Münster. Bei dem Mann, der in Münster zwei Menschen und sich selbst getötet hat, soll es sich um einen psychisch auffälligen Deutschen handeln.

  • Ein Mann ist am Samstag mit einem Campingbus in Münster in eine Menschengruppe gefahren
  • Er tötete zwei Menschen, viele weitere sind verletzt, einige schweben noch in Lebensgefahr
  • Der Fahrer erschoss sich am Tatort selbst. Es handelt sich um einen 48-Jährigen Deutschen
  • Die Polizei wusste von den suizidalen Gedanken des Amokfahrers

Die Amokfahrt mit insgesamt drei Toten in Münster war womöglich die Tat eines psychisch labilen Mannes. Es gebe keine Hinweise auf ein politisches Motiv oder weitere Täter, teilte die Polizei mit. Der Mann habe sich in einem langen Schreiben auch zu Suizid-Gedanken geäußert. Der 48-Jährige, der am Samstagnachmittag in eine Menschenmenge vor einem Lokal in Münster gerast war, soll Kontakt zum Gesundheitsamt der westfälischen Stadt gehabt haben.

Ende März habe sich der Mann mit einer E-Mail unter anderem an einen Nachbarn gewandt, teilte die Polizei am Sonntag mit. „Aus dem Inhalt ergaben sich vage Hinweise auf suizidale Gedanken, aber keinerlei Anhaltspunkte für die Gefährdung anderer Personen.“ WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ berichteten zudem über ein weiteres ausführliches Schreiben des Mannes.

Am Samstagnachmittag war der Mann mit einem Kleintransporter in der Innenstadt von Münster in eine Menschengruppe gefahren.
Am Samstagnachmittag war der Mann mit einem Kleintransporter in der Innenstadt von Münster in eine Menschengruppe gefahren. © dpa | -

Der Polizeipräsident von Münster, Hajo Kuhlisch, sagte, die Ermittler gingen daher davon aus, „dass die Motive und Ursachen in dem Täter selber liegen“. Nach dpa-Informationen stammt der Mann aus dem sauerländischen Olsberg, er wuchs in Brilon auf und lebte als erfolgreicher Industriedesigner in Münster.

Täter von Münster Deutscher - Drei Tote und 20 Verletzte

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    Weitere Täter würden nicht gesucht, teilte die Polizei mit. Man gehe von der Tat eines Einzeltäters aus, sagte eine Polizeisprecherin. Zunächst waren die Ermittler Zeugenaussagen nachgegangen, wonach zwei Menschen aus dem Auto gesprungen und geflüchtet sein sollen.

    Am Samstag hatte um 15.27 Uhr ein Mann einen silberfarbenen Campingbus im Zentrum in eine Menschengruppe vor der beliebten Gaststätte „Kiepenkerl“ gesteuert und sich danach im Wagen erschossen.

    Mehrere Tote bei Amokfahrt in Münster

    Ein Mann ist am 7. April in Münster mit einem Kleintransporter in eine Gruppe von Menschen gerast. Zwei Menschen starben. Anschließend erschoss er sich nach Angaben der Polizei selbst. Eine vierte Person starb Wochen später. Vier Monate nach der Tat erlag ein weiteres Opfer seinen schweren Verletzungen.
    Ein Mann ist am 7. April in Münster mit einem Kleintransporter in eine Gruppe von Menschen gerast. Zwei Menschen starben. Anschließend erschoss er sich nach Angaben der Polizei selbst. Eine vierte Person starb Wochen später. Vier Monate nach der Tat erlag ein weiteres Opfer seinen schweren Verletzungen. © REUTERS/ | WOLFGANG RATTAY
    Viele Menschen wurden verletzt, einige von ihnen schwer.
    Viele Menschen wurden verletzt, einige von ihnen schwer. © dpa | -
    Um 15.27 Uhr war der Fahrer in die Gruppe von Menschen gefahren.
    Um 15.27 Uhr war der Fahrer in die Gruppe von Menschen gefahren. © dpa | -
    Sie hatten vor der beliebten Gaststätte „Kiepenkerl“ in der Innenstadt von Münster gesessen.
    Sie hatten vor der beliebten Gaststätte „Kiepenkerl“ in der Innenstadt von Münster gesessen. © dpa | Ina Fassbender
    Bei dem Amokfahrer handelt es sich um Jens R. – nach Angaben der Polizei war der 48-Jährige psychisch labil und hatte Selbstmordabsichten.
    Bei dem Amokfahrer handelt es sich um Jens R. – nach Angaben der Polizei war der 48-Jährige psychisch labil und hatte Selbstmordabsichten. © dpa | Friso Gentsch
    Die Polizei sperrte die Innenstadt von Münster weiträumig ab.
    Die Polizei sperrte die Innenstadt von Münster weiträumig ab. © dpa | Bernd Thissen
    Ein Großaufgebot von Rettungskräften war im Einsatz.
    Ein Großaufgebot von Rettungskräften war im Einsatz. © dpa | Friso Gentsch
    Spezialkräfte der Polizei sprengten die Tür zur Wohnung des Täters auf und durchsuchten die Räume. Sie fanden Waffenattrappen und Feuerwerkskörper.
    Spezialkräfte der Polizei sprengten die Tür zur Wohnung des Täters auf und durchsuchten die Räume. Sie fanden Waffenattrappen und Feuerwerkskörper. © REUTERS/ | LEON KUEGELER
    „Ganz Münster trauert über dieses schreckliche Ereignis. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Getöteten. Den Verletzten wünschen wir schnelle und baldige Genesung“, sagte Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU).
    „Ganz Münster trauert über dieses schreckliche Ereignis. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Getöteten. Den Verletzten wünschen wir schnelle und baldige Genesung“, sagte Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU). © dpa | Friso Gentsch
    In der Nacht nach der Amokfahrt wurden am Tatort Spuren gesichert.
    In der Nacht nach der Amokfahrt wurden am Tatort Spuren gesichert. © dpa | David Young
    Die ersten beiden Todesopfer wurden erst nach Einbruch der Dunkelheit abtransportiert. Laut Staatsanwaltschaft und Polizei handelt es sich um eine 51-jährige Frau aus dem Kreis Lüneburg und einen 65-jährigen Mann aus dem Kreis Borken.
    Die ersten beiden Todesopfer wurden erst nach Einbruch der Dunkelheit abtransportiert. Laut Staatsanwaltschaft und Polizei handelt es sich um eine 51-jährige Frau aus dem Kreis Lüneburg und einen 65-jährigen Mann aus dem Kreis Borken. © dpa | David Young
    In der Nacht wurde der Tatwagen abgeschleppt.
    In der Nacht wurde der Tatwagen abgeschleppt. © dpa | David Young
    Trauernde zündeten Kerzen an.
    Trauernde zündeten Kerzen an. © dpa | Friso Gentsch
    Münster in Trauer.
    Münster in Trauer. © dpa | Friso Gentsch
    Am Morgen nach der Tat säuberten Feuerwehrleute den Bereich vor der Gaststätte.
    Am Morgen nach der Tat säuberten Feuerwehrleute den Bereich vor der Gaststätte. © REUTERS/ | WOLFGANG RATTAY
    Kerzen und Blumen wurden am Tatort vor dem Kiepenkerl in Münster niedergelegt.
    Kerzen und Blumen wurden am Tatort vor dem Kiepenkerl in Münster niedergelegt. © dpa | Guido Kirchner
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    Polizei schließt islamistischen Hintergrund aus

    Auch der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) bekräftigte bei einem Besuch am Tatort, mit hoher Wahrscheinlichkeit habe ein Einzelner gehandelt. Der Mann sei Deutscher, es gebe keinen islamistischen Hintergrund. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Reul betonten, es werde nie absolute Sicherheit geben. „Das geht nicht. Wir können nur das Bestmögliche machen“, so Reul.

    Nach Informationen von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ soll der Mann in der Mail an Bekannte aufgearbeitet haben, was in seinem Leben schiefgelaufen sei und wer daran Schuld trage. In der Wohnung des 48-Jährigen im sächsischen Pirna sei außerdem ein älteres, 18-seitiges Schreiben entdeckt worden. Darin verarbeite der spätere Amokfahrer Kindheitserlebnisse und frühe, von ihm als demütigend empfundene Erfahrungen. Dazu zählten laut WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ gravierende Problemen mit seinen Eltern, Schuldkomplexe, nervliche Zerrüttung und wiederkehrende psychische Zusammenbrüche.

    Spezialeinsatzkräfte sprengten die Tür zur Wohnung des Täter auf und durchsuchten die Räume.
    Spezialeinsatzkräfte sprengten die Tür zur Wohnung des Täter auf und durchsuchten die Räume. © Getty Images | Alexander Koerner

    Die Polizei bestätigte den Fund des Schreibens nicht. Sie teilte aber mit, dass Polizisten wegen der Mail damals die Wohnungen des Mannes in Sachsen und Münster aufgesucht, den Mann aber nicht angetroffen hätten. Es sei nun wichtig, „ein möglichst umfassendes Bild über das Verhalten des Täters in den Vorwochen zu erhalten“. So hofften die Ermittler auf eine Spur bei der Suche nach einem Motiv für die Tat.

    Politiker gedenken in Münster der Toten

    Bundesinnenminister Horst Seehofer verurteilte bei einem Besuch des Tatorts am Sonntag die Todesfahrt als feiges und brutales Verbrechen. Gemeinsam mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet und Innenminister Herbert Reul gedachte er auf dem Platz vor dem Gasthaus „Kiepenkerl“ der Toten.

    Laschet lobte die Besonnenheit und Solidarität der Münsteraner nach der Tat. Er wünsche sich, dass „diese besondere Münsteraner Erfahrung einer Friedensstadt“ auch diejenigen erreiche, die „ganz schnell bei Twitter und anderswo wieder das Hetzen begonnen haben“. Für die Angehörigen sei die Religion der Täter egal, sie hätten einen Menschen verloren. „Und diesen Respekt sollte man immer im Blick haben.“

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel, viele weitere deutsche Politiker, aber auch die Präsidenten der USA, Russlands und Frankreichs, haben nach der Amokfahrt den Betroffenen ihr Beileid ausgedrückt. Lesen Sie hier mehr zu den Reaktionen.

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    Bei den beiden Todesopfern handelt es sich um eine 51-jährige Frau aus dem Kreis Lüneburg (Niedersachsen) und einen 65-jährigen Mann aus dem Kreis Borken (Nordrhein-Westfalen). In der Uniklinik gab es außerdem mehrere Notoperationen. Mindestens drei der mehr als 20 Verletzten schwebten zunächst weiter in Lebensgefahr.

    Wohnung nach Sprengstoff und Waffen durchsucht

    Die Polizei durchsuchte in Sachsen und Münster insgesamt drei Wohnungen des Amokfahrers und eine Halle. Auch aus diesen Durchsuchungen ergaben sich keine Hinweise auf ein politisches Tatmotiv, wie es hieß. Bei der Durchsuchung fand die Polizei eine nicht brauchbare Maschinenpistole vom Typ AK47. Experten des Landeskriminalamts aus Düsseldorf entdeckten im Wagen des Mannes zudem die Waffe, mit der sich der Täter erschossen hatte, sowie eine Schreckschusswaffe und rund ein Dutzend Feuerwerkskörper.

    Unmittelbar nach der Amokfahrt von Münster hatte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) angekündigt, dass die Polizei noch einmal die schon „extrem hohen Sicherheitsvorkehrungen“ für den Berliner Halbmarathon am Sonntag überprüfen werde. Offenbar mit Erfolg: Am Sonntag wurden in Berlin sechs Verdächtige festgenommen und mehrere Wohnungen durchsucht. Vor der Sportveranstaltung habe es „vereinzelte Hinweise darauf gegeben, dass die Festgenommenen im Alter von 18 bis 21 Jahren an der Vorbereitung eines Verbrechens im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung beteiligt gewesen sein könnten“, erklärte die Polizei.

    Münster steht unter Schock

    Nach den Bildern aus Münster suchen auch die Einwohner der Stadt weiter nach Erklärungen. „Die Menschen haben jetzt gemerkt, dass es auch für sie ein Restrisiko gibt. Nicht nur Berlin oder München – nein, es kann auch uns in Münster treffen, das haben die Menschen jetzt begriffen“, sagt der Münsteraner Psychologe Steffen Fliegel.

    „Zusätzlich macht es die Sache schwierig zu begreifen, weil die Menschen denken, das hätte man doch, im Gegensatz zu einem technischen Defekt an einem Fahrzeug, verhindern können“, sagt der Psychologe. Aber das sei nicht richtig: „Wir müssen lernen, damit zu leben, dass es in unserer Gesellschaft ein Restrisiko gibt“, sagt Fliegel.

    Trauernde zündeten am Aasee Kerzen an.
    Trauernde zündeten am Aasee Kerzen an. © dpa | Friso Gentsch

    Bereits am Samstagabend versammelten sich Bürger, um gemeinsam zu trauern. Im Paulus-Dom in Münster wurde für Sonntagabend ein ökumenischer Gedenkgottesdienst geplant, den Bischof Felix Genn leiten wollte.

    Bei einem ähnlichen Zwischenfall hatte am Freitagabend in Cottbus ein Mann mehrere Menschen angefahren. Er war zunächst geflüchtet, stellte sich aber am Samstag der Polizei. (dpa/jkali)

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    Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.