Berlin. Wurde Gina-Lisa Lohfink vergewaltigt? Das Gericht glaubte ihr nicht und hat Strafbefehl erlassen. Die mediale Debatte darüber ist groß.

Das Video ist zwar schon vier Jahre alt, aber lange Zeit hat es keinen so wirklich interessiert. Jetzt, wo aus dem möglichen Opfer eine mögliche Täterin gemacht wird, ist die mutmaßliche Vergewaltigung von Gina-Lisa Lohfink ein großes Thema in den Medien und sozialen Netzwerken.

Das Video entstand nach einer Partynacht im Juni 2012. Es zeigt: Gina-Lisa Lohfink beim Sex mit zwei Männern – gegen ihren Willen? Auf den aufgenommenen Szenen wirkt Lohfink wie weggetreten, lallt – und sagt mehrfach „Hör auf“. Die 29-Jährige, die durch „Germany’s next Topmodel“ bekannt wurde, erstattete damals Anzeige wegen Vergewaltigung gegen die zwei Männer. Es wurde lange ermittelt, wegen der möglichen Vergewaltigung und der illegalen Verbreitung des Videomaterials.

Der Verdacht der Vergewaltigung bestätigte sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft jedoch nicht und so wurde das Verfahren diesbezüglich eingestellt. In dem anderen Punkt wurden die Männer für schuldig befunden. Einer wurde mittlerweile verurteilt, gegen den anderen liegt das Verfahren derzeit auf Eis, weil sein Aufenthaltsort unbekannt ist.

Strafbefehl wegen Falschverdächtigung

Allerdings geriet anschließend Lohfink selbst ins Visier der Staatsanwaltschaft. Der Verdacht: Sie könnte die Männer fälschlicherweise einer Straftat bezichtigt haben. Am 15. Dezember 2015 wurde deshalb Strafbefehl gegen Lohfink wegen Falschverdächtigung erlassen. 60 Tagessätze à 400 Euro – insgesamt 24.000 Euro – sollte sie zahlen. Sie legte Einspruch ein und erschien am 1. Juni dieses Jahres wieder vor Gericht. Seitdem ist eine riesige und vor allem vielfältige Debatte entbrannt. Überall.

Auf der einen Seite geht es um die Rechtslage. Ist ein „Nein“ oder ein „Hör auf“ nichts wert? Reichen die bestehenden Gesetze im Sexualstrafrecht nicht aus, um Vergewaltiger zu bestrafen und Opfer zu schützen? Diese Debatte ist nicht ganz neu. Spätestens seit der Kölner Silvesternacht wird wieder verstärkt über das Thema diskutiert – auch im Bundestag. Schon Ende April wurde ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine Verschärfung des Sexualstrafrechts vorsieht. Dieser reicht einigen Kritikern allerdings noch immer nicht aus.

Nach aktuellem Recht ist der Tatbestand der Vergewaltigung nur erfüllt, wenn die sexuelle Handlung mit Gewalt erzwungen wird, wenn Leib oder Leben des Opfers bedroht werden oder wenn der Täter eine schutzlose Lage seines Opfers ausnutzt. Ein simples „Nein“ des Opfers reicht nicht aus. Die Forderung, das im Sexualstrafrecht zu ändern, wird nun wieder besonders laut.

Verfolgungsdichte und hohes Strafniveau

Bundesrichter Thomas Fischer zufolge ist das aber zu kurz gedacht. „Das ‚bloße Nein‘ zeigt den entgegenstehenden Willen – aber nicht mehr, vor allem keine ‚Nötigungshandlung‘“, schreibt er in seiner Kolumne auf „ Zeit Online“. „Wenn schon das bloße Nichtbeachten eines entgegenstehenden Willens eine ‚Nötigung‘ sein sollte, müssten erhebliche Teile unseres Strafrechts neu gedacht und geschrieben werden“, gibt er zu bedenken. Seiner Meinung nach würden die bestehenden Gesetze „durchaus ausreichen“. Denn „niemals zuvor hat es eine solche Verfolgungsdichte und ein so hohes Strafniveau gegeben“ wie in den letzten 15 Jahren.s

Ebenfalls entbrannt ist eine feministische Debatte. Natürlich wird hierbei auch die Gesetzeslage bemängelt. Vor allem aber der sexualisierte, auf das Optische reduzierte Umgang mit Gina-Lisa Lohfink in der Berichterstattung. Sie ist stets die Blondine, die mit den aufgespritzten Lippen, das Busenwunder, das Luder. Wie soll auf dieser Basis eine ernsthafte Diskussion über das Thema Vergewaltigung stattfinden, fragen Autorinnen auf feministischen Blogs. In manchen Artikeln wird der Staatsanwaltschaft und dem Gericht sogar vorgeworfen, die Optik und das Wissen über Gina-Lisa Lohfinks Vergangenheit – es kursierten zuvor bereits Sexvideos von ihr im Netz, sie war außerdem 2012 das Gesicht einer Sex-Messe – in ihre Bewertung des Falls einfließen lassen zu haben.

#TeamGinaLisa – Solidarität im Netz

Alles Quatsch, sagt eine Sprecherin des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin unserer Redaktion. Man könne sich sicher sein, dass der Fall auch vor Erlass des Strafbefehls bereits ausgiebig geprüft wurde. Das schließe auch die Sichtung von weiterem Videomaterial mit ein, das eben nicht im Internet zu finden ist oder war.

Nicht nur viele Blogs, Zeitungen und Magazine greifen das Thema auf. Auch in sozialen Netzwerken ist der Fall Lohfink ein Thema. Unter dem Hashtag #TeamGinaLisa solidarisieren sich viele Frauen und Männer mit ihr. Die einhellige Meinung: Der 29-Jährigen wird Unrecht getan. Und: Nein heißt Nein.

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Diese Art der medialen Berichterstattung, die nach Meinung des Gerichts teilweise sehr einseitig ausfällt, würde „ein fatales Signal an alle Opfer von Straftaten“ senden. „Es wird der Eindruck vermittelt, dass die Justiz willkürlich entscheidet. Das ist nicht der Fall“, sagt die Sprecherin des Berliner Amtsgerichts. „Wer Täter ist und wer Opfer, lässt sich erst nach Würdigung aller Beweise am Ende der Hauptverhandlung sagen.“