Sydney. David Glasheen arbeitete als Finanzmanager. Doch 1987 verlor er alles – Geld, Familie und Karriere. Dann krempelte er sein Leben um.

Lange weiße Haare, Rauschebart und ein nackter Oberkörper: Noch in den 1980er-Jahren hätte David Glasheen sich selbst so nicht vorstellen können. Damals war der Australier ein erfolgreicher Finanzmanager in Sydney, verdiente Millionen und ging jeden Morgen mit Anzug und Krawatte aus dem Haus.

Doch dann kam der Börsencrash im Jahr 1987 – Glasheen verlor sein Geld, seine Familie und seine Karriere. Erst als er in den 1990ern Restoration Island, eine einsame Insel im Nordosten Australiens, entdeckte, fand er sein Glück: allein als Aussteiger auf der Insel.

Auf den ersten Blick gleicht ­Glasheens tropische Insel mit ihrem weißem Sandstrand, den Palmen und Bananenstauden einer Trauminsel – doch Glasheen teilt sich dieses Paradies mit Haien, Salzwasserkrokodilen und giftigen Schlangen. Auch tropische Stürme machen ihm in den Sommermonaten immer wieder zu schaffen.

Glasheen züchtet Gemüse und Obst und jagt Fische

Trotzdem lebt der Aussteiger seit nun über 20 Jahren in seiner Hütte – einem alten Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg –, züchtet Gemüse und Obst und jagt Fische mit einem Speer. Ganz verzichtet David Glasheen dabei aber nicht auf den Luxus der Moderne: Er hat einen Ofen und einen Kühlschrank, ein Boot mit Außenmotor, ein Satellitentelefon und einen Laptop. Darauf hat er in den vergangenen Monaten seine Autobiografie geschrieben. Der Dokumentarfilmer und Forscher Alvaro Cerezo verbrachte im Jahr 2017 mehrere Tage mit Glasheen und freundete sich mit dem Einsiedler an. „Er ist ein sehr sozialer Mensch“, sagt Cerezo über den Australier.

David Glasheen lebt auf Res­to- ration Island im Nordosten Australiens
David Glasheen lebt auf Res­to- ration Island im Nordosten Australiens © action press | REX FEATURES LTD.

David Glasheen sei sehr gesprächig und sehr freundlich. „Völlig anders als der langjährige japanische Einsiedler Masafumi Nagasaki, der 29 Jahre auf seiner Wüsteninsel lebte, wo ich ebenfalls eine Weile lebte.“ Glasheen würde zwei Mal im Monat zum Festland fahren und im Dorf Einkäufe tätigen. Dort treffe er sich auch mit den lokalen Ureinwohnern, mit denen er sich sehr gut verstehe. Finanziell über die Runden kommt der Australier dank einer kleinen Pension und Freunden und Familie, die ihm immer wieder mal unter die Arme greifen.

Trotz vieler Rückschläge will Glasheen Einsiedler bleiben

Der Australier liebt seine Insel – doch in den vergangenen Wochen ist das Leben des 75-Jährigen gleich zwei Mal aus den Fugen geraten. Glasheen sei an einem Nachmittag gestürzt und habe sich die Hüfte gebrochen, schreibt Cerezo, der sich Sorgen um seinen Freund macht, in einer E-Mail. „Er konnte bis zum nächsten Morgen keine Hilfe bekommen“, so der Dokumentarfilmer. „Es dauerte Stunden, bis er zu seinem Telefon gekrochen war.“ Dann sei er aber gerettet, nach Cairns transportiert und operiert worden, und inzwischen gehe es ihm wieder gut.

Doch in den vergangenen Tagen starb nun auch noch Glasheens geliebter Dingo Polly, der ihm nach dem Tod seines Hundes vor zwei Jahren treu Gesellschaft geleistet hatte. „Dave aß in seiner Hütte zu Mittag, und Polly war irgendwo am Strand“, berichtete Cerezo. Dann habe er sie wie jeden Tag gerufen, um die Essensreste aufzufressen. Doch Polly sei nicht gekommen. „Als er sie dann suchte, fand er sie mit Schaum im Mund und einer kleinen Bisswunde am Bein.“ Vermutlich habe eine Schlange den Dingo getötet. Glasheen tippt auf eine der hochgiftigen Todesottern, die auf der Insel leben.

Dingo Polly war der beste Freund von David Glasheen.
Dingo Polly war der beste Freund von David Glasheen. © David Glasheen via Alvaro Cerezo | David Glasheen via Alvaro Cerezo

Glasheen leide sehr unter dem Tod seiner tierischen Freundin, sagte der Dokumentarfilmer. „Er hat mir gesagt, dass er so schnell wie möglich einen anderen Dingo finden will.“ Doch trotz der Schicksalsschläge glaube er nicht, dass sein Freund demnächst zurück in die Zivilisation wolle. „Vielleicht, wenn er permanente Hilfe braucht, wenn er altert, aber ansonsten wird er sicher lieber auf Restoration Island sterben.“