Washington. Der Sex-Skandal um den Hollywood-Produzenten Weinstein hat eine neue Dimension erreicht. Die Liste der Belästigten wird immer länger.

Harvey Weinstein hofft auf ein Happy-End. Was ihm droht, ist ein Untergang wie bei der Titanic. Denn der Sex-Skandal um einen der mächtigsten Strippenzieher Hollywoods hat eine neue Dimension erreicht.

Nicht nur wird durch große Namen wie Angelina Jolie und Gwyneth Paltrow die Liste der Stars immer länger, die von dem erfolgreichen Film-Produzenten („Pulp Fiction“, „Good Will Hunting“ etc.) sexuell belästigt und teilweise mit Schweigegeld mundtot gemacht worden sein sollen.

Stars wenden sich von einstigem Mentor ab

Der 65-Jährige, dessen zweite Ehefrau Georgina Chapman just die Trennung verkündete, wird jetzt auch in mehreren Fällen der Vergewaltigung beschuldigt. Strafrechtliche Ermittlungen nicht ausgeschlossen.

Heerscharen von Stars wie Leonardo DiCaprio über George Clooney und Meryl Streep bis Kate Winslet wenden sich von ihrem einstigen Mentor ab. Ebenso mächtige Studiobosse wie Jeffrey Katzenberg, der seit 30 Jahren mit Weinstein befreundet ist.

Auch Obama geht auf Distanz

Auch die demokratische Polit-Prominenz von Barack Obama bis Hillary Clinton, die Weinstein in Millionenhöhe mit Spendengeldern versorgte, geht, wenn auch mit fünf Tagen Verspätung, auf Distanz. „Jeder Mann, der Frauen in solcher Art erniedrigt und herabsetzt, muss verurteilt und zur Rechenschaft gezogen werden, unabhängig von seinem Reichtum oder Status“, erklärte Obama.

Während sich der von seiner gleichnamigen Firma gefeuerte Weinstein in Europa in eine klinische Therapie gegen Sexsucht begeben haben soll, steht Hollywood akut unter Schweigekartell-Verdacht.

Übergriffigkeit war wohl bekannt

Das Drehbuch dazu geht so: Obwohl die Übergriffigkeit des ebenso bulligen wie unattraktiven Machtmenschen, der gerüchteweise von seinem Bruder Bob ans Messer geliefert wurde, sattsam bekannt gewesen sein soll, sah das sich gern als fortschrittlich und frauenfreundlich gebende Film-Volk stumm darüber hinweg. Bis jetzt.

Den ersten Stein hatte die „New York Times“ vor einer Woche ins Wasser geworfen. Bekannte Aktricen wie Ashley Judd und Rose McGowan schilderten bis ins unappetitlichste Detail, wie sich der übergewichtige Weinstein das seit den Zeiten von Howard Hughes oft gepflegte Prinzip „Besetzungscouch“ zu eigen machte. Unter dem Vorwand, Dienstliches zu besprechen, lud er kommende Stars in seine Hotelzimmer, verlangte körperliche Gefälligkeiten und versprach den Frauen im Gegenzug Gehhilfe auf der Leiter des Erfolgs.

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Weinstein erklärt Verhalten mit Sozialisation

Als die Bombe platzte, erklärte Weinstein sein raubtierhaftes Beuteverhalten nonchalant mit seiner Sozialisation in den freizügigen 60er-Jahren – und gelobte Besserung. Eine Strategie, die ausgerechnet das Kind einer turbulenten Schauspieler-Ehe zunichte machte.

Ronan Farrow, Journalist und Sohn von Mia Farrow und Regisseur Woody Allen, brachte in einer zehnmonatigen Recherche über ein Dutzend Frauen zum Reden. Sie charakterisierten den Sohn eines New Yorker Diamantenschleifers unter dem Strich als notgeiles „Monster“.

Auf frischer Tat ertappt

In seinem Report für das renommierte Magazin „New Yorker“ berichten die Film-Größen Asia Argento und Lucia Evans in albtraumhaften Facetten, wie Weinstein sie vergewaltigt haben soll. Ähnlich soll es Stars wie Mira Sorvino und Rosanna Arquette ergangen sein. In einem zwei Jahre alten Tonbandmitschnitt der New Yorker Polizei wird Weinstein (im Kontakt mit dem verstört wirkenden italienischen Model Ambra Battilana Gutierrez) quasi auf frischer Tat ertappt.

Eine Anwältin des Film-Moguls dazu: „Alle Anschuldigungen über nicht einvernehmlichen Sex werden von Mr. Weinstein unmissverständlich zurückgewiesen“. Von wegen einvernehmlich.

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    In einem zweiten Report ließ die New York Times am Mittwoch unter anderem Großkaliber wie Gwyneth Paltrow und Angelina Jolie zu Wort kommen, die sich in jungen Jahren Weinsteins Annäherungsversuchen ausgesetzt sahen.

    Sex gegen blumige Karriereversprechen

    Jolie verweigerte fortan die Zusammenarbeit. Im Falle Paltrows, die 1998 mit dem von Weinstein produzierten Film „Shakespeare in Love“ einen Oscar gewann, schaltete sich Brad Pitt ein. Der damalige Freund der Schauspielerin drohte Weinstein Ungemach an, falls er noch einmal die kühle Blondine bedrängen sollte.

    Pitt war also gewarnt. Wie konnte Weinstein trotzdem über mehr als 20 Jahre seine Masche durchziehen, aufstrebende Schauspielerinnen im offenen Bademantel empfangen, zu Massagen verführen und ihnen gegen blumige Karriereversprechen Sex abtrotzen? Wie konnte es geschehen, dass in acht Fällen Betroffene mit Abfindungen bis zu 150.000 Dollar zum Schweigen gebracht wurden, ohne dass Weinstein seinen Hosenstall unter Kontrolle brachte?

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      Schweigespirale wird seit Trump häufiger durchbrochen

      In US-Medien wird von „Komplizenschaft“ gesprochen. Davon, dass es sich in einer „männerdominierten Industrie“ niemand mit einem Mann verscherzen wollte, „der für fast 300 Oscar-Nominierungen verantwortlich ist“. Dass die Dämme ausgerechnet jetzt gebrochen sind und der Chor der Kritiker täglich größer wird, könnte auch dem Zeitgeist geschuldet sein.

      Seit Präsident Donald Trump vor einem Jahr durch einen Audio-Mitschnitt als „Pussy-Grabscher“ bekannt wurde, der glaubt, mächtige Männer dürften Frauen ungestraft zwischen die Beine greifen, häufen sich Fälle, die die Schweigespirale durchbrechen.

      Promis wie der schwarze Entertainer Bill Cosby oder die Fernsehgewaltigen Roger Ailes (verstorben) und Bill O’Reilly, die allesamt ihren Celebrity-Status missbraucht haben sollen, um sich Frauen gefügig zu machen, erlebten in den vergangenen Monaten den absoluten Karriereknick. „Harvey Weinstein“, so Hollywood-Kenner, „wird es ähnlich ergehen. Der Film mit ihm ist aus.“