Rom. Helfer befürchten viele Todesopfer in dem verschütteten Hotel in Italiens Erdbebenregion. Premier Gentiloni: „Wir halten den Atem an.“

Es ist eine tödliche Mischung zweier Naturgewalten: Am Mittwoch erschütterten schwere Erdstöße Mittelitalien. Einige Stunden später wird das kleine Hotel „Rigopiano“ bei Farindola von einer Lawine zerstört. Bis zu 30 Menschen könnten dabei ums Leben gekommen sein.

Dabei waren die Gäste der bei Wintersportlern beliebten Herberge in den Abruzzen bereits darauf vorbereitet gewesen, das Hotel zu verlassen. Nach den Erdstößen hatten sie ihre Koffer gepackt und warteten, gemeinsam mit dem verbliebenen Personal, darauf, abgeholt zu werden. Doch dann kam die Schneewelle.

Gast überlebt nur durch Zufall

Zwei Hotelgäste konnten sich noch vor der Lawine retten, „durch einen Zufall“, wie einer von ihnen, Giampiero Parete, berichtete. „Ich musste noch einmal zum Auto.“ Ihm und einem weiteren Hotelgast gelang es, sich in das Auto zu stürzen und per SMS Alarm zu schlagen. Erst dadurch erfuhr die Außenwelt, was passiert war. Parete, dessen Ehefrau und beiden Kinder im Hotel verschüttet wurden, schrieb an seinen Arbeitgeber: „Hilfe, wir erfrieren“. Dieser alarmierte daraufhin die zuständige Polizeidienststelle.

Helfer des Zivilschutzes, der Feuerwehr und der Bergrettung machten sich noch in der Nacht auf den Weg zum Unglücksort – doch der Weg durch die verschneiten Abruzzen ist schwierig, dazu kam die Dunkelheit. Am Morgen machte der viele Schnee das Vorankommen für Krankenwagen unmöglich. Erste Bilder und Videos, die die Retter mit ihren Handys sendeten, ließen kaum Hoffnung auf Überlebende, bestätigen die „apokalyptischen Szenarien“, von denen die Helfer berichteten: Schneemassen, die – gemischt mit Gestrüpp, zerschlagenen Bäumen, Stahl und Draht – bis in die Räume des Hotels eingedrungen waren.

Die heftigsten Schneefälle seit 70 Jahren

Wieder ist es ein Wettlauf gegen die Zeit: „Wir rufen, aber niemand antwortet uns“, berichtete ein Helfer, als er sich einen Weg durch die Schneemassen in das Innere des Hotels im Appeningebirge freigeschaufelt hatte. Bis zum Donnerstagnachmittag wurden drei Tote geborgen.

Viele weitere Menschen, darunter auch Kinder, wurden vermisst. Deutsche waren in dem Hotel nicht untergebracht. Italiens Premier Paolo Gentiloni bekundete seine Trauer und sagte: „Wir halten den Atem an.“ Das erneute Erdbeben könnte in Zentralitalien weitere Opfer fordern. Das größte Problem ist diesmal das Klima. Es schneit so stark wie seit 70 Jahren nicht mehr. Italiens Zivilschutzchef Fabrizio Curcio betonte, es handele sich um das „Zusammentreffen von zwei Ereignissen, die die Lage extrem kompliziert machten“. Erschwert wird die Situation durch einen Stromausfall in der gesamten Region, verursacht durch eine vom Schnee beschädigte Hochspannungsleitung.

Lawine verschüttet Hotel in Italien

Nach den Erdbeben kam die Lawine: In Mittelitalien ist auch ein Supermarkt durch die Schneemassen zerstört worden.
Nach den Erdbeben kam die Lawine: In Mittelitalien ist auch ein Supermarkt durch die Schneemassen zerstört worden. © REUTERS | STRINGER
Die Stadt Stadt Penne in Mittelitalien ist schwer von den Erdbeben und der Lawine getroffen worden.
Die Stadt Stadt Penne in Mittelitalien ist schwer von den Erdbeben und der Lawine getroffen worden. © REUTERS | STRINGER
Der Schnee liegt meterhoch in den Straßen.
Der Schnee liegt meterhoch in den Straßen. © REUTERS | STRINGER
Schlimm hat es ein Berg-Hotel getroffen. Es ist verschüttet worden. Dabei sind auch viele Menschen ums Leben gekommen.
Schlimm hat es ein Berg-Hotel getroffen. Es ist verschüttet worden. Dabei sind auch viele Menschen ums Leben gekommen. © dpa | Vigili del Fuoco
Im Hotel „Rigopiano“ im Abruzzen-Ort Farindola sollen sich zum Zeitpunkt des Unglücks in der Nacht zu Donnerstag etwa 30 Menschen aufgehalten haben.
Im Hotel „Rigopiano“ im Abruzzen-Ort Farindola sollen sich zum Zeitpunkt des Unglücks in der Nacht zu Donnerstag etwa 30 Menschen aufgehalten haben. © dpa | Italian Finance Police/AP
Die Schneelawine drang bis ins Innere des Hauses vor, wie die von den Rettungskräften veröffentlichen Bilder zeigen.
Die Schneelawine drang bis ins Innere des Hauses vor, wie die von den Rettungskräften veröffentlichen Bilder zeigen. © dpa
Die eingeschlossenen Menschen hatten mit SMS nach Hilfe gerufen, wie italienische Medien berichten. Laut Nachrichtenagentur Ansa wurden zwei Menschen gerettet, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks im Freien aufgehalten haben sollen.
Die eingeschlossenen Menschen hatten mit SMS nach Hilfe gerufen, wie italienische Medien berichten. Laut Nachrichtenagentur Ansa wurden zwei Menschen gerettet, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks im Freien aufgehalten haben sollen. © dpa | Guardia Di Finanza
Die Helfer mussten sich mit Schaufeln einen Weg ins Innere des Hotel bahnen.
Die Helfer mussten sich mit Schaufeln einen Weg ins Innere des Hotel bahnen. © dpa
Die Rettungskräfte rückten schon am späten Mittwochabend in die Bergregion vor.
Die Rettungskräfte rückten schon am späten Mittwochabend in die Bergregion vor. © dpa | Italian Finance Police/AP
Schneemassen und Kälte erschwerten die Rettungsarbeiten.
Schneemassen und Kälte erschwerten die Rettungsarbeiten. © dpa
Bei Tageslicht wurden die Helfer in Farindola schließlich von einem Hubschrauber unterstützt.
Bei Tageslicht wurden die Helfer in Farindola schließlich von einem Hubschrauber unterstützt. © dpa | Matteo Guidelli
Dieses Foto zeigt ein Räumfahrzeug in Amatrice. Der Ort war vor fünf Monaten von einer verheerenden Erdbebenserie getroffen und stark zerstört worden.
Dieses Foto zeigt ein Räumfahrzeug in Amatrice. Der Ort war vor fünf Monaten von einer verheerenden Erdbebenserie getroffen und stark zerstört worden. © dpa | Vigili del Fuoco
Polizisten brachten am Mittwoch eine ältere Frau in Montereale in Sicherheit. Der Ort war das Epizentrum von drei schweren Erdstößen.
Polizisten brachten am Mittwoch eine ältere Frau in Montereale in Sicherheit. Der Ort war das Epizentrum von drei schweren Erdstößen. © dpa | Claudio Lattanzio
Eine Frau sitzt in einer Notunterkunft in Capitignano.
Eine Frau sitzt in einer Notunterkunft in Capitignano. © dpa | Claudio Lattanzio
Allein am Mittwoch wurde die Region von drei Erdbeben mit einer Stärke von mehr als 5 erschüttert.
Allein am Mittwoch wurde die Region von drei Erdbeben mit einer Stärke von mehr als 5 erschüttert. © dpa | Claudio Lattanzio
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Italienische Zeitung: „Fluch des Appennin“

Betroffen ist auch der Ort Amatrice, der vom Erdbeben am 24. August dem Erdboden gleichgemacht worden war. Etwa 300 Menschen starben damals. Am Mittwoch stürzte ein verbliebener Rest des Kirchturms ein. Der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, erklärte resigniert: „Wir haben das Erdbeben gehabt, dann die schwersten Schneefälle der letzten Jahrzehnte. Jetzt fehlt uns nur noch die Heuschreckenplage.“

Als vordringlich bezeichnete Premier Gentiloni es, die abgeschnittenen Ortschaften zu erreichen. Die Tageszeitung „La Stampa“ nannte es „Fluch des Appennin“.

47.000 Erdbeben seit August

Insgesamt hatte es nach den vier Erdstößen vom Mittwoch, die jeweils über Stärke 5 der Richterskala lagen, bis zum Donnerstagnachmittag 500 weitere, teils starke Nachbeben gegeben. Seit dem ersten schweren Beben am 24. August sind es 47.000. Das reibt die Nerven der Bewohner auf. Massimo Cialente, Bürgermeister der Stadt L’Aquila, die bei dem schweren Erdbeben von 2009 zerstört wurde, sagte am Donnerstag: „Das Schlimmste ist die Angst.“