Berlin. Sturmtief „Herwart“ hat viele Bahnstrecken lahmgelegt. Kritiker monieren, viele Sperrungen seien unnötig. Die Bahn sieht das anders.

Es war das zweite Mal binnen drei Wochen: Wegen des Sturmtiefs „Herwart“ blieben am Sonntag viele Bahnstrecken vor allem im Norden und Osten Deutschlands gesperrt, rund um Hamburg fuhren der Bahn zufolge auch am Montag auf einigen Strecken noch keine Züge. Doch Reisende und Verkehrsexperten kritisieren die gefühlt immer häufiger angeordneten Sperrungen als unnötig und kostspielig. Herbststürme wie „Herwart“ und Gewitter habe es schließlich schon immer gegeben, nicht erst seit Beginn des Klimawandels.

So monierte der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, nach Sturmtief „Xavier“ in der „Passauer Neuen Presse“, in vielen Fällen hätte es für unterbrochenen Verbindungen Ausweichstrecken gegeben, die aber nicht genutzt worden seien.

Den Grund sieht Naumann unter anderem in fehlenden Streckenkenntnissen bei Lokführern. Doch auch als am Sonntag Sturm „Herwart“ losbrach, kündigte die Bahn prompt an, viele Strecken würden bis Montag gesperrt bleiben. Unnötig, meinen viele Kritiker.

Sturm "Herwart" legt Bahnverkehr in Norddeutschland lahm

weitere Videos

    Bahn: Sperrungen haben sich bewährt

    Der Konzern sieht das jedoch anders. „Der Stopp der Züge ist ein bewährtes Konzept, das wir anwenden, sobald die Wetterentwicklung dies notwendig macht“, sagte eine Bahnsprecherin unserer Redaktion. Bei extremen Wetterlagen lasse die Bahn die Züge im Bahnhof stehen, um die Fahrgäste auf offener Strecke nicht in Gefahr zu bringen. „Die Zunahme extremer Wetterlagen durch den Klimawandel zwingt uns inzwischen öfter dazu, so zu reagieren“, so die Sprecherin. Dafür seien nicht Einsparungen der Grund, versichert sie. Ziel sei es, die Fahrgäste sicher nach Hause zu bringen.

    Der Haptbahnhof in Hamburg während des Sturms „Herwart“ .
    Der Haptbahnhof in Hamburg während des Sturms „Herwart“ . © dpa | Bodo Marks

    Also keine finanziellen Hintergründe? Tatsächlich muss betroffenen Fahrgästen der Ticketpreis ohnehin komplett erstattet werden, wenn bei Unwettern Züge gestrichen werden. So hat es der Europäische Gerichtshof entschieden. Würden Bahngäste jedoch mitten auf der Strecke feststecken, könnten für die Bahn zusätzliche Kosten anfallen. Die Menschen müssen schließlich versorgt und gegebenenfalls auf anderem Weg in Sicherheit gebracht werden.

    Tragen zugewucherte Bahntrassen mitschuld?

    Klar ist auch, dass sich der häufigste Grund für die Sperrungen – umgestürzte Bäume und Äste, die auf Trassen fallen oder Oberleitungen beschädigen – nicht komplett verhindern lässt. Dies hatte nach Angaben der Bahn schon bei „Xavier“, der Anfang Oktober in Deutschland tobte, an mehr als 500 Stellen Schäden in Nord- und Ostdeutschland angerichtet.

    Daran aber, so meine Kritiker, seien teilweise schlicht von Bäumen und Gesträuch zugewucherte Bahntrassen mitschuld. Ändern ließe sich damit also durchaus etwas, wenn auch unter Kosten.

    Die Bahn entgegenet dem, sie betreibe bereits ein intensives Vegetationsmanagement, um die Strecken von Gebüsch und Bäumen freizuhalten. „Wir haben allein dafür 1000 Mitarbeiter, die den Fahrweg betreuen. Auf beiden Seiten der Schienen gibt es eine sechs Meter breite Freizone“, versichert die Bahnsprecherin. Dafür habe die Bahn 2016 einen dreistelligen Millionenbetrag investiert.

    60 Meter breite Sicherheitszonen in der Schweiz

    Von einem Trassenkonzept wie in der Schweiz, das seit knapp 20 Jahren Sicherheitszonen von bis zu 60 Metern vorsieht, ist Deutschland weit entfernt. „Wir arbeiten auf Basis von Umwelt- und Naturgesetzen, schauen aber trotzdem, dass wir den Umgang mit dem Bewuchs am Rand der Trassen verbessern und sprechen dazu auch mit Umweltbehörden und Besitzern von privaten Ländereien“, heißt es von der Bahn. Der Konzern ist zwar auch selbst ein großer Waldbesitzer, dennoch könne das Unternehmen in den eigenen Beständen „nicht grundlos Bäume fällen“, so die Bahnsprecherin.

    Zahl der Toten durch Sturm "Herwart" steigt auf drei

    weitere Videos