Frankfurt/Berlin. Die Vernehmung begann verspätet und dauerte mehrere Stunden: Susannas mutmaßlicher Mörder hat bei der Haftprüfung umfassend ausgesagt.

Der im Mordfall Susanna verdächtige Ali B. hat die Tötung der 14-Jährigen laut Staatsanwaltschaft gestanden. „Er hat sich dahingehend geständig eingelassen, dass er Susanna F. umgebracht habe, eine Vergewaltigung wurde durch ihn allerdings bestritten“, teilte Oberstaatsanwalt Oliver Kuhn am Sonntagabend mit. „Als Motiv für die Tat gab er an, dass er aufgrund von Verletzungen im Gesicht von Susanna, die in Folge eines Sturzes entstanden sein sollen, befürchtet habe, dass diese die Polizei informieren werde.“

Diese Angaben habe der 20 Jahre alte Iraker noch in der Nacht zum Sonntag in einer polizeilichen Vernehmung gemacht und in einer Anhörung der Ermittlungsrichterin am Sonntag bestätigt. Die Aussage am Sonntag dauerte demnach „nahezu sechs Stunden“. Die Amtsrichterin ordnete Untersuchungshaft an, wie die Polizei Westhessen am Sonntagabend auf Twitter mitteilte.

Merkel spricht sich für schnellere Abschiebungen aus

Ali B. wurde daraufhin mit einem Hubschrauber in die Justizvollzugsanstalt Frankfurt I gebracht. Dort könne er im Fall einer Suizidgefährdung besser überwacht werden, hieß es in Ermittlerkreisen. Üblicherweise werden junge Untersuchungshäftlinge in der JVA Wiesbaden untergebracht.

Wut und Trauer nach dem Mord an Susanna

Die 14-jährige Susanna verschwand am 22. Mai nach einem Treffen mit ihren Freundinnen. Ihre Mutter meldete sie als vermisst. Die Polizei leitete die Fahndung ein. Der entscheidende Hinweis kam laut Ermittlern von einem jungen Geflüchteten, der den mutmaßlichen Täter kannte. Er führte die Polizisten zu diesem Feldweg im Stadtteil Erbenheim in Wiesbaden. Erst am 6. Juni fanden die Beamten die Leiche der vermissten Susanna.
Die 14-jährige Susanna verschwand am 22. Mai nach einem Treffen mit ihren Freundinnen. Ihre Mutter meldete sie als vermisst. Die Polizei leitete die Fahndung ein. Der entscheidende Hinweis kam laut Ermittlern von einem jungen Geflüchteten, der den mutmaßlichen Täter kannte. Er führte die Polizisten zu diesem Feldweg im Stadtteil Erbenheim in Wiesbaden. Erst am 6. Juni fanden die Beamten die Leiche der vermissten Susanna. © dpa | Arne Dedert
Die Polizisten befragten am 6. Juni auch Passanten. Nicht weit entfernt – an den Bahngleisen – fanden sie die Leiche einer weiblichen Person. Da sie vergraben war, konnte man Susanna nicht sofort identifizieren.
Die Polizisten befragten am 6. Juni auch Passanten. Nicht weit entfernt – an den Bahngleisen – fanden sie die Leiche einer weiblichen Person. Da sie vergraben war, konnte man Susanna nicht sofort identifizieren. © dpa | Arne Dedert
Die Leiche von Susanna hatte der Täter in diesem Gebüsch am Bahngleis versteckt. Später stellte sich heraus: Susanna wurde vergewaltigt.
Die Leiche von Susanna hatte der Täter in diesem Gebüsch am Bahngleis versteckt. Später stellte sich heraus: Susanna wurde vergewaltigt. © dpa | Arne Dedert
Erst einen Tag nach dem Fund, am 7. Juni, bestätigte ein Polizeisprecher: Bei der in Wiesbaden gefundenen Leiche handelt es sich um die vermisste 14-jährige Susanna aus Mainz.
Erst einen Tag nach dem Fund, am 7. Juni, bestätigte ein Polizeisprecher: Bei der in Wiesbaden gefundenen Leiche handelt es sich um die vermisste 14-jährige Susanna aus Mainz. © dpa | Arne Dedert
Bei der ersten Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft zum Todesfall von Susanna war noch einiges unklar. Die Journalisten erfahren: Die 14-jährige wurde umgebracht, ein Tatverdächtiger sitzt in Haft, ein zweiter Mann hat sich offenbar in den Irak abgesetzt.
Bei der ersten Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft zum Todesfall von Susanna war noch einiges unklar. Die Journalisten erfahren: Die 14-jährige wurde umgebracht, ein Tatverdächtiger sitzt in Haft, ein zweiter Mann hat sich offenbar in den Irak abgesetzt. © dpa | Boris Roessler
Am 8. Juni eine weitere Pressekonferenz in Quedlinburg: Diesmal spricht Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). An diesem Tag verkündet er die Festnahme des zweiten Tatverdächtigen, der mit seiner Familie tatsächlich in den Irak geflüchtet war. Der andere Tatverdächtige wurde hingegen freigelassen.
Am 8. Juni eine weitere Pressekonferenz in Quedlinburg: Diesmal spricht Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). An diesem Tag verkündet er die Festnahme des zweiten Tatverdächtigen, der mit seiner Familie tatsächlich in den Irak geflüchtet war. Der andere Tatverdächtige wurde hingegen freigelassen. © dpa | Hendrik Schmidt
Am gleichen Tag nutzt die AfD-Fraktion den Fall Susanna im Bundestag für ein medienwirksames Statement. Die Mitglieder der Fraktion legen – unangekündigt – eine Schweigeminute ein. Sie werden später dafür kritisiert, den tragischen Fall für politische Zwecke zu instrumentalisieren.
Am gleichen Tag nutzt die AfD-Fraktion den Fall Susanna im Bundestag für ein medienwirksames Statement. Die Mitglieder der Fraktion legen – unangekündigt – eine Schweigeminute ein. Sie werden später dafür kritisiert, den tragischen Fall für politische Zwecke zu instrumentalisieren. © dpa | Ralf Hirschberger
AfD-Demonstranten am 9. Juni in Mainz: Nur wenige dutzend Teilnehmer sind zu einer von der Partei organisierten Mahnwache für die getötete Susanna gekommen.
AfD-Demonstranten am 9. Juni in Mainz: Nur wenige dutzend Teilnehmer sind zu einer von der Partei organisierten Mahnwache für die getötete Susanna gekommen. © dpa | Boris Roessler
Einigen Teilnehmern der von der AfD organisierten Mahnwache wird ebenfalls vorgeworfen, den Fall Susanna für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Etliche Experten betonen, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter, der aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet war, um einen Einzelfall handelt.
Einigen Teilnehmern der von der AfD organisierten Mahnwache wird ebenfalls vorgeworfen, den Fall Susanna für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Etliche Experten betonen, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter, der aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet war, um einen Einzelfall handelt. © dpa | Boris Roessler
Diese Debatten berühren kaum die Trauer der Bekannten und Verwandten von Susanna. Kerzen stehen vor dem Haus der Mutter der getöteten Susanna .
Diese Debatten berühren kaum die Trauer der Bekannten und Verwandten von Susanna. Kerzen stehen vor dem Haus der Mutter der getöteten Susanna . © dpa | Boris Roessler
Hier sehen sich Schulkinder in Mainz Blumen und Kondolenzschreiben an, die von Trauernden und Passanten im Flur des Wohnblocks abgelegt wurden, in dem die Mutter der getöteten Susanna lebt.
Hier sehen sich Schulkinder in Mainz Blumen und Kondolenzschreiben an, die von Trauernden und Passanten im Flur des Wohnblocks abgelegt wurden, in dem die Mutter der getöteten Susanna lebt. © dpa | Boris Roessler
„Wir vermissen dich Susanna“: Viele Menschen haben Botschaften hinterlassen und Briefe der Anteilnahme geschrieben. Oft wurden sie mit Buntstiften geschrieben.
„Wir vermissen dich Susanna“: Viele Menschen haben Botschaften hinterlassen und Briefe der Anteilnahme geschrieben. Oft wurden sie mit Buntstiften geschrieben. © dpa | Boris Roessler
Junge Frauen legen an einer provisorischen Gedenkstätte für die getötete Susanna Blumen nieder und entzünden Kerzen.
Junge Frauen legen an einer provisorischen Gedenkstätte für die getötete Susanna Blumen nieder und entzünden Kerzen. © dpa | Boris Roessler
Am Abend des 9. Juni konnte der Hauptverdächtige von der Bundespolizei in Frankfurt in Haft genommen werden. Die irakische Polizei hatte ihn am Tag davor festnehmen können, danach wurde er mit einer Lufthansa-Maschine von Erbil nach Frankfurt geflogen. Ali B. soll am 10. Juni bei seiner Haftprüfung stundenlang ausgesagt haben.
Am Abend des 9. Juni konnte der Hauptverdächtige von der Bundespolizei in Frankfurt in Haft genommen werden. Die irakische Polizei hatte ihn am Tag davor festnehmen können, danach wurde er mit einer Lufthansa-Maschine von Erbil nach Frankfurt geflogen. Ali B. soll am 10. Juni bei seiner Haftprüfung stundenlang ausgesagt haben. © dpa | Boris Roessler
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich wegen des Falls Susanna für schnellere Abschiebungen abgelehnter Flüchtlinge ausgesprochen. „Für mich heißt die Lehre, bei allem, was jetzt auch in dem speziellem Fall tragisch, traurig, schrecklich ist, alles zu tun, dass wir diese Ankerzentren jetzt auf den Weg kriegen, dass jetzt wirklich auch schneller gehandelt werden kann“, sagte sie am Sonntag in der ARD-Sendung „Anne Will“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntagabend als zu Gast bei Anne Will in der ARD.
Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntagabend als zu Gast bei Anne Will in der ARD. © NDR/Wolfgang Borrs | Wolfgang Borrs

„Der Fall zeigt doch, wie wichtig es ist, dass die Menschen, die keinen Aufenthaltsstatus haben, schnell ihr Verwaltungsgerichtsverfahren bekommen und schnell wieder nach Hause geschickt werden können.“ Sie sei überrascht, wie schwer es nun sei, in manchen Bundesländern in die Tat umzusetzen, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei, sagte Merkel.

Ali B. kam am Samstag mit Lufthansa-Maschine zurück nach Deutschland

Ali B. hatte schon die Nacht zu Sonntag im Wiesbadener Polizeigewahrsam verbracht, nachdem ihn ein Polizeihubschrauber am Frankfurter Flughafen abgeholt hatte. Bundespolizisten hatten Ali B. am Samstag an Bord einer Lufthansa-Maschine aus der nordirakischen Stadt Erbil zurück nach Deutschland gebracht. Der Iraker steht im Verdacht, die am Mittwoch in Wiesbaden tot gefundene Susanna F. in der Nacht vom 22. zum 23. Mai vergewaltigt und getötet zu haben.

Der gewaltsame Tod von Susanna aus Mainz hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Ali B. steht im Verdacht, die 14-jährige Susanna F. in der Nacht vom 22. auf 23. Mai vergewaltigt und anschließend durch Gewalt gegen den Hals getötet zu haben. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ berichtete unter Berufung auf einen kurdischen Polizeiführer, Ali B. habe die Tat gestanden. Er habe ausgesagt, er sei mit dem Opfer befreundet gewesen. Nach einem Streit habe Susanna F. mit der Polizei gedroht, deshalb habe er sie getötet.

Forderungen nach politischen Konsequenzen werden laut

Nach der Gewalttat werden Forderungen nach politischen Konsequenzen laut. So sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt (CDU) der „Bild“, es sei an der Zeit, alle Flüchtlinge in Deutschland einer Überprüfung durch Nachrichtendienste und Polizei zu unterziehen.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), würdigte die Festnahme von Ali B. als „großen Erfolg der Zusammenarbeit deutscher und kurdischer Sicherheitsbehörden“. „Der Fall ist ein erschreckendes Beispiel dafür, dass im Herbst 2015 nicht nur Schutzsuchende in unser Land gekommen sind, sondern auch kriminelle Straftäter“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag will über schnellere Asylverfahren beraten. Das sei seit längerem geplant gewesen, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stephan Harbarth (CDU) am Sonntag. Der Mordfall von Wiesbaden müsse aber für die Politik nochmals Anstoß sein, vor allem über eine Beschleunigung von Asyl-Prozessen nachzudenken.

AfD-Landeschef will Asylgesetze aussetzen lassen

Der rheinland-pfälzische AfD-Landesvorsitzende Uwe Junge forderte scharfe Kontrollen an den deutschen Grenzen und die sofortige Abschiebung straffälliger Ausländer. „Wir müssen die Asylgesetze zumindest vorübergehend aussetzen“, sagte er am Samstag bei einer Mahnwache vor der Mainzer Staatskanzlei mit rund 100 Teilnehmern.

„Das ist jetzt kein Einzelfall mehr“, sagt die Ethnologin Susanne Schröter, Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam an der Frankfurter Goethe-Universität.
„Das ist jetzt kein Einzelfall mehr“, sagt die Ethnologin Susanne Schröter, Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam an der Frankfurter Goethe-Universität. © dpa | Privat

Unterdessen warnten Politiker von Union und SPD vor einer politischen Instrumentalisierung des Falls. „Ich verwehre mich dagegen, wenn solche Fälle dafür genutzt werden, um Hass und Hetze zu verbreiten“, sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) der Oldenburger „Nordwest-Zeitung“.

Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte dem Deutschlandfunk, es dürfe nicht zugelassen werden, dass Hass gesät werde und ganze Gruppen unter einen Generalverdacht gestellt würden. Beide Politikerinnen verlangten eine konsequente Aufklärung des Gewaltverbrechens.

Für Montagabend hat der DGB in Mainz eine größere Trauerkundgebung angemeldet, auch die evangelische Kirche hat zur Teilnahme an dieser Versammlung aufgerufen.

Ethnologin: „Das ist kein Einzelfall mehr“

Aus Sich einer Expertin muss sich die deutsche Gesellschaft spätestens nach dem Fall Susanna Konzepte für den Umgang mit patriarchalisch geprägten und aggressiven Männern überlegen. „Das ist jetzt kein Einzelfall mehr“, sagte die Ethnologin und Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam an der Frankfurter Goethe-Universität, Susanne Schröter, mit Blick auf andere Fälle wie die Kölner Silvesternacht oder Kandel. „Es ist eine neue Situation und die hat etwas mit den vielen jungen Männern aus patriarchalischen Strukturen und Kulturen zu tun.“

Im Islam wie auch in anderen Religionen gebe es patriarchalisch geprägte Normen, die Gewalt und sexuelle Übergriffe legitimierten, so die Forscherin. Im Fall Susanna könne dies der Hintergrund sein: „Dieser junge Mann hatte ganz offensichtlich überhaupt keinen Respekt.“ Weder vor der deutschen Gesellschaft, noch vor Frauen oder Polizisten, so die Forscherin. Er habe das Mädchen als reines Sexualobjekt gesehen. (dpa/epd)