Berlin. Nina Kunzendorf ist in der Produktion „Freaks“ in einer Welt von Superhelden. Wer ihre echten Helden sind, verrät Sie im Interview.

Normalerweise bewegt sich Nina Kunzendorf selbst in ihren Rollen auf dem Boden der Tatsachen. Aber für die neue Netflix-Produktion „Freaks – Du bist eine von uns“ wagt sich die 48-Jährige in die Welt von Superhelden. Zu ihrem Leidwesen verfügt sie nicht über solche Fähigkeiten, aber selbst in unserer Realität findet sie wahre Helden.

In „Freaks“ geht es um Individuen mit den Fähigkeiten von Superhelden, die von finsteren Institutionen unterdrückt werden. Hatten Sie als kreativer Mensch auch mal das Gefühl, dass Sie Ihre Talente nicht frei entfalten konnten?

Nina Kunzendorf: Ich habe das große Glück, dass ich in meinem Beruf nie RegisseurInnen begegnet bin, die ausgeprägte Machtmenschen oder Demagogen waren. Und auch meine Eltern haben mir keine Steine in den Weg gelegt, sondern mich mit einer Mischung aus Gelassenheit und großer Zugeneigtheit machen lassen. Wofür ich ihnen total dankbar bin. Das ging alles geschmeidig.

Aber wissen Sie auch – anders als die Protagonisten des Films, die sich selbst entdecken müssen – welche Talente in Ihnen stecken?

Ich habe inzwischen größeres Vertrauen in mich. Am Anfang meiner schauspielerischen Laufbahn gab es eine ganz große Unsicherheit, mit dem andauernden Gefühl: ich bin die größte Hochstaplerin, die die Welt je gesehen hat. Das hat sich ein bisschen beruhigt. Aber ich stehe nie morgens auf, schaue in den Spiegel und denke: „Du bist die beste Schauspielerin aller Zeiten.“ Ich habe schauspielerisches Rüstzeug, aber keinen Werkzeugkoffer, aus dem ich einfach den passenden Schraubenschlüssel herausholen muss. Der Zweifel und die Unsicherheit begleiten mich beständig.

Gibt es denn Potenziale, die Sie noch nicht ausgeschöpft haben?

Das wäre ja schrecklich, wenn ich alles schon ausgeschöpft hätte! Das wäre deprimierend. Ich kann mir auch sehr gut andere Berufe vorstellen. Wenn ich zwei, drei Leben hätte, würde ich noch etwas anderes machen. Nicht weil ich meinen Beruf blöde finde. Aber als Jugendliche, da war ich 15, 16, wollte ich zum Beispiel Hebamme werden.

Warum Hebamme?

Ich kann nicht mehr sagen, woher das kommt. Aber dieser Beruf beeindruckt mich zutiefst, weil er mit großer Nähe und Intimität einhergeht. Außerdem ist er mit einer riesigen Verantwortung verbunden und mit dem Schönsten auf der Welt überhaupt, nämlich einem Kind das Leben zu schenken. Ich verstehe diesen Wunsch heute noch. Ich kann da andocken.

Im Gegensatz zu den Helden von „Freaks“ haben Sie ja begriffen, wer Sie sind und was Sie wollen. Was hilft Ihnen bei der Selbsterkenntnis?

Ich glaube, da gibt es noch sehr viel auszuloten. Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch, meine Ansprüche sind ziemlich hoch. Über Kritik denke ich sehr viel länger nach als über Lob, ich nehme das viel ernster. Und zum Glück habe ich gute Freunde und meine Kinder, die mich immer wieder zurecht ruckeln.

Welche Fähigkeiten und Unfähigkeiten haben Sie dabei entdeckt?

Ich habe einen ziemlich guten Akku. Ich habe viel und auch lange Kraft. Aber ich verpasse manchmal den Moment, wo ich stoppen müsste. Das zu erkennen ist eine Aufgabe, an der ich sehr ackere. Das hat auch wieder mit dem Thema des Films zu tun: Was hat man für eigene Kräfte? Auf welche kann man sich verlassen? Wie sehr über- oder unterschätzt man sich?

Und unterstützen Sie wiederum Ihre Kinder darin, ihr Potenzial zu entfalten?

Das hoffe ich! Im besten Falle stupst man Kinder nur an und sie laufen in ihre ganz eigene Richtung. Manchmal ist es nicht leicht, sich selber dabei außen vor zu lassen, seine eigenen Erwartungen und Wünsche. Man muss genau hinschauen und ein geduldiger, wohlgesonnener Begleiter sein.

Gibt es für Sie Superhelden in der Realität?

Wenn ich nach Weißrussland schaue, wo die Menschen demonstrieren, obwohl sie wissen, dass in den Gefängnissen gefoltert wird und ihnen Gefängnisstrafen drohen, das sind für mich Superhelden. Oder die Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, die sich in der Corona-Zeit wundgearbeitet haben. Oder Menschen, die sich so sehr für den Klimaschutz einsetzen, dass sie diesem Thema ihr Leben widmen. Das sind Helden.

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