Berlin. „Ferngesteuerte“ Soldaten, Stimmen im Kopf via Magnetstimulation – alles nur Fiktion im Göttinger Krimi? Was heute schon möglich ist.

Im Göttinger Tatort „Krieg im Kopf“ vollzieht sich die Verschmelzung von Mensch und Maschine – mit schwerwiegenden Folgen. Die Handlung hat etwas von „Science Fiction“: Bei einem Bundeswehreinsatz in Mali kommen bei einer Patrouille sechs von zehn Soldaten ums Leben. Zurück in Deutschland begehen zwei der Überlebenden Selbstmord, eine weitere Soldatin sitzt nach einem Suizid-Versuch im Rollstuhl. Der Vierte, Benno Vegener, bedroht Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und spricht immer wieder von Stimmen in seinem Kopf.

Lindholm und Kollegin Anais Schmitz (Florence Kasumba) versuchen herauszufinden, was es mit diesen Stimmen auf sich hat und stoßen auf einen Skandal beim Militär: Die Soldaten sind bei ihrem Einsatz Opfer eines Testlaufs geworden. Heimlich wurden an ihnen neue Kampfhelme erprobt.

Das Besondere daran: Durch neue Technologien in den Helmen können die Soldaten „ferngesteuert“ werden. Über Schallfrequenzen werden ihr Gehirn beeinflusst, ihr Verhalten und ihre Emotionen manipuliert. Sie sind unter anderem konzentrierter und empfinden weniger Schmerz.

„Tatort“ aus Göttingen: Soldaten werden in den Selbstmord getrieben

Dabei kommt es in Mali zu einer schweren Panne, die der Militärische Abschirmdienst (MAD) zu vertuschen versucht: Eine heute querschnittsgelähmte Soldatin erschießt ihre Kameraden – unter dem Einfluss der Hirnstimulation. „Ich schieße, ich bin wach, ich funktioniere“, erinnert sie sich unter Tränen. „Ich muss schießen. Und ich schieße und ich schieße. Es ist so purer Hass.“

Anais Schmitz (Florence Kasumba) rettet in der aktuellen Tatort-Folge ihre Kollegin Charlotte Lindholm.
Anais Schmitz (Florence Kasumba) rettet in der aktuellen Tatort-Folge ihre Kollegin Charlotte Lindholm. © dpa | Jörg Carstensen

Das Experiment an den Soldaten scheitert in diesem Moment. Die Überlebenden des Einsatzes werden zurück in Deutschland mithilfe von Schallwellen schließlich in den Selbstmord getrieben. Horror, was hier passiert.

Wie realistisch aber ist das, was hier beschrieben wird? Ist das alles Fiktion? Und was bedeuten, die vielen Begriffe, die der Tatort aufwirft: Mind-Control, transkranielle Magnetstimulation oder Mikrowellen? Ein Faktencheck.

Laut Christopher Coenen, Forschungsgruppenleiter im Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), ist der Tatort nah an der Realität. „Was dort erzählt wird, ist alles zumindest in Ansätzen bereits möglich“, wird er in der Pressemappe der ARD zitiert. Es gebe in der Neuroforschung „dramatische Entwicklungen“.

Elon Musks Unternehmen forscht an Neurotechologien

Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) soll es gelungen sein, Audio-Botschaften in das Ohr eines Menschen zu schicken. Das soll mithilfe eines Laserstrahls und Wasserdampf um den Körper funktioniert haben, bisher nur aus einer Entfernung von 2,5 Metern.

Vorne mit dabei in Sachen Neurotechnologie ist auch Tesla-Gründer Elon Musk mit seinem Unternehmen „Neuralink“. Sein Ziel: ein Brain-Computer-Interface, also ein Chip, der die Kommunikation zwischen dem Gehirn und einem Computer ermöglicht. Dafür sollen Elektroden ins Gehirn implantiert werden, wie Musk im vergangenen Jahr bekannt gab.

Eine Technologie, von der im Tatort die Rede ist, ist die transkranielle Magnetstimulation (TMS). Mit ihrer Hilfe kann bei den Soldaten unter anderem die Aufmerksamkeit erhöht und der Schmerz genommen werden. Das funktioniert über elektromagnetische Wellen. Beispiele dafür sind Radiowellen, Mikrowellen, Röntgenstrahlung, Licht. Bestimmte Bereiche des Gehirns werden über Impulse zu Aktionen angeregt, andere gehemmt. Eigentlich wird TMS als Therapie für Erkrankungen wie Schlaganfall, Depressionen, Alzheimer oder Schizophrenie eingesetzt.

„Tatort“: Es geht um Mind-Control-Techniken

Darüber hinaus werden im Film diverse sogenannte Mind-Control-Techniken genutzt. Dabei wird gezielt das Bewusstsein und die Wahrnehmung eines Menschen manipuliert – zum Beispiel via Stimmen, die die Betroffenen hören. Auch das funktioniert über elektromagnetische Frequenzen, die Informationen ins Gehirn spielen. Als im Tatort die Professorin außer Gefecht gesetzt werden soll, kommen Mikrowellenwaffen zum Einsatz. Ihre Strahlen heizen die Flüssigkeiten im Körper eines Menschen auf. Sie sind nicht tödlich, gelten aber High-Tech-Waffen. Die Strahlen können punktgenau auf die Zielpersonen gerichtet werden.

Maria Furtwängler spielt Kommissarin Charlotte Lindholm.
Maria Furtwängler spielt Kommissarin Charlotte Lindholm. © dpa | Swen Pförtner

Im Keller des Opfers Benno Vegener finden die Ermittler gesammelte Materialien zum Thema „Mind Control“. Vegener hatte umfangreiche Recherchen angestellt und Ergebnisse auf seinem Laptop gespeichert. Dabei ist unter anderem die Rede von „MK Ultra“ sowie der „Operation Artischocke“ im Taunus.

Was hat es damit auf sich? „MK Ultra“ steht für ein Forschungsprogramm der CIA. Im Kalten Krieg wurden viele Amerikaner als Testpersonen unter halluzinogene Drogen gesetzt. Eine Form von Gehirnwäsche, die hiermit näher untersucht werden sollte. Es kam zu schweren körperlichen und psychischen Schäden.

Krimi thematisiert „Operation Artischocke“

Die „Operation Artischocke“ war ebenfalls ein Forschungsprojekt der CIA. In einem Gefängnis im Taunus wurden in den 50er Jahren Verhörmethoden an Agenten erprobt. Dazu wurden die Menschen unter LSD und Wahrheitsdrogen gesetzt.

Versuche das Bewusstsein von Menschen zu kontrollieren gibt es also schon seit Jahren. Es kommen nur immer neue Technologien hinzu. Wie Forscher Christopher Coenen berichtet, sollen Wehrmachtssoldaten beim Frankreichfeldzug Crystal Meth geschluckt haben, um ihre Müdigkeit zu überwinden. „Früher hat man Drogen verabreicht, um das Hirn zu stimulieren, heute nutzt man transkranielle Verfahren.“

Tatort – mehr zum Krimi in der ARD:

In der vergangenen Woche ermittelten Ballauf und Schenk im Kölner Tatort – und spielten sich als Erkläronkel auf. Inhaltlich ging es um Eltern, die den Staat beim Unterhalt betrügen.

Besonders sehenswert war zuletzt der Odenthal-Tatort aus Ludwigshafen. vier gründe, warum der odenthal-„tatort“ so sehenswert ist Im Berliner Tatort war hingegen die Luft raus. Meret Becker ermittelt hier nur noch viermal. Der Fall wirkte aber, als würde ihr Abgang vorweggenommen.