffkanditaten sicherlich nicht in eine Größenordnung kommen wie bei Biontech oder Moderna“.

Virus-Varianten spielen am Ende große Rolle

Der Impfstoffkandidat befindet sich bereits seit Dezember in der letzten Phase der klinischen Entwicklung – der zulassungsrelevanten 2b/3-Studienphase. Die Analysen hätten gezeigt, dass die Wirksamkeit von der untersuchten Altersgruppe und den Virusstämmen abhänge, heißt es seitens Curevac.

In die Analyse sei die Wirksamkeit gegen mindestens 13 Covid-Varianten eingegangen. Was das genau für die endgültigen Ergebnisse bedeutet ist offen. Salzberger gibt aber mit Blick auf die Zulassungsstudien von Johnson & Johnson und Novavax zu bedenken, dass „die Impfwirksamkeit gegen die neuen Varianten ist immer etwas schlechter ist“.

Novavax- Alle wichtigen Fragen und Antworten zum Impfstoff

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    Auch Salzberger meint: „Die Meldung aus Tübingen und der Anstieg der Delta-Variante in Deutschland ist schon etwas, das einem Sorgen machen muss.“ Man sehe in England, dass es bei den Nicht-Geimpften und bei den Einmal-Geimpften vermeht zu Infektionen komme. „Diese Gefahr besteht natürlich bei uns auch.“

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    Zur Frage, wie es mit dem bisherigen Impfstoffkandidaten nun weitergehen soll, äußerte sich Curevac in der Mitteilung nicht im Detail. Allerdings lud das Unternehmen „interessierte Parteien“ für Donnerstag (14 Uhr) zu einer Telefonkonferenz ein, die gezielt auch für die Aktionäre gedacht ist.

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    Der Impfstoffkandidat der Tübinger basiert – ebenso wie beispielsweise das bereits länger in der EU zugelassene Vakzin des Mainzer Konkurrenten Biontech – auf sogenannter „messenger RNA“ (Boten-RNA) und unterscheidet sich damit von herkömmlichen Vektorimpfstoffen wie etwa jenem von Astrazeneca.

    (mit dpa)