München. Mehr als fünf Jahre dauerte der NSU-Prozess – kommende Woche soll das Urteil fallen. Beate Zschäpe äußerte sich noch einmal persönlich.

Nach mehr als fünf Jahren ist der NSU-Prozess am Ziel: Am 11. Juli will das Gericht die Urteil sprechen. Zuvor hat sich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe noch einmal persönlich geäußert – auch an die Adresse von Hinterbliebenen. Wir dokumentieren ihr Statement:

Hoher Senat, sehr geehrte Anwesende,

heute möchte ich die Chance der letzten Worte nutzen, was mir zugegebenermaßen nicht leicht fällt. Die im Prozess gemachten Erfahrungen sowie die mediale Berichterstattung verunsichern mich bis heute.

Ich habe das Gefühl, dass jedes Wort, und sei es von mir noch so ernst und ehrlich gemeint, falsch bzw. mir nachteilig ausgelegt wird. Dies war auch der hauptsächliche Grund für die schriftliche Einlassung und Beantwortung aller Fragen des Senats.

Zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt des Verfahrens fehlte es mir längst an der dafür nötigen körperlichen und seelischen Kraft. Ich gehe davon aus, dass beides zu Anbeginn des Prozesses noch möglich gewesen wäre.

Auch jetzt fällt es mir schwer, da über die Jahre in Untersuchungshaft unter anderem immer mehr Konzentrationsstörungen aufgetreten sind. Hinzu kommt, dass ich mich schon immer schwer getan habe, bei offiziellen Gelegenheiten frei vor großer Runde zu sprechen.

Das viel zitierte und völlig falsch interpretierte „Selbstbewusstsein“ greift in solchen Fällen – wie auch bei anderen Gelegenheiten – nicht. Trotzdem habe ich den Entschluss gefasst, diesen Schritt zu gehen und weise darauf hin, dass diese Worte keinerlei anwaltliche Formulierungen enthalten.

„Ich will Verantwortung übernehmen“

Nach der viertägigen Irrfahrt, in der ich mich mit dem Resultat der vergangenen 13 Jahre mit all meinen Fehlentscheidungen konfrontiert sah, musste ich feststellen, dass es nicht mehr möglich war, wie sonst Teile der Realität zu verdrängen.

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    Bewusst traf ich die Entscheidung mich selbst zu stellen, um endlich einen Schlussstrich unter alles zu ziehen. „Ich habe mich nicht gestellt, um nichts zu sagen“ – dieser Satz am Tage der Selbststellung war und ist bis heute keine leere Phrase für mich. Rückwirkend betrachtet war der 8.11.2011 eine Art Befreiung für mich.

    Ich wollte und will die Verantwortung für die Dinge übernehmen, die ich selbst verschuldet habe und entschuldige mich für all das Leid, was ich verursacht habe. Ich bedauere, dass die Angehörigen der Mordopfer einen geliebten Menschen verloren haben. Sie haben mein aufrichtiges Mitgefühl.

    Die letzten fünf Jahre des laufenden Verfahrens waren für mich die Fortsetzung eines Lern- und Entwicklungsprozesses. Ich sah die Auswirkungen der Brandstiftung auf Frau Erber und die traumatisierten Bankangestellten.

    Des Weiteren sah ich Tatortfotos, erfuhr die grausamen Einzelheiten und erfasste Stück für Stück das ganze Ausmaß der schrecklichen Taten von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Jedes Wort meiner am 09.12.2015 verlesenen Entschuldigung war und ist deshalb absolut ernst gemeint. Leider gibt es nicht mehr als diese Worte des aufrichtigen Bedauerns. Ich kann den Hinterbliebenen ihre Angehörigen nicht mehr zurückgeben.

    Wiederholt wurde mir vorgeworfen, dass ich wider besseren Wissens nicht zur Aufklärung der näheren Umstände beitragen würde. Deshalb hier nochmals: Ich hatte und ich habe keinerlei Kenntnisse darüber, warum gerade diese Menschen an gerade diesen Orten von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ausgewählt wurden.

    Hätte ich weitere Kenntnisse würde ich sie spätestens jetzt hier preisgeben, da es für mich keinerlei Grund mehr gibt, irgendetwas zu verschweigen. Vermutungen und daraus resultierende Spekulationen helfen hier niemandem weiter. Ich möchte nur noch eines: einen Abschluss finden, um irgendwann ein Leben ohne Abhängigkeit, ohne Gewalt und Ängste jeglicher Art führen zu können.

    „Gravierende Fehler gemacht“

    Beate Zschaepe im Münchner Gerichtssaal.
    Beate Zschaepe im Münchner Gerichtssaal. © Getty Images | Joerg Koch

    Auf die Frage der Mutter des Halit Yozgat, ob ich überhaupt noch ruhig schlafen könne, möchte ich heute erwidern: auch wenn die Bundesanwaltschaft, Nebenklägeranwälte und die Medien mir genau das absprechen: Ich bin ein mitfühlender Mensch und habe sehr wohl den Schmerz, die Verzweiflung und die Wut der Angehörigen sehen und spüren können. All dies hat mich selbstverständlich betroffen gemacht und belastet mich bis heute sehr.

    Die Tatsache, dass ich für Sie alle hier im Saal nicht die gewünschte Reaktion darauf gezeigt habe, heißt nicht, dass ich nicht erschüttert und entsetzt bin. Eigene Gefühle zu unterdrücken, sie nicht nach außen zu tragen – so verfahre ich schon seit frühester Jugend. Diese, mir anerzogene Verhaltensweise hat mein Prozessverhalten sicherlich negativ beeinflusst.

    Ich bin ein Mensch, der gravierende Fehler gemacht hat und habe diese in einem jahrelang andauernden Lernprozess – der übrigens schon vor den Ereignissen des 4.11.2011 begonnen hat – eingesehen.

    Der Inhalt meiner am 29.09.2016 selbst verlesenen Distanzierung von der rechten Szene soll deshalb als klares Zeichen gesehen werden, dass ich mit diesem Kapitel unwiderruflich abgeschlossen habe. Ich ließ mich von der durch die Wendezeit nachhaltig beeinflussten Ideologie mitreißen.

    Die dadurch entstandenen Auswirkungen, meine damalige Unfähigkeit, die Dinge aufzuhalten und meine Schwäche, mich von Uwe Böhnhardt zu trennen, bereue ich zutiefst. Zwar akzeptiere ich die Meinung und Gesinnung der Mitangeklagten, habe aber für mich die Entscheidung getroffen, dass rechtes Gedankengut keine, aber auch gar keine Bedeutung mehr für mich hat.

    Ich möchte jetzt den Senat und Sie, Herr Richter Götzl, darum bitten, ein Urteil zu fällen, welches unbelastet von öffentlichem oder politischem Druck ist. Bitte verurteilen Sie mich nicht stellvertretend für etwas, was ich weder gewollt noch getan habe.