Berlin. Was tun gegen den Mietenwahnsinn? Maybrit Illner diskutierte unter anderem mit Grünen-Politiker Boris Palmer – und der legte los.

Mehr Wohngeld, mehr Wohnraum, mehr sozialer Wohnungsbau, keine „Zwangsumzüge“ und eine Mietpreisdeckelung für fünf oder zehn Jahre. Die Liste an Vorschlägen war lang. Enteignung? Die war nach 60 Minuten Talk bei „Maybrit Illner“ stattdessen so gut wie vom Tisch.

Die Moderatorin hatte sich am Mittwochabend zu dem Thema „Wohnungsnot und Wuchermieten – enteignen aus Notwehr?“ kommunikative und in der Diskussion beherzt einschreitende Gäste eingeladen. Der Talk kam – was bei solchen Formaten doch eher selten der Fall ist – lösungsorientiert daher.

Die Enteignungs-Debatte beschäftigt seit einigen Tagen Medien und Öffentlichkeit. In Berlin und anderen Städten waren Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen steigende Mieten und Verdrängung zu protestieren. Die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ sammelt indes Unterschriften für ein Volksbegehren. Ihr Ziel: Der Berliner Senat soll Wohnungsgesellschaften mit mehr als 3000 Wohnungen enteignen – und damit dem „spekulativen“ Immobiliengeschäft ein Ende bereiten.

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    Thema Enteignung – Initiative will auch provozieren

    Sprecher der Initiative ist Rouzbeh Taheri, ein ehemaliges Linken-Mitglied. Von ihm wollte Maybrit Illner wissen: Ist die Enteignung mehr als eine Provokation? Taheri gab zu, auch provozieren zu wollen. „Wir wollen das Thema wieder auf die Agenda bringen. Die Interessen der Mieter sollen wieder an erster Stelle stehen.“

    Ein Etappenziel hat die Initiative damit schon erreicht. Schließlich äußerte sich im Laufe der Woche so gut wie jeder führende Politiker zu der Debatte. Grünen-Chef Robert Habeck etwa hatte sich dafür ausgesprochen – und sich damit viel Kritik eingehandelt.

    Talk bei Maybrit Illner – das waren die Gäste

    Peter Altmaier (CDU), Bundeswirtschaftsminister

    Janine Wissler (Die Linke), stellv. Parteivorsitzende, Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen im Hessischen Landtag

    Boris Palmer (B´90/Grüne), Oberbürgermeister Tübingen

    Rouzbeh Taheri, Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“

    Maren Kern, Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V.

    Beim Braunkohlebau schrecke die Politik vor Enteignungen nicht zurück, wohl aber in der Immobilienbranche. „Dann ist das Teufelszeug“. Eine repräsentative Umfrage unserer Redaktion hatte in des ergeben, dass die Mehrheit der Deutschen gegen die Enteignung von Wohnungskonzernen ist.

    Zielscheibe Nummer eins sind für Sprecher Taheri und seine Anhänger die großen Wohnungskonzerne Deutsche Wohnen und Vonovia. Die seien „nur ihren Aktionären verpflichtet. Die haben kein soziales Gewissen.“

    Wirtschaftsminister Altmaier sorgt sich um Investoren

    Bei Maybrit Illner ging es am Donnerstag um das Thema Mietwucher.
    Bei Maybrit Illner ging es am Donnerstag um das Thema Mietwucher. © ZDF/Jule Roehr | ZDF/Jule Roehr

    Direkt angesprochen fühlen konnte sich in dieser Runde Maren Kern. Sie ist Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, zu dessen Mitglied die „Deutsche Wohnen“ zählt. Maren Kern wehrte sich gegen den Vorwurf, dass die Deutsche Wohnen und andere Unternehmen „Miethaie“ oder „Spekulanten“ seien.

    Die Unternehmen im Verband würden den Mietspiegel berücksichtigen. Ihr Hauptargument in der Diskussion: Durch Enteignung werde keine neue Wohnung geschaffen – dabei brauche es die dringend. Dass Enteignungen aber auch gegen extreme Mietsteigerungen und damit gegen Verdrängung von Mietern helfen könnte, ignorierte Maren Kern.

    Und nicht nur sie. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) pflichtete ihr bei: „Enteignungen verschrecken Investoren.“ Mit ihm gebe es die sicher nicht. Enteignung sei Teil der DDR-Ideologie. Menschen würden gezwungen, ihr Eigentum zu veräußern. Punkt und Aus.

    Altmaier- Enteignungs-Debatte ist überflüssig wie ein Kropf

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      Dabei schlich sich aber auch eine viel grundsätzlichere Frage ein: Was für eine Form von Wirtschaft wollen wir? Die stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, Janine Wissler, plädierte dafür, die Eigentumsverhältnisse eben nicht dem Markt zu überlassen.

      Grünen-Politiker Boris Palmer will Bußgelder verhängen

      Wirtschaftsminister Altmaier auf der anderen Seite betonte, dass für das Gelingen der sozialen Marktwirtschaft Eigentum erforderlich sei – und verteufelte im gleichen Atemzug die Planwirtschaft der DDR. Beim Stichwort Soziale Marktwirtschaft musste dann Boris Palmer etwas stärker eingreifen. „Das hatten sich Adenauer und Erhard aber anders überlegt“, entgegnete der grüne Oberbürgermeister von Tübingen auf Peter Altmaier.

      Was Eigentümer in Sachen Miete veranstalteten, das sei „Raubtierkapitalismus“, sagte Palmer. Vom Thema Enteignung war er jedoch ähnlich weit entfernt wie der Wirtschaftsminister. Stattdessen hatte er einen anderen Lösungsvorschlag, von dem er auch in Tübingen Gebrauch machen will. Wer Bauland besitze, aber nicht baue, müsse zunächst ein Bußgeld zahlen. Sollte er dann immer noch nicht bauen, dann könne man ihn enteignen.

      Bauminister Horst Seehofer fehlte

      Palmer will so das vorhandene Gesetz nutzen, um die Eigentümer stärker zum Wohnungsbau zu zwingen. Nach dem Motto: Eigentum verpflichtet. Halten sich Angebot und Nachfrage die Waage, dann sind Mietexplosionen weniger wahrscheinlich. So der Plan.

      Janine Wissler von den Linken ist da nicht restlos überzeugt. Gebaut werde ja schließlich überall, nur eben nicht sozial. Auch könne es nicht sein, dass ärmere Menschen ins Umland ziehen müssten und den Reichen die Stadt gehöre. So stand am Ende ein Fazit aus: mehr bauen, sozialer bauen und die Mietpreise (vorläufig) deckeln. Eine faire, informative Diskussion. Nur einer fehlte hierbei, wie Janine Wissler bemerkte.

      Einer, der bei diesem Thema eigentlich was zu sagen haben müsste: Bauminister Horst Seehofer.