Kann Levina den deutschen Fluch beim ESC-Finale brechen?
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Von Sarah Borufka
Kiew. Die Berlinerin Levina geht am Samstagabend beim ESC-Finale in Kiew für Deutschland an den Start. Ihre Vorgängerinnen hatten es schwer.
Freitag, gegen 17 Uhr Ortszeit: Levina liegt auf der Bühne. Das ist kein Unfall, das ist so gewollt. Es ist die erste Generalprobe vor dem Finale des Eurovision Song Contest (ESC) in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Die deutsche Kandidatin startet ihre Performance liegend, in einem hochgeschlossenen, bodenlangen Kleid in Hell- und Dunkelgrau mit einem großen Rückenausschnitt, das ein Freund aus ihren Londoner Studienzeiten entworfen hat.
So reduziert wie ihr Kleid ist auch die Performance. Keine Pyrotechnik, nur Videoprojektionen und Lichter. Die deutsche Kandidatin wirkt souverän, sie trifft jeden Ton, bewegt sich anmutig – und doch: So richtig Stimmung wie beim Favoriten Francesco Gabbani aus Italien oder auch beim überdrehten Jodel-Duo Ilinca feat. Alex Florea aus Rumänien kommt bei ihrem Auftritt in der Halle nicht auf. Verhaltener Applaus. Das war am Vorabend anders. In der deutschen Botschaft in Kiew, wo sie vor einem ausgewählten Publikum performte, waren die Gäste von Levina begeistert.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko kündigte sie an, sagte, er sei sehr froh über die deutsche Kandidatin in diesem Jahr. Klitschko hielt eine kurze Rede zwischen Pathos und Politik. „Musik kennt keine Grenzen und verbindet alle Nationen. Wir sind ein europäisches Land“, sagte er.
Diese ESC-Momente bleiben in Erinnerung
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Konfliktreiche Zeit im Gastgeberland Ukraine
Tatsächlich hatte sich die Ukraine wenige Stunden zuvor weiter Richtung Europa bewegt: Das EU-Parlament hat die Visapflicht für ukrainische Staatsbürger zum 1. Juni aufgehoben. Überhaupt platzt der ESC in eine hochbrisante und konfliktreiche Zeit im Gastgeberland. Die Front im ostukrainischen Donezk ist nur 500 Kilometer vom Veranstaltungsort entfernt, Zehntausende Soldaten sind im Krieg zwischen Russland und der Ukraine gefallen. Auch der ESC ist vom Konflikt überschattet: Russlands Kandidatin Julia Samoilowa durfte nicht einreisen.
In diesem Spannungsfeld trat Levina, mit High Heels 1,92 Meter groß, zu Klitschko, in Halbschuhen 2,01 Meter groß, auf die Bühne. Die 26-Jährige ist, nicht nur wegen ihrer Größe, eine Erscheinung. Während ihres Studiums hat sie gemodelt. Es ist wohl nur so zu erklären, dass das sehr weit geschnittene, etwas unförmige weiße Kleid, das sie an diesem Abend trug, an ihr nicht aussieht wie Umstandsmode. Sie lächelte, bedankte sich, performte zwei ihrer Lieder: „Wildfire“ und „Perfect Life“. Letzteres ist der Song mit dem sie an diesem Sonnabend für Deutschland auf der Bühne stehen wird und den ihre Kritiker als „zu langweilig, zu gefällig“ abtun.
Nach ihrem Auftritt in der Botschaft bekam die Sängerin von Kindern der deutschen Schule Brot und Salz überreicht. Das soll Glück bringen. Kann Levina den Fluch der vergangenen zwei Jahre (beide Male ein letzter Platz für Deutschland) brechen? „Ein letzter Platz für Deutschland wird es diesmal nicht werden“, sagt ein Mann von Levinas Management.
In der Gunst der Wettbüros ist Levina gestiegen
Ihre größte Konkurrentin dürfte die Sängerin Blanche aus Belgien sein: Ihr Beitrag „City Lights“ wird gegenwärtig auf Platz vier gehandelt, vom Typ her ähneln sich die beiden Frauen. Levina sagt, sie möchte unter die Top zehn kommen. Ob das gelingt ist zweifelhaft. „Ich werde auf jeden Fall mit einem guten Gefühl wieder nach Deutschland reisen. Es ist eine unglaublich positive Erfahrung“, so die Sängerin im Gespräch mit der Berliner Morgenpost. Immerhin: In der vergangenen Woche ist sie in der Gunst der Wettbüros von Rang 27 auf Rang 17 gestiegen, wohl auch, weil sie bei den Proben so routiniert und professionell wirkte. Tendenz: steigend. Es bleibt bis zuletzt spannend für Deutschland in diesem 62. ESC-Jahr.