Berlin. Auf der Suche nach Hotels, Restaurants oder beim Online-Shopping verlassen sich viele Verbraucher auf Rezensionen. Ist das ein Fehler?

„Aufmerksame Bedienung. Frische Speisen auf hohem Niveau.“ Fünf von fünf Sternen. „Wer keine Zeit hat, nach Südostasien zu reisen, nehme sich hier eine kleine Auszeit. Küche und Getränke perfekt zubereitet und angerichtet.“ Fünf von fünf Sternen. „Der absolute Hammer, sowohl die Auswahl als auch der Geschmack.“ Fünf von fünf Sternen.

Ob klassische deutsche Hausmannskost, außergewöhnlicher Asiate oder gemütlicher Italiener – auf der Suche nach einem guten Restaurant in einer fremden Stadt sind die Bewertungen fremder Menschen oft Entscheidungshilfe für oder – bei schlechten Urteilen – gegen ein Lokal. Auch bei der Unterkunft für den Urlaub, bei der Wahl des Reiseanbieters, beim Online-Kauf technischer Produkte, bei der Recherche nach gutem Lesestoff oder bei der Suche nach einem guten Arzt ziehen viele Deutsche die Meinungen anderer zu Rate.

Doch nehmen wir uns nicht die Chance, eigene Entdeckungen zu machen? Uns eine eigene Meinung zu bilden? Entgeht uns beim blinden Vertrauen auf den Geschmack anderer vielleicht die wahre Perle unter den schmucken Restaurants? Ein Buch, das einen von der ersten bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt? Die hübsche Oase in der Wüste der Touristenfallen? Der Arzt, mit dem man selbst viel mehr auf einer Wellenlänge wäre als mit dem vermeintlichen Top-Mediziner?

Kundenbewertungen genießen mehr Vertrauen als Rat von Freunden

Wir vertrauen Menschen, die wir gar nicht kennen – wobei wir doch sonst meist darauf bedacht sind, individuell zu sein. So nutzen laut einer Bitkom-Studie von 2017 zwei Drittel (65 Prozent) der Online-Käufer Kundenbewertungen in Online-Shops als Entscheidungshilfe. Bewertungen sind ihnen der Studie zufolge noch wichtiger als der reine Preisvergleich (51 Prozent) oder das Urteil von Freunden, Familie und Kollegen (50 Prozent).

Doch wem genau vertrauen wir eigentlich, wenn wir Kundenbewertungen lesen? Im besten Fall einer authentischen Rezension von einer Person, die ähnliche Ansichten hat wie wir selbst. Manchmal aber merkt man, dass der eigene Geschmack doch stark von der Einschätzung anderer abweicht.

Nicht jeder Romanleser ist schließlich ein begnadeter Literaturkritiker, ein Hobbyfotograf hat vielleicht andere Ansprüche als ein Profi. Wer zu Hause gerne Fertiggerichte isst, erwartet von einem „guten Restaurant“ womöglich etwas anderes als ein Gourmet mit feinem Gaumen. Und nicht für jeden ist es wichtig, dass der Herbergsvater im Frankreichurlaub des Deutschen mächtig ist, um mit seinen Gästen zu kommunizieren.

20 Prozent der Amazon-Bewertungen sind laut Studie gefälscht

Im schlimmsten Fall aber hat man es nicht bloß mit Rezensionen zu tun, die dem eigenen Geschmack nicht entsprechen, sondern mit gefälschten oder gekauften Bewertungen. Das Portal ReviewMeta hat 2017 weltweit etwa sieben Millionen Amazon-Produktbewertungen anhand von 15 Kriterien analysiert und dabei herausgefunden, dass jede fünfte Bewertung (20 Prozent) gefälscht ist, berichtete das Branchenportal t3n im September 2017.

Das Portal ReviewMeta analysiert Käufer-Bewertungen und zeigt, wie hoch der Anteil der gefälschten Rezensionen ist.
Das Portal ReviewMeta analysiert Käufer-Bewertungen und zeigt, wie hoch der Anteil der gefälschten Rezensionen ist. © ReviewMeta | Screenshot

Auf ReviewMeta können Verbraucher die URL zu einem Amazon-Produkt eingeben und ausrechnen lassen, wie groß der Anteil der vermutlich authentischen Rezensionen wirklich ist. Ein Negativbeispiel mit einem iPhone-Ladegerät zeigt: Von 177 Bewertungen sind nur zehn als authentisch eingestuft. Das Bewertungsergebnis sinkt um 2,3 Punkte von 4,0 auf durchschnittlich 1,7 von 5 Sternen.

Doch woher kommen die vielen Fake-Bewertungen? Manche Unternehmen lassen sich gute Bewertungen offenbar einiges kosten. Sie animieren ihre Kunden durch Rabatt-Gutscheine oder Gutschriften zur Abgabe von Rezensionen. Und manche Anbieter schrecken auch nicht davor zurück, gute Bewertungen zu kaufen.

Portale bieten Fake-Bewertungen zum Kauf an

„Sie wollen mehr Umsatz für Ihr Unternehmen und bessere Platzierungen auf Google & Co? Nur wir bringen Sie dahin, wo Sie schon immer sein wollten, auf den 1. Platz“, wirbt beispielsweise das Portal Bewertungs-Fabrik. Es bietet verschiedene Bewertungs-Pakete für Google, Facebook, das Arzt-Empfehlungsportal Jameda, das Urlaubsportal Holidaycheck oder den Arbeitgeber-Bewerter Kununu an. Fünf Google-Bewertungen inklusive Text kosten 49,90 Euro, 100 Bewertungen gibt es ab 729,90 Euro.

Das Platinum-Paket auf myfeedbackshop.de (25 Bewertungen mit Rezension) kostet 239,95 Euro. „Mehr Sterne für ihr Geschäft“, heißt es da.Verkauft werden selbstverständlich nur „erstklassige Rezensionen und Bewertungen“ von „verifizierten Produkttestern“.

Vielleicht sind es genau diese „verifizierten Produkttester“, die einen selbst dazu animieren, ein bestimmtes Hotel für den Urlaub zu buchen. Ein großes Hotel, das genug Geld hat, gute Bewertungen zu kaufen. Die kleine gemütliche Pension mit nur drei schnuckeligen Doppelzimmern, deren herzliche Besitzer regionales Frühstück jeden Morgen noch selbst zubereiten, mit selbstgemachten Marmeladen, frisch gebackenem Brot, Rührei von den eigenen Hühnern und Aufschnitt vom Metzger nebenan hat dagegen keine Chance, von Bewertungsgläubigen entdeckt zu werden.