Berlin. Joann van den Herik ist die Cousine der Laufstegstars Gigi und Bella Hadid. Sie will selbst Erfolg und Frauen mit Normalmaß Mut machen.

In Unterwäsche posiert die junge Frau vor ihrem Birkenfurnier-Kleiderschrank. Nicht unbedingt lasziv, aber körperbewusst. Ihr Blick verrät einen gewissen Trotz. Ihr Selbstbewusstsein trägt sie zur Schau wie ein neues Kleidungsstück, von dem man noch nicht sicher ist, wie es einem steht.

Joann van den Herik ist 18, und wie viele Teenager liebt sie es, Bilder von sich auf das Netzportal Instagram zu stellen. Die Niederländerin aus dem Dörfchen Kaatsheuvel, bekannt für seinen Freizeitpark Efteling, studiert Verwaltungstechnik im nahen Tilburg. Aber ihr eigentliches Ziel ist es, Model zu werden. Dabei geht es Joann nicht nur darum, berühmt und bewundert zu werden.

Ihre Maße sind nicht „modeltypisch“

Sie, die schlank ist, aber eben mit den Maßen 103-78-110 Zentimeter bei einer Größe von 1,80 Metern nicht modeltypisch dürr, verfolgt eine Mission und will beweisen, dass auch Menschen mit Rundungen Ikonen für Schönheit sein können. Der Plan scheint aufzugehen: Die ganze Welt interessiert sich plötzlich für sie, seit sie unter Vertrag ist bei der Londoner Agentur „12+ UK Models“, die auf „Übergrößen“-Models spezialisiert ist. Das US-Magazin „People“ und die australische „Vogue“ berichteten schon über sie, bejubelten ihren „holländischen Mädchen-von-nebenan-Look“ und ihre positive Ausstrahlung.

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    Cousinen sind die gefragtesten Models der Welt

    Ausschlaggebend für die Aufmerksamkeit sind jedoch ihre Cousinen in Los Angeles, Gigi und Bella Hadid, die derzeit gefragtesten Models der Welt. Die Schwester von Joanns Vaters ist Yolanda Hadid, Matriarchin des nach den Kardashians schillerndsten Hollywood-Clans. Einst wurde sie von der legendären Modelagentin Eileen Ford entdeckt. Sie machte internationale Karriere und heiratete schließlich den arabischstämmigen Geschäftsmann Mohamed Hadid. Aus der Ehe stammen die beiden Töchter Gigi und Bella sowie Sohn Anwar (18), der ebenfalls als Model erfolgreich ist.

    Joanns Credo lautet: „Feiert Eure Speckrollen!“

    Dass nun die schlanke Joann den Stempel „Übergrößen-Model“ verpasst bekommt, mag zunächst überraschen. Doch die Modebranche hat ihre eigenen knochenharten Maßstäbe. Sogar Gigi mit ihren Maßen 86-64-89 bei 1,79 Metern galt Designer Tommy Hilfiger einst als „nicht dünn genug“.

    Genau diese Vorstellungen der Mode-Entscheider, die junge Frauen unter gefährlichen Druck setzen, prangert Joann an. „Feiert eure Speckrollen!“, ruft sie ihre Fans auf. „Wer hat entschieden, dass Kurven nicht schön sind? Wer hat entschieden, dass du deine Dehnungsstreifen und kräftigen Beine nicht lieben kannst? Ich werde meine eigenen Entscheidungen treffen!“

    Ein Makel namens „Tigerstreifen“

    Den vermeintlichen Makeln gibt sie neue Namen, spricht von „Tigerstreifen“ und „Meerjungfrauenformen“. So setzt sie sich für ein positives Körperbild und gegen das „Body-Shaming“ ein, das Niedermachen des Körpers eines anderen. In einer Branche, die die Illusion von Unantastbarkeit verkauft, steht Joann zu ihren Kämpfen und Unsicherheiten. „Ich hasste meinen Körper, mein Lächeln, meine Zehen, einfach alles“, schreibt sie.

    Alle paar Tage veröffentlicht sie ein neues Pamphlet. Manch eines strotzt vor jugendlichem Pathos, und immer wieder fragt man sich, warum gerade diese hübsche, schlanke Frau sich als Galionsfigur der Geschassten aufschwingt. Doch sie trifft damit einen Nerv: Inzwischen 51.000 Menschen folgen ihren Beiträgen. „Du bist so eine Inspiration“ oder „Du hast mir Mut gegeben“, schreiben sie.

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      In der Branche dominieren weiter extrem schlanke Models

      Sind aber Models wie Joann Zeichen für eine Wende? Auf der „Victoria’s Secret Fashion Show“ kürzlich in Shanghai regierten weiterhin austrainierte Mannequins wie Adriana Lima oder eben Bella Hadid. „Die Modebranche ist wie jede andere Branche von den Gesetzen des Erfolgs getrieben“, sagt Petra Pfaller, Modechefin bei „Bunte“: „Alle mir bekannten Konsumenten-Studien belegen, dass Frauen Mode eher an schlanken Frauen präsentiert haben möchten.“

      In der Mode-Industrie gehe es um Sehnsüchte. „Und Illusionen sind eben leider nicht immer politisch korrekt.“ Es gebe jede Menge Interesse an Joann, sagt ihre Agentin Sarah Watkinson. „Sie ist für verschiedene Kampagnen im Gespräch.“ Unterschrieben sei noch nichts.