München/Berlin. Mit Prozessionen und Reenactments gedenken deutsche Christen des Todes Jesu. Die Kirchen rufen dabei zum friedlichen Miteinander auf.

Die Spitzenvertreter der Kirchen in Deutschland haben an Karfreitag zum friedlichen Zusammenleben aufgerufen. Christen könnten sich nie mit Hass in der Welt abfinden, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hob besonders auf das Verhältnis zu den in Deutschland lebenden Muslimen ab.

Beim traditionellen „Kreuzweg der Völker“, der an Karfreitag durch die Münchner Innenstadt führte, sagte Marx, Christen seien verpflichtet, den Weg von Gewaltlosigkeit und Liebe zu gehen. Dieser Grundsatz gelte auch für die Begegnungen mit anderen Religionen wie etwa den Muslimen in Deutschland. Denn Christen wüssten aus eigener Erfahrung in Europa und in der Welt, dass es ohne Freundschaft, ohne Begegnung, ohne Offenheit für den anderen Menschen kein Verstehen und keine Versöhnung gebe, sagte der Erzbischof.

„Hass und Gewalt sind nichts Normales“

Zuvor hatte Marx dem Magazin „Focus“ gesagt, ihn störe es, wenn Ängste geschürt werden und man bei Muslimen nur über deren Religion rede. „Sie sind zuerst Menschen, und dann kommt das Adjektiv“, sagte der Kardinal.

Baden-Württemberg, Riedlingen: Mitglieder der katholischen Kirchengemeinde Sankt Georg stellen am Karfreitag Szenen aus der Leidensgeschichte Jesu und dessen Kreuzweg nach.
Baden-Württemberg, Riedlingen: Mitglieder der katholischen Kirchengemeinde Sankt Georg stellen am Karfreitag Szenen aus der Leidensgeschichte Jesu und dessen Kreuzweg nach. © dpa | Thomas Warnack

Der evangelische bayerische Landesbischof Bedford-Strohm richtete in der Münchner St. Matthäuskirche den Blick auf Menschen, die wegen ihrer Religion oder ihres Engagements verfolgt werden. „Hass und Gewalt sind nichts Normales“, betonte er.

Vorbild für friedlichen Protest ist Martin Luther King

Der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten würdigte in seiner Predigt den US-amerikanischen Baptistenpfarrer und Bürgerrechtler Martin Luther King, dessen Ermordung sich am Mittwoch zum 50. Mal jährt. Dessen Weg der Gewaltfreiheit und Liebe sei nicht naiv, sagte Bedford-Strohm. Das sei heute „der einzig realistische Weg“ und ein Vorbild für den Umgang mit Hass, Ausgrenzung und Leid.

Bayern, Lohr am Main: Während der Karfreitagsprozession werden lebensgroße Figuren von den Stationen des Leidens und Sterbens Jesu Christi von den Vertretern verschiedener Handwerksberufe, von Vereinen und Verbänden durch die Stadt getragen.
Bayern, Lohr am Main: Während der Karfreitagsprozession werden lebensgroße Figuren von den Stationen des Leidens und Sterbens Jesu Christi von den Vertretern verschiedener Handwerksberufe, von Vereinen und Verbänden durch die Stadt getragen. © dpa | Nicolas Armer

Vielerorts in Deutschland wurden große Karfreitags-Prozessionen veranstaltet. In Berlin wurde mit einer ökumenischen Karfreitagsprozession an das Leiden Jesu Christi und die Opfer von Krieg und Gewalt erinnert. An der traditionellen Prozession, bei der ein rund 50 Kilogramm schweres und knapp drei Meter hohes Kreuz von der Marienkirche am Alexanderplatz zum Gendarmenmarkt getragen wurde, hätten sich am Freitag mehrere hundert Menschen beteiligt, darunter der evangelische Bischof Markus Dröge und der katholische Erzbischof Heiner Koch, sagte die Sprecherin des evangelischen Kirchenkreises Stadtmitte, Christiane Bertelsmann, dem Evangelischen Pressedienst.

Reenactment des Leidensweges in Hessen

In Südhessen – in Bensheim und Eppertshausen – finden traditionell alle drei Jahre große Prozessionen statt, bei der Laiendarsteller den Leidensweg Jesu Christi nachspielen. Das Schauspiel lockt Tausende Menschen an.

In Bensheim zogen etwa 90 Laiendarsteller in historischen Kostümen durch die Stadt. Die Prozession begann mit der Darstellung der Festnahme Jesu, gefolgt von den Szenen vor dem Hohen Rat der Priester und Schriftgelehrten sowie vor dem römischen Statthalter Pontius Pilatus, der das Todesurteil sprach. Am Marktplatz wurde die Kreuzigung aufgeführt. Einwanderer aus Italien brachten die Tradition des Passionsspiels in den 1980er Jahren an die Bergstraße.

Karfreitags-Prozessionen weltweit

Auf der ganzen Welt wird am Karfreitag Jesus Christus gedacht, der sich für die Menschen ans Kreuz nageln ließ. Wir zeigen Bilder der Prozessionen.
Auf der ganzen Welt wird am Karfreitag Jesus Christus gedacht, der sich für die Menschen ans Kreuz nageln ließ. Wir zeigen Bilder der Prozessionen. © dpa | Aijaz Rahi
Ein Junge mimt Jesus am Kreuz in Guwahati, India.
Ein Junge mimt Jesus am Kreuz in Guwahati, India. © REUTERS | ANUWAR HAZARIKA
Auch im indischen Ahmedabad wird der höchste christliche Feiertag zelebriert.
Auch im indischen Ahmedabad wird der höchste christliche Feiertag zelebriert. © REUTERS | AMIT DAVE
Ein Jesus-Darsteller am Kreuz vor einer Kirche in Bangalore, Indien.
Ein Jesus-Darsteller am Kreuz vor einer Kirche in Bangalore, Indien. © REUTERS | ABHISHEK CHINNAPPA
Auf den Philippinen in San Pedro Cutud fließt echtes Blut: Hier lassen sich streng gläubige Christen jedes Jahr am Karfreitag ganz real ans Kreuz nageln.
Auf den Philippinen in San Pedro Cutud fließt echtes Blut: Hier lassen sich streng gläubige Christen jedes Jahr am Karfreitag ganz real ans Kreuz nageln. © dpa | Aaron Favila
Mehr als ein Dutzend Gläubige lassen die schmerzhafte Prozedur aus Glaubensgründen über sich ergehen.
Mehr als ein Dutzend Gläubige lassen die schmerzhafte Prozedur aus Glaubensgründen über sich ergehen. © dpa | Aaron Favila
In der Mitte hängt der 58-jährige Ruben Enaje, der sich bereits zum 32. Mal am Karfreitag an ein Kreuz nageln lässt.
In der Mitte hängt der 58-jährige Ruben Enaje, der sich bereits zum 32. Mal am Karfreitag an ein Kreuz nageln lässt. © REUTERS | ROMEO RANOCO
Ob der Schmerz durch die jahrzehntelange Erfahrung erträglicher wird? Ruben Enaje nach der Abnahme vom Kreuz.
Ob der Schmerz durch die jahrzehntelange Erfahrung erträglicher wird? Ruben Enaje nach der Abnahme vom Kreuz. © REUTERS | ROMEO RANOCO
Die echte Kreuzigung endet für Viele auf der Bahre der Rettungssanitäter.
Die echte Kreuzigung endet für Viele auf der Bahre der Rettungssanitäter. © REUTERS | ROMEO RANOCO
Ebenfalls auf den Philippinen geißeln sich diese Gläubigen mit Ruten selbst. Das blutige Ritual soll sie von ihren Sünden befreien.
Ebenfalls auf den Philippinen geißeln sich diese Gläubigen mit Ruten selbst. Das blutige Ritual soll sie von ihren Sünden befreien. © REUTERS | ROMEO RANOCO
Das Kreuz ist echt, das Blut nicht: Ein Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung im südostasiatischen Osttimor.
Das Kreuz ist echt, das Blut nicht: Ein Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung im südostasiatischen Osttimor. © REUTERS | LIRIO DA FONSECA
In Durban, Südafrika, zelebrieren Menschen einen stillen Kreuzgang.
In Durban, Südafrika, zelebrieren Menschen einen stillen Kreuzgang. © REUTERS | ROGAN WARD
Nonnen in Durban, Südafrika.
Nonnen in Durban, Südafrika. © REUTERS | ROGAN WARD
In Jerusalem tragen gläubige Christen in Gedenken an Jesus Christus gemeinsam das Kreuz durch die Altstadt.
In Jerusalem tragen gläubige Christen in Gedenken an Jesus Christus gemeinsam das Kreuz durch die Altstadt. © REUTERS | AMMAR AWAD
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In Eppertshausen waren nach Polizeiangaben etwa 2500 Menschen auf den Beinen, um die Prozession mit 80 Schauspielern, einem Chor und einem Orchester zu sehen. Die Rolle von Jesus übernahm in diesem Jahr zum ersten Mal ein 33 Jahre alter Erzieher aus Groß-Zimmern. Die Idee zu der Aufführung hatte eine Katholikin der Pfarrgemeine Eppertshausen nach einer Karfreitagsprozession auf Sizilien. Die Prozession in Eppertshausen findet seit 2006 alle drei Jahre statt. (dpa/epd)