Berlin. In Italien sind 14 Menschen bei einem Seilbahnunglück ums Leben gekommen. Nun wurden drei Mitarbeiter der Seilbahnfirma festgenommen.

  • In Italien ist am Pfingstsonntag eine Seilbahn-Gondel in die Tiefe gestürzt
  • Eine Familie aus Israel wurde getötet, der fünfjährige Sohn überlebt schwerverletzt - insgesamt starben 14 Menschen
  • Drei Mitarbeiter der Seilbahnfirma wurden festgenommen
  • Die Verdächtigen gaben laut Polizei zu, dass sie die Notbremse absichtlich abschalteten

Nach dem Seilbahnunglück in Norditalien sind drei Männer in der Nacht zum Mittwoch festgenommen worden, die das Nobremssystem offenbar absichtlich abgeschaltet haben. Wie die Polizei mitteilte, handelt es sich um den Chef der Betreiberfirma der Seilbahn und zwei Mitarbeiter.

Wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtet, sei das ein Sicherheitsbremssystem manipuliert worden, um Verspätungen des Betriebs zu vermeiden. Die drei Verdächtigen sollen in der Nacht in Untersuchungshaft gebracht worden sein, berichtet die Zeitung "La Stampa".

Offenbar hatte es mit der Seilbahn in der jüngeren Vergangenheit Fehlfunktionen gegeben, heißt es in dem Bericht. "Um diese Probleme auszuschalten, haben die Betreiber in vollem Wissen der Chefs die Metallgabel nicht entfernt. Als das Seil riss, versagte also das Notbremssystem", sagte Staatsanwältin Olimpia Bossi dem Bericht zufolge.

Seilbahn-Unglück in Italien gibt Ermittlern Rätsel auf

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    Seilbahnunglück in Italien: 14 Menschen sterben

    Am Pfingstsonntag, einem der ersten Wochenenden mit weniger Corona-Beschränkungen, mehr Freiheiten sowie bestem Ausflugswetter, war die Kabine einer Seilbahn auf dem Weg vom Lago Maggiore zur Bergstation am Monte Mottarone plötzlich abgestürzt. Junge Paare, Familien und Kinder riss sie in den Tod. Mindestens 14 Menschen starben, ein fünfjähriges Kind verlor seine Familie.

    Stresa, dieser so traumhaft gelegene Ort am Lago Maggiore, steht unter Schock. "Das hätte nicht passieren dürfen", sagt die Bürgermeisterin von Stresa, Marcella Severino, mit schwarzer Atemmaske und schwarzem Regenhut. "Das Wichtigste ist jetzt, den Familien nah zu sein."

    Die Gemeinde trauert auch um eine israelische Familie – nur der fünfjährige Sohn überlebte. Der junge Vater Amit B. mit seiner Frau (27) und Söhnchen Tom (2), der im italienischen Pavia geboren wurde, starben. Auch Mutter (71) und Vater (83), die aus Israel zu Besuch gekommen waren, befinden sich unter den Toten. Das junge Paar lebte seit einigen Jahren in Italien: Amit B. studierte Medizin. In seiner Freizeit setzte er sich für die jüdische Gemeinde in Mailand ein. Das verletzte Kind im Kinderspital von Turin ist der älteste Sohn des Paares. Der Fünfjährige wurde lange operiert und kämpft noch ums Überleben.

    Rettungskräfte stehen am Wrack der Gondel, die in der Nähe des Gipfels abgestürzt ist.
    Rettungskräfte stehen am Wrack der Gondel, die in der Nähe des Gipfels abgestürzt ist. © dpa

    Unglück am Lago Maggiore: Trauer in Italien

    Überfüllt war die Gondel am Sonntag wohl nicht. Laut der Südtiroler Firma Leitner, die für die Wartungen der Seilbahn zuständig ist, sind die Kabinen für 35 Leute ausgelegt. Wegen der Pandemie hätten nur 20 Menschen hineingedurft. 2016 sei die Bahn, die zunächst stillgelegt war, generalüberholt und stark modernisiert worden. Bei den jährlichen Kontrollen habe immer alles gestimmt, heißt es. "Es waren vermutlich zwei Probleme gleichzeitig", vermutet Matteo Gasparini von der örtlichen Bergrettung.

    Zwölf Menschen sind nach Angaben von Rettungskräften bei dem Unglück ums Leben gekommen.
    Zwölf Menschen sind nach Angaben von Rettungskräften bei dem Unglück ums Leben gekommen. © dpa

    Den Rekonstruktionen zufolge riss kurz vor der Ankunft der Gondel an der Bergstation das Tragseil. Die für diese Fälle vorgesehene Notbremse wurde nicht ausgelöst. Diese Vorrichtung legt automatisch bei einem Seilriss Bremsbacken um das Tragseil und bringt die Kabinen zum Stehen. Stattdessen nahm die Gondel Fahrt auf, knallte gegen einen Stützpfeiler und sprang aus dem Tragseil.

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    Seilbahn-Tragödie: Untersuchungskommission soll Klärung schaffen

    Für den Tourismus ist die Tragödie ein Rückschlag. "Gäste aus dem Ausland haben sich sofort gemeldet und ihre Anteilnahme ausgedrückt", berichtet eine Mitarbeiterin des Hotels Flora gerührt. Doch ohne die Seilbahn, die auf absehbare Zeit stillgelegt wird, verliert Stresa eine seiner Hauptattraktionen.

    Infrastrukturminister Enrico Giovannini kündigte eine Untersuchungskommission an, die parallel zur Staatsanwaltschaft die Ursachen des Unglücks klären soll.

    Gondelunglücke kommen in Italien selten, aber immer wieder vor. 2008 wurden mehrere Menschen verletzt, als eine Kabine gegen die Station im piemontesischen Ses­triere krachte. 1998 starben 20 Menschen im norditalienischen Cavalese, südlich von Bozen, als ein Militärflugzeug das Kabel der Seilbahn durchtrennte und eine Gondel deshalb abstürzte. (mit bef)