Washington. Anthony Bourdain, der Über-Koch des Senders CNN, ist tot. Der unterhaltsame und lebenskluge Geschichtenerzähler wurde nur 61 Jahre alt.

Es gibt Hundertausende in Amerika und der ganzen Welt, die den Nachrichtensender CNN seit 2013 nicht wegen „breaking news“ eingeschaltet haben. Sondern allein wegen ihm: Anthony Bourdain.

Wenn der Askese und Genussfreude auf einzigartige Weise in sich vereinende Graumelierte den Zuschauer in seiner quotenträchtigen Reihe „Parts Unknown“ auf kulinarische Entdeckungsreisen in entlegene Regionen mitnahm, lernte man weit mehr als das, was konventionelle Fernsehköche zu bieten haben.

Bourdain war ein Entdecker. Von Menschen. Und Regionen. Von ihren Geheimnissen. Und Schicksalen. Dass und wie er sich die Welt über die Landesküche erschloss, immer neugierig, immer empathisch, offen selbst für die seltsamsten Dinge, machte den ehemaligen New Yorker Chef-Koch zu einer moralischen Institution.

Bourdains Haussender CNN trauert

Umso größer der Schock: Der 61-Jährige hat sich nach Angaben seines Arbeitgebers bei Dreharbeiten für eine neue Sendereihe in Straßburg in seinem Hotelzimmer das Leben genommen. Ein befreundeter Koch fand ihn am Freitag leblos. Auslöser? Bislang unbekannt.

„Seine Liebe zu großen Abenteuern, neuen Freunden, gutem Essen und Trinken und den bemerkenswerten Geschichten der Welt machten ihn zu einem einzigartigen Geschichtenerzähler“, erklärte die Sendeverantwortlichen bei CNN, „unsere Gedanken und Gebete sind bei seiner Tochter und seiner Familie in dieser unglaublich schwierigen Zeit.“ Vor der Abreise zum G 7-Gipfel in Kanada kondolierte auch US-Präsident Donald Trump, den Bourdain zuletzt regelmäßig angegriffen hatte. „Ich mochte seine Show, er war ein markanter Typ.“

Das Chefkoch-Gewerbe hatte Bourdain früh altern lassen

Bourdain stieg mit 44 Jahren aus dem knallharten Chefkoch-Gewerbe aus. Täglich zwölf Stunden im Stehen auf engstem Raum, bei extremen Tempo und großer Hitze zu arbeiten, hatte den Experten für asiatischen Kampfsport, der so ziemlich jede Droge ausprobiert hat, früh altern lassen.

Sein Anfang der 2000er Jahre erschienenes Buch „Geständnisse eines Küchenchefs“ wurde schnell zu einer Aufklärungsschrift über das, was wirklich hinter den Drei-Sterne-Glitzerfassaden der Hochpreis-Gastronomie vor sich geht.

Zitat: „In der Küche gibt es keine Lügen. Und auch keinen Gott. Er könnte einem sowieso nicht helfen. Entweder kann man ein Omelett zubereiten oder nicht. Entweder kann man mit den anderen Köchen mithalten, die bestellten Gerichte wieder und wieder perfekt zubereiten oder nicht. Kein Empfehlungsschreiben, kein Ausweichmanöver, keine noch so wohlformulierten Sätze und kein jämmerliches Flehen um Gnade können über die grundlegenden Fakten hinwegtäuschen. Die Küche ist die letzte Meritokratie – eine Welt des Absoluten; am Ende jedes Tages weiß man unmissverständlich, was man geleistet hat. ,Gut’ und ,Böse’ werden leicht und sofort als das erkannt, was sie sind.“

Bourdain trat informativ, temporeich, unterhaltsam und lebensklug auf

Weil Bourdain informativ, temporeich, unterhaltsam und lebensklug zugleich auftrat („Man sieht, wie arme Menschen aus wenig etwas Wunderbares machen“, sagte er oft auf seinen Reisen), war sein Erfolg im Fernsehen nur eine Frage der Zeit.

Für CNN hat der mit der Schauspielerin Asia Argento, die maßgeblich zum Fall des übergriffigen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein beitrug, liiert gewesene Genussmensch Dutzende Länder besucht. Oft dabei begleitet von Prominenten, die seine Nähe suchten. Etwa der ermordete russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow, der senegalesische Sänger Youssou N’Dour oder Barack Obama. Mit dem amerikanischen Präsidenten setzte sich Bourdain in eine schlichte Garküche in Vietnam und sprach über Gott, Politik und die Welt. „Niedrige Plastikhocker, günstige, aber köstliche Nudeln, kaltes Bier aus Hanoi“ überschrieb Bourdain das dazu passende Bild auf seiner Facebookseite.

Die Nachricht von Bourdains Tod fällt zusammen mit einer erschreckenden Bilanz des staatlichen „Center for Desease Control and Prevention“. Danach nehmen sich in den USA immer mehr Menschen das Leben. In allen Bundesstaaten (bis auf Nevada) sei die Zahl der Suizide zwischen 1999 und 2016 gestiegen. Teilweise drastisch um bis zu 60 Prozent in North Dakota. Im Berichtsjahr 2016 verzeichnete das Amt 45.000 Selbsttötungen in ganz Amerika. Neben Alzheimer und Drogenmissbrauch sei dies die dritthäufigste Todesursache. Waren schon früher vor allem ältere, weiße Männer und Jugendliche gefährdet, so steige inzwischen auch bei Frauen der Anteil derer stark, die ihrem Leben ein Ende setzen.

Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.