Berlin. Schauspieler Jürgen Tarrach fühlt sich der sehnsuchtsvollen Stimmung Lissabons verbunden. Jetzt hat er eine Fado-CD aufgenommen.

Er war der Walter Sedlmayr im Fernsehfilm „Wambo“. Er spielte eine Nebenrolle im James-Bond-Film „Casino Royale“. Und ist aus den TV-Krimis nicht wegzudenken. Vor allem, seitdem er eine eigene Krimireihe hat: Rechtsanwalt Eduardo Silva gibt dem „Lissabon-Krimi“ stets eine ganz besondere Aura, wie es nur wenige dieser Auslands-Ermittler schaffen.

Lissabon, das ist seine große Liebe. Hier, so sagt er, spüre er das, was auch einen Teil von ihm ausmacht: das Gefühl der Melancholie. Dem hat er sich nun ganz und gar hingegeben: Jetzt singt er nämlich noch – den Fado.

Ein typischer Wehklage-Gesang ist das, was Tarrach (58) da aufgenommen hat, wie er später beim Treffen bei Sony Music in Berlin erzählen wird. Eine Musik, die zu Sonnenuntergang und einem Glas Wein passt.

Ein Anti-Held und einer zum Identifizieren

Noch ist er nicht zu sehen. Aber seine Stimme, die steht schon wuchtig im Raum. Sein „Guten Tag“ ist ein anderes als das übliche Guten Tag, das man so kennt. Sein Tonfall macht aus der Rezeption eine Theaterhalle: Auf eine Art voll und zugleich zart ist diese Stimme.

Und wenn er auch nur mit der Rezeptionistin über einen Abend spricht, an dem er nach einer Zugfahrt unfreiwillig im Berliner Eisenbahndepot landete, weil er schlichtweg eingeschlafen war – das klingt nicht nach jemandem, der es nicht blickt. Es klingt nach jemandem, der auf magische Weise in seiner eigenen Welt ist.

Es sind Geschichten wie diese, die er so beiläufig erzählt und an deren Ende er nie der Held ist. Im Gegenteil: Ein Anti-Held ist er, ein Mann des manchmal schäbigen Scheiterns.

Das macht ihn trotz allem Charisma zu einem von uns: Einer zum Identifizieren, nicht einer zum Hochschauen. Einer, der auch aussehen will wie einer eben so aussieht im Sommer: Hemd, Jeans, Freizeitschuhe – rein äußerlich ein Mann für den Alltag, vielleicht sogar für den Schrebergarten.

Jürgen Tarrach fühlt sich im Herzen zum Süden hingezogen

Doch im Gespräch zeigt Tarrach, der als einer der markantesten Schauspieler Deutschlands gilt, diese feinsinnige Seite, die ihn auch in seinem Rollen ausmacht.

Wenn er erzählt, zaubert er immer ein bisschen Lissabon nach Berlin. „Zum Glück traurig“, so heißt der Titel der CD. Ein Gefühl, das er kenne. Den Deutschen fehle ein wenig der Sinn für diese Art des Lebensgefühls.

Das Denkmal der Entdeckungen in Lissabon: Jürgen Tarrach liebt Portugal.
Das Denkmal der Entdeckungen in Lissabon: Jürgen Tarrach liebt Portugal. © dpa | Luis Pavao

Sie seien wohl ein wenig sachlich gestrickt, sagt Tarrach, gebürtig aus Geilenkirchen in NRW und nun wohnhaft in Potsdam. Er dagegen fühle sich im Herzen zum Süden hingezogen, liebe nicht nur Portugal – „das beste Licht der Welt!“ – sondern natürlich auch den portugiesischen Fado. „Ich mag Musik, die melancholisch ist. Woher das kommt, weiß ich nicht.“

Für ihn die bessere Alternative als Gute-Laune-Musik. „Melancholie ist ja kein negatives Gefühl. Es hat ja nichts mit einer Gemütskrankheit zu tun. Es erinnert eher an vergangene Zeiten“, sagt er. „Eine Art Lust am Traurigsein.“

Melancholisch bei der Betrachtung von alten Fotos

Ein Gefühl, das ihn ergreift, wenn er Fotos aus alten Zeiten anguckt. Fotos von seinen Kindern – Tochter und Sohn – , die längst erwachsen sind. „Dann sehe ich, wie wir zusammen gespielt haben. In solchen Momenten habe ich immer ein Lächeln im Gesicht, und gleichzeitig macht es mich traurig, dass diese schöne Zeit vorbei ist.“

Ein Deutscher als Portugiese, im Herzen – aber auch im Film. Was wurde schon Häme über die Ermittler ausgeschüttet, die behaupten, Franzosen wie Francis Fulton Smith als Kommissar LaBréa oder Italiener wie Uwe Kockisch als Commissario Brunetti zu sein.

Hintergrund: Wie Jürgen Tarrach nach dem „Lissabon Krimi“ entspannt

Mit so einer Verwandlung habe Tarrach keine Probleme. „Natürlich handelt es sich um eine Kunstfigur. Das geht ja gar nicht anders. Aber im Film hat man ja die Möglichkeit, diese Rolle auszuloten.“

Malerei als Entspannung

Tarrach, der einem breiten Publikum erstmals Mitte der 1990er-Jahre durch die Fernsehserie „Um die 30“ bekannt wurde, hat nicht nur die Musik für sich entdeckt, sondern seit längerem schon die Malerei.

„Eigentlich war die Malerei als Entspannung für den Beruf als Schauspieler gedacht“, sagt er. „Als Schauspieler ist man so abhängig: von der Rolle, von den Kollegen, davon, überhaupt erst einmal eine Rolle zu bekommen.

Es müssen also eine Menge Fakten zusammenkommen, bevor man überhaupt spielen kann. Bei der Malerei hat man ein Blatt Papier und kann loslegen.“

Jürgen Tarrach ist mit seinem Äußeren im Reinen

Im Film verkörpert Jürgen Tarrach vorwiegend Gestalten der etwas schmierigen Art: korrupte Politiker, betrügerische Rechtsanwälte, habgierige Manager. In seiner Darstellung in „Casino Royale“ wurde seine Rolle zunächst als „fat German“ (dicker Deutscher) beschrieben.

Der Rollenname wurde dann in „Schultz“ geändert. Tarrach kann das wohl ab. „Ich empfinde mich nicht als gut aussehenden Mann, aber ich leide darunter nicht. Ich bin mit meinem Äußeren, soweit das möglich ist, im Reinen“, sagt er und ergänzt: „Natürlich wäre ich gerne etwas schlanker, aber das wird im Alter immer schwieriger.

Und dadurch, dass ich ein markanter Typ bin, belege ich ja auch eine Nische, ein ganz anderes Rollenfach, in das ich im Lauf der Zeit reingewachsen bin.“