Köln. Eine Frau aus dem Jugendamt liegt ermordet auf der Straße. Im „Köln-Tatort“ geht es um Verantwortung, Unterhalt und Familienkriege.

Die geschiedenen Eltern brüllen sich auf der Straße an, die Kinder stehen beinahe teilnahmslos im Hauseingang. Ein Dachdecker, der keinen Unterhalt zahlen will, drängt die Mitarbeiterin vom Jugendamt auf dem Hochhaus Richtung Dachrand, eine junge Frau beteuert, sie wisse nicht, wer der Vater ihres Kindes sei, um sich Geld zu erschleichen: Der Kölner „Tatort“ hat oft in die Abgründe menschlichen Daseins geblickt, und das tut er auch diesmal.

Familiäre Verwerfungen und der tägliche Kampf um ein bisschen Würde prägen ein Drama mit dem Titel „Niemals ohne mich“, das natürlich auch noch ein Krimi sein muss.

Kölner „Tatort“: Opfer ist eine Mitarbeiterin vom Jugendamt

Das Todesopfer ist eine Jugendamtsmitarbeiterin (Melanie Straub), die mit Biss ihrer Arbeit nachgegangen ist und säumigen Vätern keine Ruhe ließ. „Sie zerstören Leben“, bekommt sie von erzürnten Männern mehrfach zu hören, ehe sie selbst tot vor dem Tunnel liegt.

„Tatort“-Routinier Jürgen Werner verstreut ein paar Spuren fürs Mitraten. Der aufbrausende Proll (Gerdy Zint), der sich von der Schwarzarbeit immerhin einen knallroten Sportwagen leisten kann, aber keinen Unterhalt fürs Kind zahlt, ist ein Kandidat.

Auch der verbitterte Architekt (Peter Schneider), der in Hartz IV abrutschte, als er seinen Job verlor und die Ehefrau (Katrin Röver) an den ehemaligen Chef, ist im Kampf ums Sorgerecht für die beiden Kinder mehrfach mit dem Jugendamt aneinandergerasselt. Und, man ahnt es früh: Auch im Amtskollegium sind sich natürlich nicht alle grün.

Überlebenskampf im Kölner „Tatort“: Zerrütteter Familien im Mittelpunkt

Doch Werner konzentriert sich vor allem auf den täglichen Überlebenskampf zerrütteter Familien, die sich noch dazu in den Fallstricken der Sozialgesetze verheddern, auf die Misere der Alleinerziehenden, auf die vielen Tricks, mit der Verantwortliche sich aus der Verantwortung ziehen, auf enttäuschte Hoffnungen und pausenlose Ungerechtigkeit. Und, klar, die Vorzeigefamilie des so fürsorglich erscheinenden Amtsleiters (Christian Erdmann) ist auch eine Lebenslüge.

Regisseurin Nina Wolfrum schafft hier und da starke Augenblicke, besonders, wenn sie die Kinder in den Blick nimmt, deren regungslose Gesichter oft wie eine stumme Anklage im Krieg ihrer Eltern sind. Aber so sehr sich das ordentliche Ensemble auch um Dramatik bemüht, es ist der Volkshochschulcharakter, der wie ein Betäubungsmittel wirkt: Die alten Buddies Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) müssen einmal mehr die Erkläronkel spielen.

Bieder inszenierter „Tatort“ – mit origineller Schlusspointe

Sie transportieren Zahlen, Daten, Fakten, Fragen und Antworten zur Unterhaltsverpflichtung für das Publikum – die schlechteste aller Lösungen. Und wenn Ballauf einen zweifachen Vater allen Ernstes fragt, warum der denn nicht wieder in Vollzeit arbeite, muss der natürlich antworten: „Wie soll das gehen mit zwei Kindern?“

So bleibt eine Sozialstudie voller guter Absichten, die sich einigermaßen bieder inszeniert über die Runden quält. Immerhin hält sie allerdings eine originelle Schlusspointe parat.

„Tatort“ – Mehr zum Thema:

Zuletzt mussten sich die Kommissare im Berliner „Tatort“ mit einem klassischen Krimi-Topos beschäftigen: dem perfekten Verbrechen. Davor hatte der Odenthal-„Tatort“ bei vielen Zuschauern für Begeisterung gesorgt.

  • Das Erste, Sonntag, 22.3.2020, 20.15 Uhr.