Die Journalisten Ulrich Wickert und Ingo Zamperoni sprechen im Interview über Europa, die USA und Zeitdruck bei der Berichterstattung.

Privat haben sie sich schon oft getroffen, duzen sich, umarmen sich zur Begrüßung. Und doch ist diese Begegnung von Ulrich Wickert (75) und Ingo Zamperoni (44) eine besondere: Unserer Redaktion geben der ehemalige und der aktuelle „Tagesthemen“-Moderator ihr erstes gemeinsames Interview.

Es soll vor allem um Donald Trump gehen, genauer um die Frage, was von der Welt übrig bleibt, wenn der US-Präsident so weitermacht, wie er angefangen hat. Zamperoni hat gerade ein Buch darüber geschrieben („Anderland. Die USA unter Trump – ein Schadensbericht“). Beide waren als Korrespondenten für die ARD mehrere Jahre in Washington beziehungsweise New York.

Bisher dachten wir, die Amerikaner seien unsere wichtigsten Freunde. Wenn man sich jetzt Trump ansieht, scheint es so, als ob er niemanden so wenig mag wie die Deutschen.

Ingo Zamperoni: Wir müssen uns klarmachen, dass dieser US-Regierung Deutschland ziemlich egal ist – bis auf zwei Dinge. Das eine ist die Hoffnung, dass die Deutschen mehr Geld für die Verteidigung ausgeben, was angesichts des Zustands unserer Bundeswehr auch nicht so verkehrt ist.

Das andere ist der Handels­überschuss. Und in diesem Bereich haben ja auch unsere europäischen Partner Probleme mit uns, weil wir uns nicht an Abmachungen halten. Alles andere ist Trump völlig egal, auch wenn sein Großvater aus Deutschland kommt.

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    Sind wir selbst schuld daran, dass Donald Trump uns so behandelt, wie er uns behandelt?

    Ulrich Wickert: Auf jeden Fall. Wir hätten ja das TTIP-Abkommen abschließen können, dann wären wir jetzt in einer anderen Situation. Einer der großen Fehler der vergangenen Jahrzehnte ist zudem gewesen, dass wir Deutschen uns total auf Amerika verlassen haben. Wir haben nicht gesagt, dass wir Europa voranbringen müssen, sondern immer betont, dass Amerika unser bester Freund ist.

    Wir hätten längst sehen müssen, dass sich die US-Außenpolitik von Europa verabschiedet hat. Hinzu kommt, dass die Amerikaner nie so genau wussten, mit wem in Europa sie eigentlich über Pro­bleme sprechen sollten. Es gibt diesen berühmten Spruch von Kissinger: „Wen soll ich da anrufen?“ Darauf hätte Deutschland reagieren und Europa und sich selbst stark machen müssen.

    Müssen wir Deutschen uns anders orientieren, neue Allianzen schmieden?

    Wickert: Wir müssen als erstes Europa starkmachen. Das wird schwierig genug, aber das ist das Allerwichtigste. Und Putins Russland wird sich nicht auf unsere Seite schlagen, weil Europa ihn sehr lange schlecht behandelt hat.

    Zamperoni: Es ist nicht schlecht zu sondieren, wie wir uns mit den Russen und den Chinesen verständigen können. Aber: Die meisten Gemeinsamkeiten haben wir nach wie vor mit den USA. Und machen wir uns nichts vor: Mit den Mächten, die jetzt in das Vakuum drängen, das durch den Rückzug der Amerikaner als Ordnungsmacht entsteht, fahren wir nicht unbedingt besser. Und eines dürfen wir bei allem Unverständnis über die neue US-Politik auch nicht vergessen: Die Hälfte der Amerikaner ist gegen Trump.

    Das heißt: Wenn Trump weg ist, wird sich das deutsch-amerikanische Verhältnis wieder normalisieren?

    Zamperoni: Wir sollten uns hin und wieder daran erinnern, wie schlecht dieses Verhältnis unter Georg Bush jr. war. Dann kam Barack Obama, den wir alle überhöht haben, und jetzt Trump. Danach kann es wieder in die andere Richtung gehen. Und überhaupt sollten wir uns nicht Sorgen machen vor einer Präsidentschaft Trumps an sich, sondern vor einer „erfolgreichen“ Präsidentschaft. Was heißt das, wenn so ein Politiker-Typ wie Trump vielleicht wiedergewählt wird?

    Was können die „Tagesthemen“ dagegen tun?

    Zamperoni: Es ist nicht unser Job, etwas zu verhindern oder zu ermöglichen. Wir müssen den Zuschauern erklären, was dort passiert.

    Herr Wickert, hatten Sie es als „Tagesthemen“-Moderator eigentlich einfacher als Herr Zamperoni?

    Wickert: Ich konnte sitzen.

    Ich meinte natürlich etwas anderes.

    Wickert: Das habe ich schon verstanden (lacht). Ich habe es schwerer gehabt als Ingo Zamperoni. Ich erinnere mich noch genau an den 11. September. Ich hatte damals noch nicht einmal einen Bildschirm im Studio, bekam die Tickermeldungen mit den Ereignissen aus New York auf Papier zugesteckt. Wir waren gar nicht auf solche Situationen eingestellt. Da haben es die Kollegen heute viel einfacher.

    Zamperoni: Immerhin war bei den Zuschauern damals vielleicht mehr Geduld vorhanden. Wir haben beispielsweise bei dem Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz erlebt, dass die Zuschauer sofort informiert werden und Bilder sehen wollten. Dadurch wird der Druck auf uns als Berichterstatter größer, schnell etwas zu sagen.

    Was Sie nicht getan haben.

    Zamperoni: Nein, weil für uns gilt: First be right, then be first. Außerdem bekommen wir natürlich heute viel mehr direkte Reaktionen von Zuschauern über Twitter, Facebook oder per E-Mail als Ulrich Wickert.

    Wickert: Ach, ich habe damals auch schlimme Briefe bekommen. Aber das ist bei euch wirklich anders, weil ihr ja mit Hassmails befeuert werden könnt.

    Zamperoni: Ich habe es mir heftiger vorgestellt. Und die meisten Menschen reagieren sehr nett, wenn ich ihnen antworte oder sie anrufe. Allein die Tatsache, dass man sich gemeldet hat und die Kritik ernst nimmt, wird sehr wohl von den Zuschauern registriert und honoriert.

    Wickert: Die Glaubwürdigkeit von Medien wie den „Tagesthemen“ ist in den vergangenen Jahren ja wieder deutlich gestiegen.

    Bei Interviews mit Politikern ist ja aus Sicht der Zuschauer oft das Problem, dass sie nicht auf die Fragen antworten, die man ihnen stellt.

    Zamperoni: Stimmt, das ist ein Problem, liegt aber vielleicht auch an der speziellen Politikersprache, die immer etwas unpräzise klingt.

    Was würden Sie Donald Trump im Interview fragen?

    Wickert: Es macht wenig Sinn, ihn etwas zu fragen, weil man nie weiß, ob die Antwort ernst gemeint oder gelogen ist. Oder ob er schlicht keine Ahnung von dem hat, was er sagt.