Berlin. Der „Tatort“ Frankfurt ist beste Lockdown-Unterhaltung: Ermittler in der Sinnkrise und Hannelore Elsner in einer ihrer letzten Rollen.

Umzüge sind wohl eine der nervigsten Angelegenheiten des Privatlebens überhaupt. In welche Kartons hat man nochmal die Kochbücher gesteckt, wo sind die Winterstiefel abgeblieben? Das alte Zuhause ist nur noch eine Wartehalle, vollgestopft mit Kartons und abgebauten Möbeln, die neue Bleibe ist noch nicht bezugsfertig.

In diesem Zustand zu arbeiten, gar ein Verhör zu führen – anstrengend. So geht es auch den Kommissaren Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch). Im Frankfurter „Tatort“ zieht die Polizei um, das Gebäude wird saniert. Überall tropft Wasser aus den Decken, richtige Büros gibt es sowieso nicht mehr. Das drückt natürlich auf die Arbeitsmoral.

„Tatort“ aus Frankfurt: Ermitteln mit Kater

Und so veranstalten die beiden, nachdem alle Kisten gepackt sind, eine Büroparty samt einer dröhnenden Karaokeversion des Rammstein-Songs „Engel“ und Brix’ Vermieterin Fanny. Vom zwanzigjährigen Dienstjubiläum des Staatsanwalts sind schließlich zahlreiche Alkoholika und Gulaschsuppe übrig geblieben – so viel, dass es überhaupt keinen Grund gibt, nach Hause zu gehen.

Nach der durchzechten Nacht müssen Janneke und Brix dann aber schwer verkatert zu einem Tatort. Mehrere Kopfschmerztabletten werden auf der Autofahrt konsumiert. In einer abgelegenen Waldhütte wurde ein Mann offenbar gefoltert und ermordet. Zur Verwunderung beider Kommissare legt Polizeihauptmeister Ansgar Matzerath (Peter Lohmeyer) noch am Ort des Verbrechens ein Geständnis ab.

„Tatort“-Kommissare auf der Suche nach Sinn und Werten

Er behauptet, das Opfer getötet zu haben, weil dieser vor sieben Jahren seine Frau entführt und vergewaltigt habe. Die Ermittler mit Schnapsfahne reagieren, natürlich ob der Umstände etwas behäbig, verdattert: Ein Kollege, der Selbstjustiz übt? Irgendwie wollen sie das nicht so ganz wahrhaben. Auch weil sie gerade für ein Coaching-Seminar selbst darüber nachdenken sollen, welche Werte sie als Polizisten vertreten, was der Beruf für sie bedeutet. Janneke und Brix finden keine Antwort.

Provisorisch bauen sie sich also aus Trennwänden einen Verhörraum im Bürogebäude, das nur noch einer Baustelle gleicht. Hat Matzerath wirklich den Mann umgebracht, der seine Frau vergewaltigte? Der Fall konnte schließlich nie aufgeklärt werden, seine Frau den Täter nie identifizieren.

Das sind die beliebtesten Tatort-Kommissare

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    Frankfurter „Tatort“: Ein Denkmal für Hannelore Elsner

    Das wurmt auch die längst pensionierte Kommissarin Elsa Bronski (Hannelore Elsner), die damals den Fall bearbeitete, immer noch. Tag für Tag geht sie weiterhin die Akten durch, sagt, sie habe den Fall nicht aufgegeben. Die Dämonen der alten Fälle müsse man bekämpfen, meint Bronski. Matzerath habe aber seine Werte verraten: „Als Polizist musst du an etwas glauben. Wenn du das nicht tust, dann bist du keiner mehr von uns“, sagt die alte Dame auf dem Flur zu dem Mörder und Kollegen.

    „Die Guten und die Bösen“ ist nicht nur eine zwischen Heiterkeit und düsterer Stimmung schwankende Erzählung über den Sinn des Polizeiberufs. Es ist auch einer der letzten Filme, die Hannelore Elsner vor ihrem Tod vor einem Jahr gedreht hat, der Film ist ihr gewidmet. Es ist kleines Denkmal, dass der „Tatort“ ihr mit der Nebenrolle als gealterte Kommissarin Bronski setzt. Man fühlt sich an die ARD-Fernsehkrimiserie „Die Kommissarin“ erinnert, in der Elsner mehr als eine Dekade lang die Kriminalhauptkommissarin Lea Sommer verkörperte.

    Hannelore Elsner – Bilder ihrer Karriere

    Hannelore Elsner gehörte zu den bekanntesten deutschen Schauspielerinnen.
    Hannelore Elsner gehörte zu den bekanntesten deutschen Schauspielerinnen. © dpa | Oliver Stratmann
    Zu Beginn ihrer Karriere war sie in mehreren Unterhaltungsfilmen zu sehen, wie hier an der Seite von Theo Lingen in „Die Lümmel von der ersten Bank“ (1967).
    Zu Beginn ihrer Karriere war sie in mehreren Unterhaltungsfilmen zu sehen, wie hier an der Seite von Theo Lingen in „Die Lümmel von der ersten Bank“ (1967). © imago/United Archives | imago stock&people
    1973 trat Elsner als erste westliche Darstellerin in einem DEFA-Film auf – in der Rolle der Gräfin in „Aus dem Leben eines Taugenichts“.
    1973 trat Elsner als erste westliche Darstellerin in einem DEFA-Film auf – in der Rolle der Gräfin in „Aus dem Leben eines Taugenichts“. © dpa | Joachim Barfknecht
    Bereits seit den 1960er Jahren spielte sie in zahlreichen Fernsehserien mit, ab 1983 auch in der ARD-Erfolgsreihe „Tatort“.
    Bereits seit den 1960er Jahren spielte sie in zahlreichen Fernsehserien mit, ab 1983 auch in der ARD-Erfolgsreihe „Tatort“. © dpa | Istvan Bajzat
    Elsner an der Seite von Manfred Krug und Charles Brauer in der „Tatort“-Folge „Tod im Elefantenhaus“ (1986).
    Elsner an der Seite von Manfred Krug und Charles Brauer in der „Tatort“-Folge „Tod im Elefantenhaus“ (1986). © imago stock&people | imago stock&people
    Selbst ermitteln durfte die Schauspielerin dann von 1994 bis 2006 in der ARD-Krimiserie „Die Kommissarin“, hier zu sehen in einer Filmszene aus dem Jahr 1995 mit Til Schweiger.
    Selbst ermitteln durfte die Schauspielerin dann von 1994 bis 2006 in der ARD-Krimiserie „Die Kommissarin“, hier zu sehen in einer Filmszene aus dem Jahr 1995 mit Til Schweiger. © imago stock&people | imago stock&people
    Als Elsners größter Erfolg gilt der Kinofilm „Die Unberührbare“. Für ihre Rolle als suizidgefährdete Schriftstellerin Hanna Flanders gewann sie 2000 den Deutschen Filmpreis, den Deutschen Kritikerpreis und den Bayerischen Filmpreis.
    Als Elsners größter Erfolg gilt der Kinofilm „Die Unberührbare“. Für ihre Rolle als suizidgefährdete Schriftstellerin Hanna Flanders gewann sie 2000 den Deutschen Filmpreis, den Deutschen Kritikerpreis und den Bayerischen Filmpreis. © imago images / United Archives | imago stock&peoplevia www.imago-images.de
    2003 dann der nächste Sieg beim Deutschen Filmpreis: diesmal für „Mein letzter Film“, in dem sie eine alternde Schauspielerin mimte.
    2003 dann der nächste Sieg beim Deutschen Filmpreis: diesmal für „Mein letzter Film“, in dem sie eine alternde Schauspielerin mimte. © Tobias Schwarz
    Elsners letzter Film war das aber noch lange nicht. Es folgten unter anderem „Rot und Blau“ (2003), „Alles auf Zucker!“ (2004) und „Die Spielerin“ (2005).
    Elsners letzter Film war das aber noch lange nicht. Es folgten unter anderem „Rot und Blau“ (2003), „Alles auf Zucker!“ (2004) und „Die Spielerin“ (2005). © dpa | Soeren Stache
    2008 war Elsner dann im Drama „Kirschblüten – Hanami“ zu sehen. Der Film lief auch auf der 58. Berlinale, wo die Schauspielerin auf dem roten Teppich mit den Fotografen scherzte.
    2008 war Elsner dann im Drama „Kirschblüten – Hanami“ zu sehen. Der Film lief auch auf der 58. Berlinale, wo die Schauspielerin auf dem roten Teppich mit den Fotografen scherzte. © Reuters | Johannes Eisele
    Neben der Schauspielerei arbeitete Elsner auch als Synchronsprecherin. Sie lieh etwa Liza Minnelli und Fanny Ardant ihre Stimme.
    Neben der Schauspielerei arbeitete Elsner auch als Synchronsprecherin. Sie lieh etwa Liza Minnelli und Fanny Ardant ihre Stimme. © dpa | Tobias Hase
    Elsner war außerdem Trägerin des Bundesverdienstordens.
    Elsner war außerdem Trägerin des Bundesverdienstordens. © Reuters | Stefanie Loos
    Sie war zweimal verheiratet – von 1964 bis 1966 mit dem Schauspieler Gerd Vespermann und von 1993 bis 2000 mit dem Theaterdramaturgen Uwe B. Carstensen. Von 1973 bis zu dessen Tod 1981 war sie zudem mit dem Regisseur Alf Brustellin liiert. Elsner hat einen Sohn mit dem Regisseur Dieter Wedel.
    Sie war zweimal verheiratet – von 1964 bis 1966 mit dem Schauspieler Gerd Vespermann und von 1993 bis 2000 mit dem Theaterdramaturgen Uwe B. Carstensen. Von 1973 bis zu dessen Tod 1981 war sie zudem mit dem Regisseur Alf Brustellin liiert. Elsner hat einen Sohn mit dem Regisseur Dieter Wedel. © dpa | Arno Burgi
    2011 erhielt die im bayerischen Burghausen geborene Elsner den Ehrenpreis des Bayerischen Filmpreises, überreicht vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer.
    2011 erhielt die im bayerischen Burghausen geborene Elsner den Ehrenpreis des Bayerischen Filmpreises, überreicht vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. © dpa | Peter Kneffel
    Einer der letzten öffentlichen Auftritte von Elsner Ende Februar 2019 mit der Regisseurin Doris Dörrie bei der Premiere ihres Films „Kirschblüten und Dämonen“ in Hamburg. Die Schauspielerin starb am 21. April 2019 nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 76 Jahren.
    Einer der letzten öffentlichen Auftritte von Elsner Ende Februar 2019 mit der Regisseurin Doris Dörrie bei der Premiere ihres Films „Kirschblüten und Dämonen“ in Hamburg. Die Schauspielerin starb am 21. April 2019 nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 76 Jahren. © dpa | Tobias Hase
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    Den Kommissaren geht es ein wenig wie uns im Lockdown-Modus

    In dieser „Tatort“-Folge gibt es keine Suche nach dem Mörder, sondern danach, woran man als Polizist glauben sollte, wie Elsners Rolle es formuliert. Keine einzige Figur ist nicht nachdenklich oder ohne Zweifel. Das wäre bedrückend, wenn die Kommissare nicht nebenher ständig damit beschäftigt wären, ihren Kater auszuschwitzen. Jede Tragik der Folge wirkt komisch, wenn man sich die dröhnenden Schädel von Janneke und Brix ins Gedächtnis ruft.

    Da der Täter sich gestellt hat, gibt es auch keinen wirklichen Grund, das Büro, oder besser gesagt die Abrisshalle, zu verlassen. Ein bisschen geht es den Kommissaren also wie uns im Lockdown: Arbeiten in behelfsmäßig gebauten Büros, die die Konzentration nicht sonderlich steigern, eine ständig ablenkende Geräuschkulisse und immer wieder begegnet man denselben Menschen.

    Janneke und Brix hätten das Coaching-Seminar, dass sie irgendwie neben ihren Ermittlungen absolvieren sollen, bestimmt auch lieber per Videokonferenz besucht. Wobei man sich in dieser beispiellosen Zeit wahrscheinlich selbst über eine solche Zusammenkunft mit anderen Menschen wie aberwitzig freuen würde. „Die Guten und die Bösen“ sorgt in Zeiten von Quarantäne und Selbstisolation zumindest für beste Lockdown-Unterhaltung am Sonntagabend.

    „Tatort“ – mehr zum Thema:

    In Saarbrücken ist ein neues Ermittler-Duo am Start. Die erste „Tatort“-Folge mit den Kommissaren Schürk und Hölzer war aber keine Glanzleistung – aber einen Lichtblick gab es aber trotzdem. Die bisherigen „Tatorte“ aus Saarbrücken mit Devid Striesow lieferten meist nur mäßige Stoffe ohne viel Erinnerungswert. Nun darf ein neues Duo ran: Das sind die Striesow-Nachfolger im Saarbrücker „Tatort“.