Berlin/Nizza. Ein Rollerfahrer hatte versucht, den Attentäter von Nizza in seinem Lkw zu stoppen. Französische Reporter haben den Mann nun gefunden.

Er galt noch am Tag des Anschlags als Held von Nizza. Ein Rollerfahrer, der versucht hatte, den Lastwagen auf der Promenade des Anglais zu stoppen, als der sich am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, durch die Menschenmenge wälzte und mehr als 80 Menschen tötete. Der deutsche Journalist Richard Gutjahr, zufällig in Nizza, hatte ein Video von der Szene gedreht. Hinterher fragten sich alle: Wer ist der Mann, der sein eigenes Leben riskierte, um andere Menschen zu retten? Starb er vielleicht selbst beim Versuch, den Attentäter aufzuhalten?

Die Zeitung „Nice Matin“ hat den Mann nun gefunden. Er lebt. Franck, ein Mann Ende 40, Angestellter am Flughafen von Nizza. „Ich war bereit zu sterben, um ihn aufzuhalten“, sagt er der Zeitung zwischen zwei Arztterminen. Ihn – Mohamed Lahouaiej-Bouhlel, den Mann, der seine Tat monatelang zusammen mit einigen Helfern plante, 84 Menschen tötete und am Ende von der Polizei erschossen wurde.

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„Meine Frau sagte: Da stimmt doch was nicht.“

Zusammen mit seiner Frau habe er sich auf den Weg zur Promenade gemacht, erzählt Franck der Zeitung. „Wir wollten zum Feuerwerk.“ Aber sie hätten sich zu spät auf den Weg gemacht. Macht doch nichts, habe er zu seiner Frau gesagt. „Gehen wir erst ein Eis essen am Platz Cours Saley.“ Alles sei ruhig gewesen, sie seien Menschen begegnet, die schon auf dem Nachhauseweg gewesen seien.

Plötzlich hätten sie Bewegungen in der Menschenmenge bemerkt. „Wir hörten Schreie und sahen Autos, die sich quer stellten.“ Seine Frau habe zu ihm gesagt, er solle anhalten. „Da stimmt was nicht“, habe sie gesagt. „Als wir uns umdrehten, sahen wir, wie die Menschen in alle Richtungen davonliefen. Als seien sie auf der Flucht. Und dann sahen wir den Lastwagen näher kommen.“

„Ich habe sofort kapiert, was da los ist“

Sie seien in der Mitte der Straße gefahren, etwa 60 Stundenkilometer schnell. Auf der Straße seien nur wenige Autos gewesen. „Ich hatte nicht mal die Zeit in den Rückspiegel zu schauen“, sagt Franck. Dann habe ihn der Lkw in voller Fahrt überholt, er sei von der Straße auf den Bürgersteig gefahren. „Ich habe immer noch die Bilder von Menschen im Kopf, die überall durch die Luft wirbelten“, sagt er. Und: „Ich habe sofort kapiert, was da los ist. Also habe ich beschlossen, Gas zu geben.“ Seine Frau habe er noch abgesetzt.

Um den 19 Tonnen schweren Lkw einzuholen, habe er Slalom fahren müssen, durch Tote und Verletzte. „Ich fuhr mit Vollgas.“ Er habe in den Helm gebrüllt wie ein Verrückter, die Augen immer auf die Rückseite des Lkw gerichtet gewesen. „Ich wollte ihn um jeden Preis einholen.“

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Er sei in einem komischen Zustand gewesen, sagt Franck. Weggetreten fast schon, gleichzeitig aber hellwach. Schließlich habe er sich an der linken Seite des Wagens vorbeischieben können und am Ende die Fahrerkabine erreicht. „Als ich auf seiner Höhe war, habe ich mir die Frage gestellt: Was mache ich jetzt mit meinem armen Motorroller?“ Da habe er den Roller gegen den Lkw geworfen, sei gestürzt, zu Fuß weitergelaufen und habe schließlich den Griff der Fahrertür zu fassen bekommen.

Attentäter schlägt Franck mit Waffe auf den Kopf

Franck stellte sich auf die Stufe, auf Höhe des geöffneten Fensters. „Ich habe ihn geschlagen, geschlagen und wieder geschlagen. Mit all meiner Kraft und mit meiner linken Hand, obwohl ich eigentlich Rechtshänder bin.“ Ins Gesicht habe Franck getroffen. Der Fahrer habe nicht mal gezuckt, kein Wort gesagt. In der Hand habe der Mann am Steuer eine Waffe gehalten, aber sie habe geklemmt. „Er zielte auf mich, drückte ab, aber die Waffe funktionierte nicht.“

Er sei bereit gewesen, zu sterben, sagt Franck. „Ich habe immer weiter auf ihn eingeschlagen. Ich habe versucht, ihn durch das Fenster aus dem Wagen zu ziehen, weil ich die verdammte Tür nicht öffnen konnte.“ Schließlich schlägt der Fahrer Franck mit dem Griff der Pistole auf den Kopf. Er fällt von der Stufe auf die Straße. Franck verletzt sich nur leicht, am Kopf muss er genäht werden, er bricht sich eine Rippe, hat ein paar Blutergüsse.

Die Polizei erschießt Mohamed Lahouaiej-Bouhlel schließlich. Zu dem Zeitpunkt sind schon mehr als 80 Menschen tot und Dutzende teils schwer verletzt.