Berlin. Infizierte Ärzte behandeln im Elsass weiter, es fehlt an Beatmungsgeräten: Deutsche Katastrophenärzte sind nach einem Besuch alarmiert.

Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Katastrophenmedizin (DIFKM) haben nach einem Besuch der Universitätsklinik Straßburg einen alarmierenden Bericht über die Zustände in der französischen Stadt verfasst: Covid-19-Patienten in sehr kritischem Zustand werden nicht mehr beatmet, stattdessen erfolge „Sterbebegleitung mit Opiaten und Schlafmitteln“. Auch infizierte Ärzte arbeiten weiter, damit der Betrieb nicht zusammenbricht.

Der Appell der Katastrophenärzte: Landesregierungen und Krankenhäuser in Deutschland sollten ihre geplanten Schutzmaßnahmen noch verschärfen, heißt es in dem Bericht, der unserer Redaktion vorliegt. Nach den Eindrücken aus Straßburg zeichne sich „im Detail greifbare Gefahr durch das Virus Sars-CoV-2 ab“.

Coronavirus im Elsass: Katastrophenmediziner zeichnen düsteres Bild

Die Region um Straßburg gehört zum Epizentrum der Coronavirus-Epidemie in Frankreich, wo die Behörden insgesamt bis Donnerstag mehr als 1300 Todesopfer durch das Virus registrierten. In dem Bericht des Katastrophenmedizin-Instituts aus Tübingen, das die Fachleute für die Landesregierung von Baden-Württemberg erstellt haben, zeigt sich die Notlage wie unter einem Brennglas: Bereits am vergangenen Montag (23. März) musste die Uniklinik demnach einen beatmungspflichtigen Patienten pro Stunde aufnehmen.

Straßburg am Dienstag: Ein zur Intensivstation umgebauter Hochgeschwindigkeitszug steht auf einem Bahnsteig.
Straßburg am Dienstag: Ein zur Intensivstation umgebauter Hochgeschwindigkeitszug steht auf einem Bahnsteig. © dpa | Jean-Francois Badias

Die deutschen Mediziner unterstreichen, „dass das Nadelöhr die zu beatmenden Patienten sind“. Normalerweise verfüge die Uniklinik im Elsass über 40 Beatmungsbetten. Am Tag des Besuchs hätten immerhin 90 solcher Betten zur Verfügung gestanden. Die Klinik wollte einen großen Raum mit weiteren 110 Betten einrichten.

Die Achillesferse des Krankenhaussystems sieht der Bericht des DIFKM im Fachpersonal. „Der Ausfall jeder einzelnen Person in diesen Bereichen wird am Ende Menschen das Leben kosten“, warnen die Katastrophenmediziner. In dem Bericht heißt es: „Damit kommt dem Rettungsdienst (Notärzte, Rettungsdienstfachpersonal) und dem Bereich der Intensivmedizin in den Kliniken (Intensivmediziner, Anästhesisten und Intensivfachpflege) die absolute Schlüsselrolle zu.“

Frankreich erlaubt daher für diese Personen weiterhin das Arbeiten – zumindest unter strengen Schutzmaßnahmen. „Einzig bei bestätigter Infektion und eigenen Symptomen wird die Arbeit wenige Tage unterbrochen“, heißt es im Bericht der Katastrophenmediziner.

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    Robert Koch-Institut formuliert Empfehlungen für deutsche Kliniken

    Wäre das auch in Deutschland denkbar? Für Krankenhäuser maßgeblich sind die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI): In einer Notlage und bei einem sogenannten relevanten Personalmangel, solle positiv getestetes Fachpersonal ausschließlich Covid-19-Patienten versorgen („in absoluten Ausnahmefällen“).

    Wenn ein relevanter Personalmangel (adäquate Versorgung der Patienten nicht gewährleistet) vorliegt und andere Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Personalbesetzung ausgeschöpft sind. Damit ein Mediziner, der sich mit dem Virus angesteckt hat, auch wieder andere Patienten versorgen dürfe, müsse dieser mindestens 48 Stunden symptomfrei sein und zwei negative Sars-CoV-2-Tests vorweisen können.

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    „Die Handlungsempfehlungen des RKI sind Teil einer sehr seriösen Vorbereitung, um uns auf kommende Herausforderungen in den nächsten Wochen vorzubereiten“, sagt ein Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft unserer Redaktion.

    Der Kern sei, dass es situationsbezogen um die Abwägung zwischen Quarantäne von medizinischen Personal und Aufrechterhaltung größtmöglicher medizinischer Kapazitäten gehe.

    „Patientenschutz und Mitarbeiterschutz werden nicht vernachlässigt, sondern bezogen auf die jeweilige Situation in Einklang gebracht. Es gibt den Krankenhäusern die Flexibilität, die Versorgung im Krisenfall aufrecht zu erhalten. Ohne Mitarbeiter werden wir das nicht können“, sagt der Sprecher.

    Coronavirus: Uniklinikum Straßburg stellt Tumor-Chirurgie ein

    Die Experten des Deutschen Instituts für Katastrophenschutz warnen in ihrem Bericht abschließend, dass es keine „erheblichen medizinischen Kollateralschäden“ geben dürfe. „Menschen haben auch in dieser Zeit medizinische Notfälle und in der Folge Anspruch auf eine adäquate medizinische Behandlung (Herzinfarkt, Unfälle usw.)“, schreiben sie.

    In Straßburg sei das ganze Uniklinikum inzwischen auf Covid-19 umgestellt. Am Tag erfolge nur noch eine lebenswichtige Bypass-Operation. Tumor-Chirurgie, Operationen nach Brüchen und ambulante Operationen habe die Klinik bis auf weiteres komplett eingestellt.

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