Berlin. Die Flucht von Carles Puigdemont endete in Schleswig. Madrid wünscht sich seine Auslieferung. Ist die nach deutschem Recht zulässig?

Zwei Tage nach der Festnahme des katalanischen Ex-Regierungschefs Carles Puigdemont in Schleswig-Holstein bleiben viele Fragen offen. Am Montagabend hat das Amtsgericht Neumünster entschieden, dass Puigdemont in Gewahrsam bleibt. Eine Entscheidung über eine mögliche Auslieferung des Politikers an Spanien fällt wohl nicht mehr vor Ostern. Doch wie geht es nun weiter?

Warum der europäische Haftbefehl?

In Spanien wird dem früheren Regionalpräsidenten Rebellion und die Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Daher suchte ihn Madrid mit einem europäischen Haftbefehl, auf den die deutsche Polizei mit der Festnahme reagierte.

Den europäischen Haftbefehl gibt es seit 2004. Er wurde eingeführt, um gesuchte Personen, die in einem anderen Staat der Europäischen Union festgenommen wurden, leichter überstellen zu können. Bevor es den Haftbefehl gab, dauerten Auslieferungsverfahren oft extrem lange.

Was muss Deutschland nun tun?

Der ebenfalls von Spanien gestellte Auslieferungsantrag muss nun erst in Deutschland geprüft werden. Weil Puigdemont in Schlewsig-Holstein festgenommen wurde, ist zunächst die dortige Generalstaatsanwaltschaft am Zug.

Dabei stehen die Behörden erst ganz am Anfang: „Wir befinden uns jetzt erst im richtigen Auslieferungsverfahren“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Georg Güntge am Montagabend. „Jetzt wird geprüft, ob die Auslieferung zulässig ist.“

Es ginge nun darum herauszufinden, ob die in Spanien erhobenen Vorwürfe „durch die deutsche Brille des Rechts betrachtet auch deutsche Straftatbestände erfüllen“, so Güntge weiter. Der EU-Haftbefehl lautet auf Rebellion, Aufwiegelung und Untreue – zumindest eine direkte Entsprechung für den Straftatbestand Rebellion gibt es in deutschem Recht nicht.

Wenn die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig zu dem Ergebnis kommt, dass eine Auslieferung zulässig ist, wird die Entscheidung an das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig weitergegeben. Dort wird die Entscheidung geprüft. Kommen auch die dortigen Juristen zu dem Schluss, dass Puigdemont ausgeliefert werden muss, übernimmt die Generalstaatsanwaltschaft. Diese setzt die Auslieferung dann auch um.

Was bedeutet das für Carles Puigdemont?

Für Puigdemont könnte die Prüfung bedeuten, dass er noch eine ganze Weile in Haft bleiben muss. Das Auslieferungsverfahren am Oberlandesgericht kann bis zu 60 Tagen laufen, in Sonderfällen kann es sogar noch 30 Tage Aufschub geben.

Unterdessen mehren sich die Rufe nach einer politischen Lösung. Die Politik kann freilich nicht direkt in den juristischen Prozess eingreifen, eine Beilegung des Konflikts zwischen Madrid und Barcelona jedoch könnte das Verfahren überflüssig machen – etwa dadurch, dass die spanische Zentralregierung den EU-Haftbefehl zurücknimmt.

Könnte Puigdemont Asyl in Deutschland beantragen?

Theoretisch ginge das. Seine Erfolgsaussichten sind aber gering. Da ein mögliches Asylverfahren aber parallel zum Auslieferungsverfahren laufen würde, käme er dadurch auch nicht um das Verfahren herum. Puigdemont hätte auch die Möglichkeit, gegen die Auslieferung Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einzureichen.

Können sich andere Länder einmischen?

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck warb für eine Vermittlerrolle der EU. Eine politische Einmischung in den juristischen Prozess verbiete sich, es sei aber Aufgabe der Politik, den Konflikt um Katalonien zu lösen, sagte Habeck. Da sei auch die EU gefragt zu vermitteln, wenn die Konfliktparteien das wollten.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) zweifelt unterdessen an der Rechtmäßigkeit einer Auslieferung von Puigdemont nach Spanien. Die deutsche Justiz würde ihn „nur nach Madrid überstellen, wenn eine solche Auslieferung deutschem und europäischem Recht entspräche“, sagte Roth unserer Redaktion.

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    Die Festnahme zeige, dass eine politische Lösung zwischen Spanien und Katalonien überfällig sei. „Die spanische Zentralregierung und übrigens auch das Königshaus wären gut beraten, endlich Brücken zu bauen und Vertrauen zu schaffen, statt die Kriminalisierung gewählter Politiker zum Mittel der Wahl zu machen und damit die ohnehin polarisierte Gesellschaft weiter zu spalten.“

    Die Linke will den Rechtsausschuss und den Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags einberufen. „Dass nun ein Gericht in Schleswig-Holstein über die Zukunft Kataloniens mitentscheiden soll, ist ein Witz“, erklärte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch. „Die Diskussion um den Status Kataloniens ist eine politische, keine juristische und sollte in Spanien unter Mithilfe der EU geführt werden und nirgends sonst.“ (ba/dpa)