München/Berlin. Mit Prozessionen und Reenactments gedenken deutsche Christen des Todes Jesu. Die Kirchen rufen dabei zum friedlichen Miteinander auf.
Die Spitzenvertreter der Kirchen in Deutschland haben an Karfreitag zum friedlichen Zusammenleben aufgerufen. Christen könnten sich nie mit Hass in der Welt abfinden, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hob besonders auf das Verhältnis zu den in Deutschland lebenden Muslimen ab.
Beim traditionellen „Kreuzweg der Völker“, der an Karfreitag durch die Münchner Innenstadt führte, sagte Marx, Christen seien verpflichtet, den Weg von Gewaltlosigkeit und Liebe zu gehen. Dieser Grundsatz gelte auch für die Begegnungen mit anderen Religionen wie etwa den Muslimen in Deutschland. Denn Christen wüssten aus eigener Erfahrung in Europa und in der Welt, dass es ohne Freundschaft, ohne Begegnung, ohne Offenheit für den anderen Menschen kein Verstehen und keine Versöhnung gebe, sagte der Erzbischof.
„Hass und Gewalt sind nichts Normales“
Zuvor hatte Marx dem Magazin „Focus“ gesagt, ihn störe es, wenn Ängste geschürt werden und man bei Muslimen nur über deren Religion rede. „Sie sind zuerst Menschen, und dann kommt das Adjektiv“, sagte der Kardinal.
Der evangelische bayerische Landesbischof Bedford-Strohm richtete in der Münchner St. Matthäuskirche den Blick auf Menschen, die wegen ihrer Religion oder ihres Engagements verfolgt werden. „Hass und Gewalt sind nichts Normales“, betonte er.
Vorbild für friedlichen Protest ist Martin Luther King
Der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten würdigte in seiner Predigt den US-amerikanischen Baptistenpfarrer und Bürgerrechtler Martin Luther King, dessen Ermordung sich am Mittwoch zum 50. Mal jährt. Dessen Weg der Gewaltfreiheit und Liebe sei nicht naiv, sagte Bedford-Strohm. Das sei heute „der einzig realistische Weg“ und ein Vorbild für den Umgang mit Hass, Ausgrenzung und Leid.
Vielerorts in Deutschland wurden große Karfreitags-Prozessionen veranstaltet. In Berlin wurde mit einer ökumenischen Karfreitagsprozession an das Leiden Jesu Christi und die Opfer von Krieg und Gewalt erinnert. An der traditionellen Prozession, bei der ein rund 50 Kilogramm schweres und knapp drei Meter hohes Kreuz von der Marienkirche am Alexanderplatz zum Gendarmenmarkt getragen wurde, hätten sich am Freitag mehrere hundert Menschen beteiligt, darunter der evangelische Bischof Markus Dröge und der katholische Erzbischof Heiner Koch, sagte die Sprecherin des evangelischen Kirchenkreises Stadtmitte, Christiane Bertelsmann, dem Evangelischen Pressedienst.
Reenactment des Leidensweges in Hessen
In Südhessen – in Bensheim und Eppertshausen – finden traditionell alle drei Jahre große Prozessionen statt, bei der Laiendarsteller den Leidensweg Jesu Christi nachspielen. Das Schauspiel lockt Tausende Menschen an.
In Bensheim zogen etwa 90 Laiendarsteller in historischen Kostümen durch die Stadt. Die Prozession begann mit der Darstellung der Festnahme Jesu, gefolgt von den Szenen vor dem Hohen Rat der Priester und Schriftgelehrten sowie vor dem römischen Statthalter Pontius Pilatus, der das Todesurteil sprach. Am Marktplatz wurde die Kreuzigung aufgeführt. Einwanderer aus Italien brachten die Tradition des Passionsspiels in den 1980er Jahren an die Bergstraße.
Karfreitags-Prozessionen weltweit
In Eppertshausen waren nach Polizeiangaben etwa 2500 Menschen auf den Beinen, um die Prozession mit 80 Schauspielern, einem Chor und einem Orchester zu sehen. Die Rolle von Jesus übernahm in diesem Jahr zum ersten Mal ein 33 Jahre alter Erzieher aus Groß-Zimmern. Die Idee zu der Aufführung hatte eine Katholikin der Pfarrgemeine Eppertshausen nach einer Karfreitagsprozession auf Sizilien. Die Prozession in Eppertshausen findet seit 2006 alle drei Jahre statt. (dpa/epd)