Ulm. Eine Pflegerin steht wegen sexuellen Missbrauchs zweier Frauen vor Gericht. Eine der Opfer soll vor Schmerzen geschrien haben.

Die Vorwürfe wiegen schwer: Eine Altenpflegerin soll zwei Seniorinnen sexuell missbraucht und dabei Videoaufnahmen gemacht haben, seit Montag steht die Frau vor dem Landgericht Ulm.

Die Staatsanwaltschaft wirft der 47-Jährigen vor, die beiden schwer demenzkranken Frauen im Intimbereich berührt zu haben. Sie soll mit Fingern in ihre Körper eingedrungen zu sein, ohne dass es dafür irgendeine medizinische oder anderweitige Notwendigkeit gab.

Weil die Opfer aufgrund ihrer Demenz völlig hilflos gewesen seien, müssten die zwischen August und Oktober 2017 in einem Heim im Landkreis Göppingen begangenen Taten als Vergewaltigungen eingestuft werden, erklärte die Anklagebehörde. Eine der wehrlosen alten Frauen soll hörbar über Schmerzen geklagt haben.

Es blieb zunächst auch unklar, ob die Beweisführung vor Gericht allein anhand der gesicherten Bild- und Videoaufnahmen zu führen sein wird. Die Staatsanwaltschaft hatte diese Möglichkeit zuvor selbst ins Spiel gebracht. Gegen den Chat-Partner, dem die Beschuldigte Aufnahmen des sexuellen Missbrauchs geschickt haben soll, läuft ein separates Strafverfahren.

Es ist nicht der einzige schwerwiegende Vorwurf gegen die Frau: Sie soll darüber hinaus auch kinderpornografische Inhalte erworben haben und ist auch deshalb angeklagt.

Altenpflegerin soll Demenzkranke vergewaltigt haben – Das Wichtigste in Kürze:

  • In Ulm sollen zwei demenzkranke Rentnerinnen missbraucht worden sein
  • Angeklagt ist eine 47-jährige Altenpflegerin
  • Sie soll Videos und Fotos von ihren Taten gemacht haben
  • Die Aufnahmen verschickte sie
  • Die Frauen sollen komplett hilflos gewesen sein
  • Für den Prozess in Ulm sind drei weitere Verhandlungstage bis zum 14. Oktober vorgesehen

Laut Anklage soll die deutsche Beschuldigte die sexuellen Handlungen aus nächster Nähe mit ihrem Handy gefilmt haben. In vier weiteren Fällen soll die Frau, die ihren Beruf auf Fragen des Richters mit „Fachkraft für Altenpflege“ angab, in vier weiteren Fällen Fotos und Videos von nackten Heimbewohnern gemacht haben.

Die Aufnahmen soll sie an einen Mann geschickt, den sie einem Internet-Chat kennengelernt hatte. Außerdem ist die Frau in mehreren Fällen wegen des Erwerbs kinderpornografischer Erzeugnisse angeklagt.

Die Altenpflegerin im Gerichtssaal.
Die Altenpflegerin im Gerichtssaal. © dpa | Thomas Burmeister

Die Anklage lautet auf Vergewaltigung und sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses. Außerdem ist sie in vier Fällen wegen des Erwerbs kinderpornografischer Schriften angeklagt. (Az.: 1 KLs 45 Js 4038/19)

Laut Staatsanwaltschaft soll die Pflegerin zwischen August und Oktober 2017 in einem Heim im Landkreis Göppingen die Bewohnerinnen im Intimbereich berührt haben. Dabei sei es auch zum Eindringen in die Körper der Frauen gekommen.

Altenpflegerin filmte Taten

Die sexuellen Handlungen soll die Angeklagte mit ihrem Handy gefilmt und fotografiert haben. In vier weiteren Fällen soll sie Bilder und Filme von teils nackten Heimbewohnern gemacht haben. Die Bild- und Videodateien habe sie dem Chatpartner geschickt, der sie dazu aufgefordert haben soll.

Gegen diesen Mann läuft ein separates Ermittlungsverfahren. Gegenüber der Staatsanwaltschaft hat sich die Beschuldigte, die in Untersuchungshaft sitzt, bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Die in Untersuchungshaft sitzende Angeklagte hatte sich bis zur Eröffnung der Hauptverhandlung nicht zu den Vorwürfen geäußert. Vor der Großen Strafkammer des Landgerichts tat sie dies zwar, jedoch blieb unklar, was sie konkret sagte: „Eine nähere Einordnung ihrer Äußerung kann die Kammer erst nach Abschluss der Beweisaufnahme vornehmen“, teilte Gerichtssprecher Alexander Spengler lediglich mit.

Das Landgericht hatte die Öffentlichkeit - und damit auch die Presse - unmittelbar nach Verlesung der Anklageschrift von der weiteren Verhandlung ausgeschlossen. Es gab damit einem Antrag der Verteidigung statt. Der Gerichtssprecher verwies darauf, dass die Angeklagte Anspruch auf Schutz ihrer Intimsphäre habe. (Az.: 45 Js 4038/19)

Pflegeheime selten im Fokus

Sexueller Missbrauch in Pflegeheimen kommt nach Angaben von Pflegeverbänden selten vor. In der Polizeilichen Kriminalstatistik gibt es dafür keine gesonderte Kategorie. Prozesse um solche Straftaten erregen oft viel Aufsehen.

  • Im Januar 2019 verurteilte das Landgericht Stuttgart einen Heilerziehungspfleger zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis, der sich an einem behinderten knapp 14-Jährigen vergangen hatte.
  • 2015 verurteilte das Landgericht München einen Pfleger wegen sexuellen Missbrauchs einer schwer behinderten Autistin zu achteinhalb Jahren Haft. Die Frau war dabei schwanger geworden, sie brachte einen Jungen zur Welt.
  • 2017 wurde ein Pfleger der Uniklinik Aachen des sexuellen Missbrauchs von Patienten beschuldigt. Es gibt offenbare mehrere Opfer.

Anfang des Jahres konnte ein Pfleger gefasst werden, der in den USA eine Wachkoma-Patientin geschwängert hatte. Für großes Entsetzen hatte auch der Fall des Ex-Krankenpflegers Niels Högel gesorgt, der 100 Patienten getötet hatte.

(bekö/dpa/cho)