Essen. Er manipulierte, missbrauchte und wurde verehrt: Arte zeigt die Doku über den Sektenchef Paul Schäfer und seine „Colonia Dignidad“.

Er errichtete am Ende der Welt ein deutsches Musterdorf, das sich als Reich des Schreckens entpuppte: Paul Schäfer, ein Laien­prediger aus Bonn, zog Anfang der 60er-Jahre mit seinen Anhängern nach Chile und gründete dort die „Colonia Dignidad“.

Innerhalb kurzer Zeit bauten rund 300 emsige Deutsche inmitten unberührter Natur ein Dorf mit Landwirtschaft, Viehzucht, Werkstätten, einem Steinbruch und einem Krankenhaus für die notleidende chilenische Bevölkerung auf.

Doch hinter den Mauern errichtete Paul Schäfer ein brutales Regime der Ausbeutung und Unterdrückung. Außerdem missbrauchte der pädophile Sektengründer viele Kinder in seinem selbstgeschaffenen Reich des Horrors und stellte seine Kolonie in den 70er-Jahren der chilenischen Pinochet-Diktatur als Folterstätte zur Verfügung.

„Colonia Dignidad“: Ein Ort der Hölle und ihr Gründer war der Teufel

Die vierteilige Dokumentation „Colonia Dignidad“, die Arte am Dienstag am Stück zeigt, erzählt die Geschichte der Kolonie und ihres diabolischen Gründers. „Er war der Teufel“, sagt denn auch einer der vielen Zeitzeugen, die in der Dokumentation zu Wort kommen, über den von den meisten seiner Anhänger wie ein Gott verehrten Paul Schäfer.

Wie so viele Deutsche nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs musste sich auch Schäfer Ende der 40er-Jahre völlig neu erfinden: Als Jugendbetreuer in christlichen Organisationen begeisterte er viele Jugendliche, geriet aber schon damals wegen des sexuellen Missbrauchs von Jungen mit dem Gesetz in Konflikt. Einem Haftbefehl entzog sich der Laienprediger durch die Flucht nach Chile, wo er mit seinen Anhängern die „Colonia Dignidad“ gründete.

Das Filmplakat von „Colonia Dignidad“ in Berlin im Februar 2016. Darauf zu sehen die Stars des Films: Emma Watson und Daniel Brühl.
Das Filmplakat von „Colonia Dignidad“ in Berlin im Februar 2016. Darauf zu sehen die Stars des Films: Emma Watson und Daniel Brühl. © imago/pixelpress | imago stock&people

Über den von harter Arbeit, strengen Regeln und drakonischen Strafen geprägten Alltag in der Kolonie berichten in der Doku mehrere Zeitzeugen. Dazu werden Archivaufnahmen von damals gezeigt, in denen das Leben im deutschen Musterdorf als eine Art religiöses Ferienlager im Dienste der Wohlfahrt erscheint. Im Jahr 2016 erfuhr erstmals eine große Öffentlichkeit von den Geschehnissen in der Kolonie in Chile. Durch den Dokumentarfilm „Colonia Dignidad“ geriet auch der zweite Mann, ein Arzt in der Sekte, in den Fokus.

Paul Schäfer stellte seine Kolonie dem Pinochet-Regime zur Verfügung

In Wirklichkeit aber herrschten hinter den Mauern der Kolonie Zwangsarbeit, Gewalt und sexuelle Ausbeutung – Paul Schäfer ließ sich den Schilderungen früherer Kolonisten zufolge fast jede Nacht minderjährige Jungen bringen, die er missbrauchte. In den 70er-Jahren diente sich Schäfer der Pinochet-Diktatur an und stellte Gebäude seiner abgelegenen Kolonie als Folterkeller zur Verfügung. Etliche Regimegegner verschwanden dort spurlos. Warum damals kaum einer gegen das Schreckensregime des pädophilen Laienpredigers auf­begehrte, können sich die früheren Kolonisten, die in der Dokumentation zu Wort kommen und die bis heute unter ihren traumatischen Erfahrungen leiden, im Rückblick auch nicht so recht erklären.

Erstaunlich ist aus heutiger Sicht auch, wie es Sektenboss Schäfer in Chile schaffte, sich unangenehmen Fragen oder gar strafrechtlicher Verfolgung über viele Jahre zu entziehen. Auch zur deutschen Botschaft pflegte er beste Beziehungen, das Auswärtige Amt in Bonn schaute lange Zeit weg, wie der Beitrag zeigt. Als ihm die Behörden 1997 dann doch auf die Pelle rückten, floh er nach Argentinien, wo er 2005 gefasst und der chilenischen Staatsanwaltschaft übergeben wurde. Paul Schäfer starb 2010 im Alter von 88 Jahren in einem chilenischen Gefängnis.

  • „Colognia Dignidad“, Arte, Dienstag, 10. März, 20.15 Uhr.

Mehr Informationen zur Sekte „Colonia Dignidad“:

Der Bundesnachrichtendienst wusste schon sehr früh von der Folter in der „Colonia Dignidad“. Die Bundesregierung legte Dokumente wegen der Sektensiedlung in Chile offen, die das belegen. Im Jahr 2016 hatte Bundespräsident Joachim Gauck in Chile zwei Colonia-Dignidad-Mittäter bei einem Empfang eingeladen, später bedauerte er die Einladung. Doch wie sich rausstellte, war die Einladung kein Versehen. Für den Film