Sydney. Ein australischer Arzt reist mit seinem autistischen Sohn sechs Monate durch Afrika. Ein großes Abenteuer mit unglaublichem Erfolg.

Sam Best war 14 Jahre, als sein Vater James Best, ein Allgemeinmediziner in Sydney, eine radikale Idee hatte: Er wollte mit seinem autistischen Sohn auf Reisen gehen. Nicht komfortabel innerhalb des Landes, sondern sechs Monate mit dem Rucksack durch Afrika. Statt Routine ist das Ungewisse Programm. Für Autisten eine Herausforderung, die sie laut Experten überfordert. Doch für Sam war es eine Reise mit großem Erfolg.

„Sam konnte Klavier spielen und Computer umprogrammieren und richtig schnell Mathe begreifen, aber er konnte nicht alleine einkaufen gehen oder eine längere Unterhaltung führen“, sagte Best in einer Doku des australischen Senders ABC, der die Familie bei ihrem Experiment begleitet hat. Sam, bei dem im Alter von drei Jahren Autismus diagnostiziert wurde, zeigt typische Merkmale der neurologischen Entwicklungsstörung, in deren Zentrum eine schwere Kommunikationsstörung steht.

Familie verkaufte ihr Haus für die Reise

Die Auswirkungen der Störung behindern auf vielfältige Weise die Beziehungen zur Umwelt, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft. Bisher lauteten die Empfehlungen, autistischen Kindern ein hohes Maß an Struktur und Routine zu geben. Experten hielten die Idee des australischen Vaters deswegen zunächst für vollkommen verrückt. Denn Best wollte das Experiment wagen und den 14-Jährigen im völlig fremden Umfeld Afrikas in Situationen bringen, die nicht vorhersehbar oder planbar waren. Um die halbjährige Reise zu finanzieren, verkaufte die Familie sogar ihr Haus.

Der Arzt stützte sich bei seinem Experiment auf eine wissenschaftliche Erkenntnis, dass die Jahre der Pubertät eine ähnliche Gelegenheit zum Lernen sind wie die Kleinkindphase. Während der Reise absolvierte der Arzt mit seinem Sohn ein tägliches Programm – er ließ ihn mit dem Bus fahren. Es ging zu Märkten, auf denen er selbstständig einkaufen sollte. Er zeigte ihm Schulen und Kirchen und nahm ihn mit auf Safari.

Sam fühlt sich erwachsener

Er forderte seinen Sohn auf, zu sprechen, ließ ihn in Hotels mit der Rezeption verhandeln und in Restaurants Essen bestellen. Damit der 14-Jährige besser beide Körperseiten nutzen lernte und um die Vernetzung im Gehirn zu verbessern, brachte er ihm Boxen und Schachspielen bei. Am Ende der Reise war Sam wie verwandelt: „Er bindet seine Schnürsenkel und putzt seine Zähne selbst“, sagte der Vater, der jetzt auch ein Buch über die Erlebnisse der Familie herausgebracht hat. „Er plant und verlässt selbstständig das Zimmer.“

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All das hätte er ihm nie zu Hause beibringen können. Sam selbst hält sich seit der Reise für deutlich erwachsener, wie er sagt, und für reifer. Der Arzt hat das Verhalten seines Sohnes während seiner „Afrika-Therapie“, die er übrigens keinesfalls als ein allgemeingültiges Heilmittel für Autismus bezeichnen möchte, dokumentiert.

Forscher sehen den Fall als Durchbruch

Der Autismusforscher David Trembath von der australischen Griffith Universität stellte bei der Auswertung der Daten fest, dass der Augenkontakt des Jungen mit anderen Menschen durch die Reise um 78 Prozent zugenommen hat und es sich andersherum um 75 Prozent reduziert hat, dass Sam abrupt das Thema wechselt, während er mit Fremden spricht. „Was wir jetzt sehen, ist ein deutlich entspannteres, in sich ruhendes Kind“, sagte Trembath. „Es ist ein erstaunliches Beispiel für einen Fall, wo eine Familie eine riesige Chance gesehen hat und es sich für sie ausgezahlt hat.“

Die Autismusexpertin Cheryl Dissanayake von der australischen La Trobe Universität warnte im Gespräch mit der ABC zwar davor, den Einzelfall als einen „Durchbruch“ in der Behandlung autistischer Menschen zu sehen. Doch es könne als Beispiel für andere Familien gelten, um zu sehen, was alles möglich sei.