London. Die Schauspielerin Emma Thompson ist in „Late Night“ zu sehen – und spricht im Interview über Erfolg, Jugendwahn und ihre Mutter.

Emma Thompson hat es längst geschafft. Seit 30 Jahren gehört sie zu den erfolgreichsten Schauspielerinnen im internationalen Filmbusiness. Wie nur wenigen gelingt ihr der Spagat zwischen Arthouse-Filmen und Blockbuster-Movies.

Eigentlich müsste sie gar keine Filme mehr drehen: „Ich könnte mich locker auf meinen ,Harry Potter’-Millionen ausruhen“, lacht die Darstellerin der Zauberschul-Professorin Sibyll Trelawneyie. „Und wenn es mich trotzdem mal wieder vor die Kamera zieht, dann nur für einen Film, an den ich glaube und bei dem ich auch mit dem Herzen dabei bin.“ Wie die Ende August ins Kino kommende Komödie „Late Night – Die Show ihres Lebens“. Warum das so ist, verriet die 60-Jährige im Interview.

Mrs. Thompson, im Film sind Sie eine sehr reiche, erfolgreiche und privilegierte Frau – wie auch im wirklichen Leben.

Emma Thompson: (Lacht) Ja, es trifft zu, dass ich schon lange ein sehr gutes Leben führen kann. Ich habe – im Vergleich zu anderen Frauen – und gerade auch zu Schauspiel-Kolleginnen – sehr viel Glück gehabt. Ich fühle mich dadurch tatsächlich sehr privilegiert.

In den zurückliegenden Jahren habe ich viele Reisen in sogenannte Dritte-Welt-Länder und in Krisengebiete unternommen; ich war oft sehr bestürzt zu sehen, unter welchen Bedingungen Frauen dort leben – überleben – müssen. Zu diesen Missständen habe ich mich auch oft in Zeitungen und anderen Medien geäußert, bin mir also über dieses Ungleichgewicht sehr im Klaren

Sie spielen diesen Part nicht nur mit viel Leidenschaft, sondern auch mit jeder Falte, die Sie haben. Das ist sehr erfrischend. Haben Sie schon mal daran gedacht, dem natürlichen Alterungsprozess entgegenzuwirken? Vielleicht mit Botox oder einer Schönheits-OP?

Thompson: Nein, absolut nicht. Ehrlich gesagt, finde ich diesen kindischen Umgang mit dem Alter sehr schlimm. Wann akzeptieren wir endlich, dass das Älterwerden ein ganz natürlicher Prozess bei jedem von uns ist? Was soll denn dieser lächerliche Jugendwahn? Dadurch pflanzen wir unseren Kindern doch nur die Angst vorm Älterwerden ein. Und das finde ich wirklich schändlich.

Wie haben Sie denn Ihre künstlerischen Ansprüche mit der harten Business-Realität vereinbart? Sagen Sie bei Meetings mit Produzenten oder Studiobossen immer das, was Sie wirklich denken, oder sind Sie da eher diplomatisch?

Thompson: Ich habe keine Business-Meetings. Und mit Studio-Bossen spreche ich nur, wenn die mal am Set auftauchen und fragen, ob alles okay ist; dann sage ich natürlich: „Alles Bestens!“ Und sie ziehen zufrieden wieder ab.

Sie machen aus Ihren politischen Überzeugungen und Ihrer sozialen Verantwortung keinen Hehl. Hat Ihnen diese Offenheit nie geschadet?

Thompson: Sie meinen, ob ich dadurch schon mal eine Rolle verloren oder erst gar nicht bekommen habe? Nicht, dass ich wüsste. Und wenn es so gewesen wäre, würde mir das überhaupt nichts ausmachen.

Andererseits musste ich mir mein Standing in einer sehr männlich dominierten Welt auch hart erkämpfen. Vor allem als ich noch als Autorin im TV-Sender Chanel 4 mein Geld verdienen musste. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich einmal ein Comedy-Special schrieb, in dem sich meine Mutter über Penisse ausließ. Das fanden die Channel-4-Herren gar nicht witzig. Erst als ich ihnen den Sketch vorspielte, gaben sie mir grünes Licht.

„Die Show ihres Lebens“ ist oft sarkastisch, ja sogar zynisch. Er macht sich über stereotypisches Rollenverhalten und Vorurteile lustig. Leider mündet er dann in ein märchenhaftes Happy-End. Hätten Sie sich nicht einen härteren, realistischen Schluss gewünscht?

Thompson: Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass der Film so positiv endet. Mindy (Kaling, die Drehbuch-Autorin und Produzentin, Anm. d. Red.) wollte keinen der Charaktere als Opfer darstellen – und schon gar nicht mich als Late-Night-Host. Alle Rollen in diesem Film sind dreidimensionale Figuren, die sich im Laufe des Films auch entwickeln.

Mindy hatte den Mut, die Erwartungen der Zuschauer zu unterlaufen und ihre eigene, starke Version dieser Geschichte zu liefern. Sie spielt sich auf gewisse Weise selbst: Dass sie als indische Frau in der amerikanischen Film- und Fernsehbranche oft als Quoten-Frau eingesetzt wurde, entspricht ja ihrer eigenen Biografie.

Was hat Sie davor bewahrt, trotz Ihres großen Erfolges nicht in die Selbstglorifizierung abzurutschen?

Thompson: (Denkt lange nach) Ich versuche den Ansprüchen meiner Mutter gerecht zu werden. Ganz im Ernst: Ich versuche, die Erwartungen meiner Mutter zu erfüllen. Sie ist eine echte Schottin. Sie ist absolut unfähig, stolz zu sein. Auf mich oder irgendwen sonst in meiner Familie. Denn das tut man einfach nicht.

Wir wohnen beide in derselben Straße, in der ich auch aufgewachsen bin. Seit 60 Jahren lebe ich in derselben Straße in London und demselben Dorf in Schottland – also mein ganzes Leben lang. Da ist kein Platz für Allüren.

Und in dieser Straße da gibt es auch noch Mr. Carmelli, einen portugiesischen Automechaniker, der sehr unverschämt sein kann. Der brüllte mir lange Jahre immer nach: „Was hast du jetzt schon wieder gemacht, Emma? Du kannst die Welt doch nicht ändern, du dummes Mädchen! Warum bist du nicht schwanger?“

Und wenn Ihre Kollegen Sie loben …

Thompson: … dann wirkt das auf mich giftig wie Kryptonit auf Superman. (Lacht) Meine Mutter ist mein Kryptonit. Sie würde mich nie dafür loben, wenn ich etwas gut gemacht habe. Das wäre einfach das natürlichste von der Welt. Sie würde einfach fragen: „Was machst du als Nächstes?“ Meine Erziehung hat mich davor bewahrt, größenwahnsinnig zu werden.