Karlsruhe. Eine Frau klagt gegen ihre Sparkasse, weil sie in Formularen als „Kundin“ statt „Kunde“ bezeichnet werden will. Der BGH prüft den Fall.

„Kunde“, „Kontoinhaber“, „Einzahler“, „Sparer“ - eine Seniorin aus dem Saarland fühlt sich mit diesen männlichen Bezeichnungen nicht angesprochen. Sie will auch in Formularen als das wahrgenommen werden, was sie ist: als Frau – und hat deshalb ihre Sparkasse verklagt. Am Dienstag (ab 10 Uhr) prüft der Bundesgerichtshof in Karlsruhe den Fall (VI ZR 143/17).

Das Verfahren mag manchem als Posse erscheinen – je nach Entscheidung der höchsten deutschen Zivilrichter könnte der Ausgang aber durchaus Folgen für die Fortentwicklung der Rechts- und Formularsprache haben.

Klägerin pocht auf Persönlichkeitsrecht

„Es geht ums Prinzip“, sagt ihr Anwalt Wendt Nassall. Um Gleichbehandlung, wie es das Gesetz vorschreibt. Der Klägerin reicht es nicht, dass ihre Bank sie im Gespräch und in persönlichen Schreiben als „Frau“ anspricht. Sie will sich auch in unpersönlichen Formularen als „Kundin“, „Kontoinhaberin“, „Einzahlerin“ oder „Sparerin“ wiederfinden. Die korrekte Ansprache zähle zum Persönlichkeitsrecht.

100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sollte das aus Sicht von Stevie Schmiedel selbstverständlich sein. Die Gründerin der Initiative „Pinkstinks“, die seit Jahren gegen Geschlechterklischees angeht, meint: „Es ist unfassbar, dass alle Geschlechter 2018 noch als Männer angesprochen werden.“ Nur „mitgemeint“ sei nicht genug. Sie unterstützt die Klage und hofft auf eine intensive Debatte.

Landgericht Saarbrücken wies Klage ab

Beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband versteht man die Aufregung nicht. Man spreche Kunden grundsätzlich geschlechtsspezifisch an. Nur bei Vertragsmustern sei dies anders. „Es handelt sich dabei häufig um rechtlich komplexe Texte, die im Satzbau durch die Verwendung beider Geschlechter zusätzlich verkompliziert würden. Deswegen wird bei diesen Formularen eine einheitliche Form der Ansprache gewählt“, erläutert Sprecher Stefan Marotzke.

Das Landgericht Saarbrücken, das die Klage in zweiter Instanz zurückwies, sieht das ebenso: In Formularen – wie in der juristischen Fachsprache – werde das „generische Maskulinum“ (grammatisch maskuline Substantive) verallgemeinernd geschlechtsneutral verwendet. „Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits seit 2000 Jahren schon im allgemeinen Sprachgebrauch bei Personengruppen beiderlei Geschlechts das Maskulinum als Kollektivform verwendet und es sich insoweit um nichts weiter als die historisch gewachsene Übereinkunft über die Regeln der Kommunikation handelt.“

Sparkassen sind an Gleichheitssatz gebunden

Ein skurriles Argument, findet Mechtild Düsing, Vorstandsmitglied beim Deutschen Anwaltverein. Vor dem Hintergrund des Jahrhunderte langen Kampfes von Frauen für Gleichberechtigung meint sie: „Was vor 2000 Jahren richtig war, kann heute nicht mehr richtig sein.“ Gerade Sparkassen als öffentlich-rechtliche Organisationen seien an die Einhaltung der Grundrechte und damit an den Gleichheitssatz gebunden.

Doch was wäre, wenn der BGH tatsächlich der Seniorin aus dem Saarland Recht gäbe? Dann hätten nicht nur über 1600 Kreditinstitute in Deutschland ein Problem, sondern auch viele andere Institutionen und Firmen, die der Einfachheit halber mit dem verallgemeinernden Maskulinum arbeiten.

„Eine Ideallösung gibt es in dem Fall nicht“

Sprachlich ist die Sache ohnehin eine Herausforderung: „Die geschlechtsneutrale Version sollte „Kund*in“ heißen, oder „Kund_in““, meint Stevie Schmiedel. Doch warum nicht „Kund/in“, „KundIn“, das generische Femininum „Kundin“, „Kund*“ oder „KundX“? Letztere würden sogar die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“ berücksichtigen, so der Passauer Anwalt Stefan Loebisch.

„Eine Ideallösung gibt es in dem Fall nicht“, räumt Kathrin Kunkel-Razum ein. Die Duden-Redaktionsleiterin würde hier entweder zwei Formularvarianten oder eine doppelte Anrede („Liebe Kundin“, „Lieber Kunde“) empfehlen – oder die direkte gender-neutrale Ansprache „Guten Tag ...(Vorname/Nachname)“.

Wie schwierig es ist, es allen recht zu machen, haben die Autorinnen des neuen Duden-Ratgebers „Richtig gendern“ anhand heftiger Reaktionen erfahren. Neue Formen entstehen im gesellschaftlichen Diskurs, sagt Kunkel-Razum. „Das ist eine langfristige Geschichte.“ (dpa)