Zermatt. Zermatt rätselt über den Verbleib von Karl-Erivan Haub. Die Menschen haben nur wenig Hoffnung, den Tengelmann-Chef lebend zu finden.

Der Himmel über dem schweizerischen Skiort Zermatt leuchtet im freundlichsten Blau. Alles wirkt wie immer: Auf den engen Straßen herrscht geordneter Trubel, Touristen lassen sich in Kolonnen mit summenden Elektroautos in ihre Hotels kutschieren. Der Blick auf die Bergkette rund um das Matterhorn ist klar. Nur die obersten Gipfel und die Gletscher liegen hinter einer undurchdringbaren Wolkendecke verborgen. Doch die Idylle trügt.

Dort oben in den Bergen suchen Rettungskräfte seit Samstag den deutschen Milliardär und Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub. Sein Schicksal bewegt die Menschen in Zermatt.

Der Fall ist mysteriös. Bislang ist nur bekannt, dass Haub vor einer Woche auf das Klein Matterhorn wollte, um dort alleine für das Skitourenrennen „Patrouille des Glaciers“ zu trainieren – einen der härtesten Ski-Wettbewerbe überhaupt. Doch der Unternehmer kam nicht zurück.

Ist er in eine Gletscherspalte gestürzt? Eine Überwachungskamera am Klein Matterhorn erfasste Haub noch. Doch das Bild wird nicht veröffentlicht, weil sich seine Familie dagegen entschieden habe – so berichtet es die Schweizer Zeitung „Blick“.

Wetterlage für Suche war Donnerstag zu schlecht

Am Donnerstagmorgen wurde die Suche auf der italienischen Seite nicht fortgesetzt, die Wetterlage sei zu schlecht. Für die Rettungskräfte zählt jede Minute – je mehr Zeit vergeht, desto weiter schwinden Haubs Überlebenschancen. Im Ort bemühen sie sich um Normalität. Von der dramatischen Suche ist wenig zu spüren.

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„Abgesehen von den vielen Journalisten, die hier herumlaufen, ist es wie immer“, sagt Simona Altwegg, Sprecherin von „Zermatt Tourismus“. Viel zu sehr ist man mit den Vorbereitungen für das „Zermatt Unplugged“-Musikfestival beschäftigt. Am Freitag wird die US-Sängerin Norah Jones auf der Bühne stehen. „Um ehrlich zu sein, sind das eher die Dinge, die mich gerade wuschig machen“, bestätigt die Verkäuferin in einer Bäckerei. Trotzdem sei sie sehr betroffen gewesen, als sie von dem Unglück aus der Zeitung erfahren habe. Den Herrn Haub kannte man in der Bäckerei, sagt sie. Nicht persönlich, wie die meisten anderen Kunden, aber man wusste, dass es sich um einen Prominenten aus Deutschland handelt.

Dabei sind Vermisstenfälle am Matterhorn keine Seltenheit. Allein im vergangenen Jahr haben in der Region 21 Menschen ihr Leben im Gebirge verloren, berichtet Mathias Volken von der Kantonspolizei Wallis. In den ersten drei Monaten des Jahres 2018 gab es Schätzungen zufolge schon 20 Tote. Das habe etwas mit dem strengen Winter und der Lawinengefahr zu tun, so Volken. Allein über Ostern seien sieben Menschen durch einen Lawinenrutsch getötet worden.

Bergretter: „Die Berge sind gefährlich“

Trotzdem reagieren viele Bürger Zermatts nachdenklich, wenn sie auf Karl-Erivan Haub angesprochen werden. Ein Mann blickt ernst in Richtung Gipfel, als der Name des Tengelmann-Chefs fällt. Mit finsterer Miene sagt er: „Das ist furchtbar tragisch“, sagt er mit leiser Stimme. Dann setzt er seine Sonnenbrille auf und erinnert daran, dass „so was“ leider immer wieder vorkomme.

„Die Berge sind gefährlich. Wir raten immer, mit Bergführern unterwegs zu sein, weil es in dieser Region viele Gletscherspalten gibt“, sagt ein ehrenamtlicher Bergretter. Wer ein Gletschergebiet ohne Bergführer betrete, handle leichtsinnig. Vor allem, wenn man sich in dem Gebiet nicht auskenne. Völlig aussichtslos sei die Lage für Haub aber nicht: „Wenn er irgendwo da oben ein Biwak gefunden hat, dann hat er vielleicht noch eine Chance, lebend gefunden zu werden.“

Bewohner äußern vorsichtige Kritik

Mathias Volken von der Kantonspolizei bestätigt, dass die Wahrscheinlichkeit, Haub lebend zu finden, mit jeder Minute sinkt: „Neben dem starken Wind erschwert auch der dichte Nebel auf der Hochebene die Arbeit der Suchtrupps.“ So wie er es schildert, gleicht die Suche nach Haub der nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.

Haub sei leichtsinnig gewesen, sagt eine ältere Kioskverkäuferin. Zwei Kundinnen nicken. „Die Berge sind unberechenbar. Die machen ihr Ding“, erklärt eine der Damen. Sie hoffe, dass er bald gefunden wird. „Damit die Familie endlich Gewissheit hat.“ Sie macht sich allerdings wenig Hoffnung.

Nach fünf Tagen könne man nur noch mit der Bergung seines Körpers rechnen. Im Kiosk wird es still. Dann fügt die Verkäuferin hinzu: „Wie heißt es doch so schön, die Hoffnung stirbt zum Schluss, nicht wahr?“