Berlin. Die brennende Notre-Dame in Paris hat weltweites Entsetzen ausgelöst. Woher kommt diese große Fassungslosigkeit? Ein Erklärungsversuch.
Es ging alles so schnell. Eben noch war da nur ein wenig grauer Rauch über der Kathedrale Notre-Dame zu sehen. Auf einmal standen große Teile des Dachs in Flammen, der kleine Spitzturm brach zusammen, später auch das Dach. Übrig blieben die zwei rechteckigen Türme der berühmten Fassade – und große Fassungslosigkeit.
Die Menschen standen auf den Straßen von Paris, ob Einheimische oder Touristen, den Blick nach oben gerichtet, wo das riesige Feuer den Himmel orange färbte. Bestürzung und Entsetzen in den Gesichtern, Kopfschütteln und Sprachlosigkeit.
Das Feuer in der Kathedrale Notre-Dame, das große Teile der Kirche zerstörte, macht betroffen, auch außerhalb Frankreichs. Das hat mit der Bekanntheit des Gebäudes zu tun, mit seiner geschichtlichen Bedeutung und nicht zuletzt mit der Macht von Feuer.
Pariser Kathedrale Notre-Dame in Flammen
Notre-Dame war schon immer da – ein Zeichen von Beständigkeit
Die gotische Kathedrale, die mitten im Herzen von Paris thront wie eine Diva, die zur Audienz bittet, ist nicht irgendein Gebäude. Sie ist eines der Wahrzeichen der Stadt. Zu einem Paris-Besuch gehört auch ein Abstecher zur Kathedrale, ebenso wie zum Eiffelturm und zur weißen Basilika Sacré-Cœur auf dem Hügel Montmartre.
Ein Teil der Stadt, der schon immer da war und der bei aller Unruhe in einer so großen Metropole immer auch ein wenig Ruhe bietet. Eine erhabene Form von Beständigkeit und Verlässlichkeit. Seht her, ich bin noch da, egal wie groß der Trubel sonst auch sein mag.
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Zudem ist Notre-Dame eine Kirche. Ein monumentaler Bau, dessen Geschichte bis in das 12. Jahrhundert zurückreicht. Die schiere Größe ist beeindruckend, die baulichen Details des Gebäudes für einen Laien nur schwer zu fassen. Ob man nun katholisch ist oder nicht. Ein Verständnis von Schönheit und Eleganz hat mit Glauben nicht viel zu tun.
Brand in der Kathedrale – die große Macht des Feuers
Auch daher kommt das große Entsetzen. Dass so ein meisterliches Konstrukt, mehr als 30 Meter hoch und fast 130 Meter lang, dessen Fertigstellung fast 200 Jahre dauerte, dann binnen weniger Stunden beinahe in sich zusammenfällt, das sprengt das Vorstellungsvermögen. Das mag und kann man sich nicht ausdenken.
Von den kunst- und kirchenhistorischen Schätzen mal ganz abgesehen. Unter anderem soll in der Kirche die Dornenkrone liegen, die Jesus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll. Die Gefahr, dass das Feuer Reliquien wie diese zerstört, war real. Dem Einsatz der Pariser Feuerwehr ist es zu verdanken, dass bei dem Feuer nicht noch mehr vernichtet wurde.
Apropos Feuer. Was für eine Macht, was für eine Zerstörung! Wie hilflos man daneben steht und nichts weiter tun kann, als zuzusehen und zu hoffen, dass es irgendwie gelingt, den Brand zu stoppen. Zumindest noch ein klein wenig von diesem Gebäude zu retten. Auch das macht fassungslos.
Weil es einem bewusst macht, wie groß die Naturgewalt und wie klein die eigenen Möglichkeiten sind, wenn ein Feuer sich den Weg bahnt. Der Wiederaufbau von Notre-Dame wird wohl Jahrzehnte dauern.
Mir hat meine Großmutter einmal gesagt: „Wenn du dich irgendwo einsam fühlst, geh‘ in eine Kirche. Das hilft.“ Als ich im Februar 2003 zum Studieren nach Paris kam, hat mich die große Stadt in den ersten Tagen ziemlich überwältigt. Ich habe mich an einem Nachmittag auf eine der Bänke in die Kathedrale gesetzt. Meine Großmutter hatte Recht.
Die Bilder der brennenden Kirche haben mich im Herzen getroffen.