Rom. Der deutsche Kardinal Müller sagt, die Kirche stehe beim Thema Missbrauch unter Generalverdacht. Auch Papst Franziskus kritisiert er.

Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller sieht die katholische Kirche im Fall von Kindesmissbrauch zu Unrecht so scharf kritisiert. „Es ist offensichtlich, dass die katholische Kirche bei dem Thema härter angegangen wird, dass Priester a priori verdächtigt werden“, sagte der 69-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

„Es gibt Geistliche – Gott sei es geklagt – die solche Verbrechen begangen haben. Aber deshalb kann man nicht die anderen, nur weil sie auch Priester sind, kollektiv verdächtigen. Prozentual gesehen ist das mit Blick auf die Gesamtzahl der Geistlichen in der Welt sogar weniger als bei vergleichbaren pädagogischen Berufsgruppen – was die Straftat natürlich in keinster Weise entschuldigt und das Leiden der Opfer mindert“, sagte er.

Müller war auch für Aufklärung von Missbrauchsfällen zuständig

Seine Äußerungen fallen im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen. Am Dienstag war der Abschlussbericht vorgestellt worden, demzufolge mehr als 500 Schüler des weltberühmten Chores jahrzehntelang Opfer von Gewalt und Missbrauch waren – auch sexuellem.

Müller stand fünf Jahre der Glaubenskongregation im Vatikan vor, die auch für die Aufklärung von Missbrauchsfällen zuständig ist. Papst Franziskus hatte Müllers Amt Anfang Juli überraschend nicht verlängert. Der ehemalige Regensburger Bischof wehrte sich gegen den Vorwurf, dass er bei der Glaubenskongregation die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen behindert hätte. „Die Kongregation hat trotz mancher Einmischungsversuche immer die Nulltoleranz-Linie vertreten.“

Offene Kritik an Papst Franziskus

Gegenüber katholischen Geistlichen gebe es wegen des Zölibats große Vorurteile, so Müller. „Da wird gedacht, wenn jemand freiwillig enthaltsam lebt, muss er irgendwo seine Gefühle loswerden. Selbst wenn das stimmen würde, würde ein normaler Mensch die Beziehung zu einer Frau suchen und nicht zu einem Kind.“

Die Entlassung von Müller wird auf politische und theologische Differenzen zwischen Franziskus und dem konservativen Kardinal zurückgeführt. Der warnte nun vor einem Papst-Kult und bezeichnete die Gefolgsleute von Franziskus als „Höflinge“.

Manche pflegten eine „scheinheilige Papstdevotion“, nach dem Motto: „Der Heilige Vater hat eine Idee und wir folgen dem bedingungslos und alle sind voller Bewunderung. Der Papst ist auch nur ein Mensch. Das heißt, dass nicht alles, was er macht und sagt, von vornherein schon vollkommen und unüberbietbar ist.“ (dpa/aba)