Istanbul. Drei junge Leute haben den Terroranschlag von Istanbul gefilmt. Festhalten wollten sie eigentlich unbeschwerte Momente.

Sie spielten zunächst noch ihr Lied weiter, weil der Schall der mörderischen Explosion sieben Sekunden von der anderen Seite des Bosporus brauchte. Hinter den Rücken der zwei jungen Leute war gerade die Bombe hochgegangen, die an der Vodafone-Arena viele Menschen in den Tod riss oder schwer verletzte. Zu sehen ist das auf einem Video, das sich am Wochenende rasend schnell verbreitete.

Für viele junge Menschen in der Türkei ist der kurze, zufällig entstandene Mitschnitt ein Sinnbild dafür, wie der Terror ihnen die Unbeschwertheit raubt. Die Liedzeile passt auf tragische Weise zu dem Geschehen.

Kumpel unterbricht: „Dort ist etwas explodiert“

Unsere Redaktion hat die beiden Musiker ausfindig gemacht, Mücahit Alacalar ist der junge Mann mit der Gitarre, Oğuz Furkan Özdemir singt links neben ihm sitzend. Ihr Video ist auf Nachrichtenkanälen rauf und runter gelaufen, ihre Geschichte selbst haben sie noch nicht erzählt.

Oğuz Furkan wollte zunächst, sein Kumpel Mücahit hatte Bedenken. Ihnen könnten die Worte im Mund verdreht werden, erklärte er unserer Redaktion. Sie überlegen noch. Aber das Video spricht auch für sich.

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Die beiden jungen Istanbuler hatten das Lied „Yalan“ („Lüge”) der in der Türkei sehr bekannten Gruppe „Athena“ angestimmt, Frontsänger Gökhan Özuguz ist ein Cousin der deutschen SPD-Politikerin und Integrationsbeauftragten Aydan Özuguz. Sie sind gerade mit der Liedzeile „Liebe, wie nah du dem Hass bist” fertig, da unterbricht sie ihr filmender Freund. „Dort ist etwas explodiert! Ich schwöre, da ist etwas explodiert!“

Park bietet Aussicht auf Istanbul

Die drei sitzen im Lichtschein einer Laterne auf einer Holzbank im Fethi-Pascha-Park auf der asiatischen Seite der Stadt, hinter ihnen blühen noch Blumen. Der Blick von hier aus auf die europäische Seite des Bosporus ist großartig, gegenüber liegt der Stadtteil Besiktas mit dem Dolmabahçe-Palast – und der direkt dahinter gelegenen Fußball-Arena. Der Ort, an dem gerade ein Feuerball im Rücken der beiden zu sehen war.

Mücahit Alacalar registriert die Aufregung seines Freundes und dreht sich um, während er noch wie automatisch ein paar Akkorde spielt. Dann trägt der Schall die Geräusche herüber, und jetzt springen auch die beiden auf. „Lasst uns nach Hause gehen”, hört man den Filmenden sagen. In der Aufregung fallen auch nicht druckreife Worte. Vermutlich deshalb haben beide inzwischen auf Twitter und auch auf Instagram eine gekürzte Version des 41 Sekunden langen Videos gepostet. Auch unsere Redaktion zeigt nur diese Fassung.

Zahlreiche Kopien von Szene unterwegs

Die Originalfassung in voller Länge bekommen sie im Netz aber nicht mehr eingefangen, das hatten sich etliche andere Nutzer in Windeseile kopiert und in diversen Netzwerken neu hochgeladen. Die Kopien kamen schnell auf Millionen Abrufe.

Das Video dokumentiert nicht nur den Moment des mörderischen Terrors. Das Video beschäftigt offenbar viele Menschen auch deshalb, weil es den Kontrast zeigt: Eben noch genießen junge Leute im Park eine entspannte Zeit, im nächsten Moment macht sich hinter ihrem Rücken wieder der Terror breit. Fast 30.000 Likes bekam ein Tweet, der das Video so zusammenfasst: „So nah beieinander liegen die Jugend, wie man sie gerne leben würde, und die Jugend, der man ausgesetzt ist.”

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Mehr als 40 Menschen gestorben

Bei den Anschlägen mit einer Auto-und einer Rucksackbombe am späten Samstagabend waren mehr als 40 Menschen ums Leben gekommen, zum größten Teil Polizisten. Zu dem Anschlag hat sich die Organisation „Freiheitsfalken Kurdistans” (TAK) bekannt, eine Abspaltung der PKK, die in den vergangenen Monaten für etliche weitere Anschläge in der Türkei mit Dutzenden Opfern verantwortlich war. Die Behörden nahmen kurz nach den Anschlägen 13 Verdächtige fest. Die pro-kurdische Partei HDP hat den Anschlag verurteilt, bei Razzien wurden aber mehr als 230 ihrer Mitglieder festgenommen. (Mitwirkung: Ibrahim Bilen)