Paris. Französische Forscher haben herausgefunden, das alte Sonnencreme krebserregend sein kann. Der Grund dafür ist eine chemische Reaktion.

  • Mit den steigenden Temperaturen im Frühling steigt auch der Einsatz von Sonnencreme
  • Verbraucher greifen dazu auch auf Produkte aus dem Vorjahr zurück
  • Laut einer neuen Studie ist das nicht zu empfehlen - und gesundheitsschädigend

Sobald es im Frühling warm wird, wollen viele Menschen die ersten Sonnenstrahlen des Jahres genießen - und sich im besten Fall ein wenig bräunen. Sonnencreme ist dabei unverzichtbar. Einer neuen französischen Studie zufolge sollten Sonnenanbeter allerdings tunlichst darauf verzichten, die Sonnencreme aus dem letzten Jahr erneut zu nutzen.

Französische Mikrobiologen der Universität Sorbonne und Wissenschaftler der nationalen Forschungsbehörde CNRS kauften für ihre Studie rund ein Dutzend beliebter Sonnen- und Tagescremes - darunter auch solche namhafter Firmen wie Garnier, L'Oréal und Bioderma - und unterzogen sie sechs Wochen einem künstlichen Alterungsprozess, der einem Jahr Lagerung bei Raumtemperatur entspricht.

Am Montag wurde die neue Studie in der Fachzeitschrift "Chemical Research in Toxicology" der American Chemical Society veröffentlicht.

Inhaltsstoff in vielen Sonnencremes kann nach einem Jahr krebserregend sein

Das Ergebnis ist für die Wissenschaftler besorgniserregend:

  • Innerhalb eines Jahres der Lagerung bei Raumtemperatur wurde aus dem Sonnenschutzfilter Octocrylen, einem wichtigen Bestandteil in vielen Sonnencremes, das Molekül Benzophenon.
  • Das wird von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als "möglicherweise krebserregend für den Menschen" eingestuft.

Ein Mitautor der Studie, Didier Stien, erklärt dem ARD-Studio in Paris: "Kommt Benzophenon auf die Haut, kann es Ausschläge, Entzündungen oder Überempfindlichkeiten auslösen, aber auch Leberkrebs oder Lymphome. Das war in Tierversuchen der Fall. Das Molekül beeinträchtigt die Schilddrüse und die Fortpflanzungsorgane." Lesen Sie auch: Glyphosat in vielen Nudeln gefunden

Wissenschaftler fordern Verbot von Octocrylen

Gegenüber der größten französischen Finanzzeitschrift "Les Echos" fordern die Wissenschaftler nun ein Verbot von Octocrylen in Hautpflegeprodukten. Den Herstellerfirmen käme dabei eine wichtige Rolle zu: "Die Körperpflegeindustrie weiß seit einiger Zeit, dass Octocrylen durch Benzophenon kontaminiert werden kann, hält diese Konzentration jedoch für vernachlässigbar".

Die Forschenden hoffen nun, dass ihre Studienergebnisse zu einem Verbotsverfahren für Octocrylen führen. Gegenüber "Les Echos" sagt Philippe Lebaron, Biologe des Labors für Biodiversität und mikrobakterielle Biotechnologie an der Sorbonne: "Das ist das erste Mal, dass wir den Abbau von Octocrylen zu Benzophenon nachweisen können."

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Octocrylen soll umweltschädlich sein

Die Forschenden der Sorbonne haben außerdem die Hoffnung, dass ihre Studie die Basis zu einer weiteren Erforschung des Sonnenblockers hat. Octocrylen soll nämlich schon vor seinem Verfall zu Benzophenon sehr umweltschädlich sein - insbesondere für Korallen. Deshalb haben schon einige Gebiete mit Korallenriffen, wie etwa die Hawaii oder Palau, das Schwimmen mit Sonnenschutzprodukten verboten.

Die Forschenden raten Nutzern von Sonnencreme übrigens dazu, das auf den Flaschen aufgedruckte Verfallsdatum ihrer Sonnencreme in jedem Fall zu beachten - oder gleich auf octocrylenhaltige Produkte zu verzichten.

Krebsrisiko auch abhängig von Dauer der Einwirkung und Konzentration

Allein die Tatsache, dass es in der Sonnencreme zu einer Umwandlung des Stoffes komme, begründet aus Sicht von Thomas Dirschka vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) aber nicht schlussfolgernd, dass dadurch das Krebsrisiko steige. „Es ist vielmehr abhängig von der Dauer der Einwirkung und der Konzentration.“

Der Hautarzt befürchtet, dass von der Studie ein falsches Signal ausgehen könnte und Menschen die „Verwendung von Lichtschutzpräparaten einschränken.“ Aber nur durch konsequente Lichtschutzmaßnahmen hätten es Staaten wie Australien geschafft, die Hautkrebsinzidenz signifikant zu reduzieren.

Gleichzeitig weist er darauf hin, dass chemische UV-Filter wie Octocrylen oder auch Oxybenzon von Forschern schon länger kritisch gesehen werden – auch wegen ihrer negativen Umwelteinflüsse. Zudem stünden sie im Verdacht, hormonell zu wirken. „Hier gibt es eine sehr breite Diskussion und ich will das nicht komplett ausschließen“, meint Dirschka. Insbesondere kleinen Kindern empfiehlt er daher ohnehin physikalische Filter – so wie eigentlich auch Erwachsenen. „Aber sie haben einen Weißel-Effekt, deswegen ist kosmetisch die Akzeptanz für chemische Faktoren größer.“

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