Rom. Nachdem ein Polizist von einem Bären angefallen wurde, fürchten sich Italiener und Touristen vor den sich vermehrenden Raubtieren.

Der Angriff geschah aus dem Nichts. Es war halb elf am Abend, der 24-jährige Polizist Diego Balasso bereitete sich auf seine Nachtschicht vor und unternahm vor Dienstbeginn mit seiner Verlobten einen Abendspaziergang am Seeufer des Bergdorfs Andalo.

Plötzlich stürzte sich ein etwa 120 Kilogramm schwerer Jungbär auf den Carabiniere, biss zu und grub seine Krallen in den Rücken des Mannes. Seine völlig verängstigte Partnerin rannte weg und holte Hilfe – der Polizist überlebte schwer verletzt.

Die Attacke am vergangenen Wochenende hat in Norditalien eine bereits seit Monaten schwelende Debatte neu entfacht. Denn in der Alpenregion gibt es eine Bärenplage: Die Raubtiere haben sich so stark vermehrt, dass sie immer häufiger die Nähe zu Menschen suchen.

Der Angriff sei „extrem besorgniserregend“, findet Luigi Spa­gnolli, der Leiter der Südtiroler Jagdbehörde. Es sei das erste Mal, dass ein Bär einen Menschen angefallen habe, ohne vorher provoziert worden zu sein. Kanada: 44-Jähriger von Grizzly aus Zelt verschleppt und getötet

Italien debattiert über den Abschuss gefährlicher Bären

Bären gibt es in Norditalien erst seit 1999 wieder. Damals wurde im Rahmen eines EU-Projekts ein knappes Dutzend Jungbären aus Slowenien und Kroatien im Naturpark Adamello-Brenta ausgesetzt, in dem auch das Bergdorf Andalo liegt. Dort, in der autonomen Provinz Trentino, haben sie sich so fleißig vermehrt, dass erbittert darüber diskutiert wird, einige Bären abzuschießen. Fast 100 gibt es nach Erkenntnissen der Regionalregierung mittlerweile – zu viele?

Einer der „Problembären“ trägt den Namen M49. Das fast 170 Kilogramm schwere Männchen war monatelang durch Trentino, Südtirol und Venetien gezogen, hatte Schafe gerissen und sich über Bienenstöcke hergemacht. Dann wurde M49 eingefangen und in ein Tierpflegezentrum bei Trient gebracht.

Aus dem ist das Riesentier vor Kurzem allerdings ausgebrochen: Erst gelang es dem Bären, die dicken Eisenstäbe des engmaschigen Zauns aufzubiegen, als wären sie aus Knetmasse. Dann streifte er auch noch das Halsband mit Sender ab, über das die Behörden ihn hätten verfolgen können. Angriff in Rumänien: Bär attackiert Wanderer aus Deutschland: Wie der Mann entkam

Immer mehr Bären lernen offenbar, dass es in Städten viel zu fressen gibt. Vor einem Monat kletterte eines der Tiere in Calliano im Trentino vor den Augen der entsetzten Bewohner behände auf einen Balkon im zweiten Stock eines Wohnhauses. Offenbar durch Geschrei verschreckt, flüchtete der Bär schließlich. Die mit einem Handy aufgenommene nächtliche Szene sahen viele Italiener mit ungläubigem Staunen im Internet.

Opfer schildert die Schreckensmomente

Erst im Juni hat ein Weibchen zwei Wanderer in den Dolomiten angegriffen und einem 59-Jährigen tiefe Wunden am Bein zugefügt. Viele Italiener fordern daher den Abschuss aggressiver Exemplare, doch Tierschützer klagen dagegen.

Obwohl sich die Angriffe auf Menschen in den letzten Jahren an einer Hand abzählen lassen, heizt sich die Stimmung immer weiter auf – etwa wenn Nutztiere gerissen werden. „Die Bauern haben verlernt, mit Bären umzugehen“, glaubt Oswald Stimpfl, Autor zahlreicher Bücher über die Südtiroler Bergwelt. Die Landwirte könnten ihre Herden mit Elektrozäunen sichern. Die würden finanziell gefördert.

Das 120-Kilo-Tier, das den Polizisten angefallen hat, ist später eingefangen worden. Diego Balasso hat gegenüber der Zeitung „Dolomiten“ die schrecklichen Augenblicke geschildert: Er habe sich an einem Lattenzaun festgeklammert, aber der Bär habe nicht locker gelassen. „Es schien, als wollte er mich zum See ziehen.“ Russland: Zirkusbär fällt Dompteur an – Zuschauer fliehen in Panik