Berlin. Der israelisch-deutsche Comedian Shahak Shapira hat jetzt eine TV-Show. Darin zeigt er auch Ausschnitte aus seinen Therapiesitzungen.

Shahak Shapira hängt etwas müde im Sessel. Urlaubsreif, sagt er selbst. Aber schlappmachen ist nicht: Seine erste eigene Fernsehshow startet an diesem Dienstag, er hat reichlich zu tun. Es wird eine Mischung aus Stand-up-Comedy und Videosketchen, und die Auftritte vor Publikum werden jede Woche aktuell aufgezeichnet.

Der Name der Sendung ist dabei Programm: „Shapira Shapira“: Hier geht’s um die ganz persönliche Weltsicht des 31-jährigen Comedians.

Vom Westjordanland nach Sachsen-Anhalt

Damit alles sitzt, testet er fast täglich sein Material auf den offenen Bühnen der Hauptstadt. Funktioniert eine Pointe? Reagiert das Publikum, wie er es sich vorgestellt hat? Davon erzählt der in Israel geborene Berliner im Büro der Firma, die seine Sendung produziert. Ein Loft mit Spreeblick. Ein heller Ort. Hier verbringe er gerade mehr Zeit als zu Hause, sagt er.

Als 14-Jähriger kam Shapira nach Deutschland. Von der jüdischen Siedlung Oranit im Westjordanland nach Laucha in Sachsen-Anhalt, zum neuen Lebensgefährten der Mutter. Shapiras Bruder wurde dort, wo die NPD zweistellige Wahlergebnisse bekommt, von einem Rechtsextremisten zusammengeschlagen. Er selbst wehrte sich Silvester 2014 in der Berliner U-Bahn gegen antisemitische Sprüche arabischer Berliner, wurde angegriffen, teilte aus, entkam.

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Seinen israelischen Pass hat er abgegeben

Viel hat sich seitdem getan, und nicht nur, dass er im vergangenen Jahr seinen israelischen gegen den deutschen Pass eingetauscht hat. 2016 bekam sein autobiografisches Buch „Das wird man ja wohl noch schreiben dürfen“ viel Beachtung.

2017 erregte er weltweit Aufmerksamkeit mit der Aktion „Yolocaust“, bei der er lächerlich schicke Instagram-Bilder von Menschen am Holocaust-Mahnmal auf Fotos aus NS-Vernichtungslagern montierte. Und er sprühte vor der Twitter-Zentrale in Hamburg Hass-Botschaften auf den Boden, gegen die der Kurznachrichtendienst nichts unternommen hatte: Mehr Internet-Ruhm für ihn, 155.000 Menschen folgen ihm bei Twitter.

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Und 2018 kam Shapira seinem eigentlichen Ziel näher: Mit „German Humor“ tourte er als Stand-up-Comedian durch Deutschland. Und jetzt auch noch Fernsehen! Ein paar Ausschnitte gab es schon vorab zu sehen. Einen Sketch etwa, in dem drei Klischee-Machos eine Werbestrategie für ein Männerdeo entwickeln und schlagartig verlegen werden, wenn einer versehentlich echte Gefühle erwähnt. Oder eine Stand-up-Nummer, in der Shapira sich wundert, dass die Gedenkstätte des NS-Vernichtungslagers Auschwitz beim Reiseportal „TripAdvisor“ Sterne bekommt.

Vorbilder sind US-Comedy-Legenden

An dieser Stelle des Programms seien schon Leute rausgegangen. Warum? „Keine Ahnung, weil sie sich von ihrer eigenen Vergangenheit beleidigt fühlten?“, mutmaßt er. Manche Menschen könnten leider nicht erkennen, dass er sich nicht über die Opfer des Holocaust lustig mache, sondern über Menschen, die Auschwitz bewerten, als handelte es sich um ein Restaurant.

Will er gesellschaftliche Debatten prägen? „Ich benutze Comedy für nichts anderes als Comedy“, sagt Shapira. Um lustig zu sein? „Ja, und um ehrlich zu sein.“ Er versuche, auf die Bühne zu gehen und keine Figur zu spielen, „sondern offen umzugehen mit dem, was ich denke oder fühle. Ich bin ich, und ich kann mich nicht verstecken hinter irgendwas“. Seine Vorbilder sind US-Comedylegenden wie Dave Chappelle, nicht die deutschen. Und die Kabarettisten schon gar nicht. „Die bestätigen dem Publikum nur die Meinung, die es hören will. Das ist nicht mutig“, sagt er.

Ziel erreicht, aber trotzdem nicht glücklich

Auf die Frage, wie er sich fühlt, jetzt, wo er sich als Comedian eta­bliert, sagt er: „Ich dachte, es würde mich glücklich machen, wenn ich eine Sendung bekomme. Dann war ich zwei Minuten glücklich, und dann dachte ich: Ah, aber die Sendung muss auch gut sein.“ Die Reaktion eines Zweiflers. Und er sagt noch mehr: „Mir ging’s noch nie so schlecht. Ich war noch nie so traurig und depressiv wie seit ich in der Öffentlichkeit stehe.“

Könnte er denn die Öffentlichkeit, dieses Sich-selbst-ausstellen, dazu den Hass, der ihm immer wieder auch in Form von „Vergasungswünschen“ im Netz entgegenschlägt, auch wieder verlassen? Er hat Werbung gelernt, ein Leben als Art Director wäre möglich. „Ich glaube, auch wenn ich das täte, würde sich nicht viel daran ändern, wie ich mich fühle“, sagt er.

Hol dir Hilfe!, möchte man ihm raten, da erzählt er, dass er jetzt einen Therapeuten hat.

Ganze Therapie-Sitzungen als Podcast

Und nicht nur das: Er will seine Psychotherapie öffentlich machen. Einen kleinen Ausschnitt in der Show und am liebsten ganze Sitzungen als Podcast. Warum will er sich derart öffnen? „Ich dachte, es wäre interessant zu zeigen, was sonst niemand zeigen würde. Um zu gucken, wie die Leute reagieren“, sagt er. Er würde sich verletzlich machen. Aber das ist es ihm wert, für die Kunst. Hauptsache ehrlich. (Anne Diekhoff)

• „Shahak Shapira, ZDFneo, Dienstag, 9. April, 23.15 Uhr