Blaubeuren. Sabine und Marcel Linder haben neun Kinder. Die Familie muss mit Vorurteilen leben. Kann ein Leben in einer Großfamilie funktionieren?

Es gibt Momente, da sieht es aus, als würde das Chaos gewinnen. Da streiten sich die Zwillinge Lennox und Josefina, wer beim Memory dran ist, Linus braucht Hilfe bei den Hausaufgaben, die eineinhalbjährigen Drillinge haben sich aus dem Laufstall befreit, Hündin Lexi bellt, und dann klingelt noch das Telefon. Doch Sabine Linder, Mutter von neun Kindern, ist so schnell nicht aus der Ruhe zu bringen. Sie organisiert den Alltag der Familie, die in Blaubeuren in Baden-Württemberg lebt, mit Gelassenheit und Liebe. „Großfamilien“, sagt Linder, „sind etwas ganz Tolles.“

Linder kommt aus einer großen Familie, sie hat fünf Geschwister und wollte auch viele Kinder. „Dass es im Endeffekt so viele werden, war aber keine Absicht.“ Eigentlich waren nach Lucas, Kind Nummer vier, keine weiteren Linder-Kinder vorgesehen. Doch dann wurde Sabine Linder noch zweimal schwanger – einmal mit Zwillingen, einmal mit Drillingen. Die 32-Jährige sieht es gelassen. „Auch wenn das so nicht geplant war, wir sind glücklich, dass wir sie haben.“

Mama behält den Überblick

Sie, das sind Antonia, 13, Annika, 11, Linus (fast) 9, Lucas, 6, die Zwillinge Josefina und Lennox, 5, und die drei Kleinsten: Olaf, Paul und Marina, ganze 16 Monate alt. Die Kinder teilen sich fünf Zimmer im Haus. „Es gibt in Deutschland viel zu wenig Großfamilien“, sagt Linder, „dabei ist das so schön.“ Die Kinder hätten in ihren Geschwistern auch Freunde und würden früh selbstständig. Aber Weihnachten muss doch zur Tortur werden bei so vielen unterschiedlichen Wünschen? Linder winkt ab. „Das meiste haben wir schon.“

Die Jüngeren würden die Spielsachen der Älteren erben. Was eine Großfamilie aber auch bedeutet, ist viel Arbeit. Das geht morgens los, wenn neun Kinder geweckt und die jüngeren angezogen werden wollen, es geht weiter mit Frühstück und Brotdosen für die sechs, die in Kindergarten und Schule gehen. Wenn die aus dem Haus sind, ist Mutter Sabine mit den Drillingen allein – bis mittags die ersten Kinder zurück nach Hause kommen und etwas zu essen brauchen.

Einkäufe werden geliefert

Einkäufe lässt die Familie mittlerweile vom Supermarkt liefern, in zahlreichen Tüten. 30 Bananen, 20 Packungen Milch, ein Magnumglas Nutella, das ist nur ein Bruchteil. Den Überblick über das Tagesprogramm der einzelnen Familienmitglieder behält Mama Sabine mit der Pinnwand im Flur des alten Bauernhauses, in dem die Familie wohnt. Arztbesuche, Termine in der Schule, Feste im Kindergarten – hier hängt alles, was wichtig ist. Nach der Geburt der Drillinge bezahlte die Krankenkasse einige Wochen lang eine Haushaltshilfe, hin und wieder springen auch die Familienmitglieder aus dem Nachbardorf ein. Auch die größeren Kinder helfen, passen auf die kleinen auf.

Ehemann Marcel geht mit dem Hund raus, bereitet Brotdosen vor und hilft nach der Arbeit „wo’s klemmt“, wie er sagt. Doch das Nervenzentrum der Familie, der Garant, dass der Betrieb läuft, ist Mama Sabine. „Ernsthaft krank werden, ausfallen“, sagt Linder, die mit 19 zum ersten Mal Mutter wurde, „darf ich einfach nicht.“ Bei allem Stress: Zärtlichkeiten haben Vorrang: „Wenn die Kinder kuscheln wollen, ist Zeit“, sagt sie, „dann wird halt Pause gemacht.“

Campingurlaub in den Ferien

Dass ihnen die Blicke folgen, wenn alle zusammen unterwegs sind, daran haben sich Sabine Linder und Marcel, ihre Jugendliebe, gewöhnt. „Da stehen wir drüber“, sagt Marcel. Dem Verdacht, vom Staat zu leben, sehen sie sich immer wieder ausgesetzt. „Da wird ganz vorsichtig nachgefragt: ‚Was arbeitet denn Ihr Mann?‘“, berichtet Sabine Linder. Gemeint sei eigentlich, ob er denn überhaupt arbeite. Marcel verdient als Alarmanlagentechniker den Lebensunterhalt der Familie, dazu kommen insgesamt fast 2000 Euro Kindergeld im Monat. „Es fehlt uns an nichts“, sagt sie. Zwei Autos hat die Familie.

Dieses Jahr war sie sogar komplett zusammen im Campingurlaub. Das soll wiederholt werden. Trotz des großen Aufwands, trotz der Blicke und der Fragen würden Linders nichts ändern wollen. „Das war so nicht geplant“, sagen sie. „Aber wir sind überglücklich.“ Denn neun Kinder, das bedeutet neunmal Chaos. Aber eben auch neunmal so viel Lachen, neunmal so viel Liebe.