Berlin. Der Ramadan beginnt 2019 am 5. Mai. 30 Tage lang leben Muslime nach strengen Regeln. Das steckt hinter der Fastentradition.

Nichts essen und nichts trinken, bis die Sonne untergegangen ist – und das 30 Tage lang: Für Muslime beginnt am 5. Mai der Fastenmonat Ramadan. Doch was genau hat es mit dem religiösen Brauch auf sich? Wer muss fasten? Und welche Ausnahmen gibt es? Ein Überblick:

• Was genau ist der Ramadan und warum fasten Muslime?

Der muslimische Fastenmonat heißt Ramadan. Das 30-tägige Fasten im Ramadan gehört neben dem Glaubensbekenntnis, den täglichen Gebeten, der Wohltätigkeit für Bedürftige sowie der Pilgerfahrt nach Mekka zu den fünf Säulen des Islams. Das Fasten im Ramadan ist als dritte Säule also eine wichtige Grundlage des muslimischen Glaubens. „Jeder Muslim sollte es ausüben, um sich in seine Religion zu vertiefen“, sagt Talat Kamran, Leiter des der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee angegliederten Instituts für Integration und interreligiösen Dialog in Mannheim. In einem Flyer der muslimischen Organisation Ditib, dem mitgliederstärksten islamischen Verein in Deutschland, heißt es zudem: „Das eigentliche Ziel des Fastens ist, Gottes Anerkennung zu erlangen.“

Das Fasten, erklärt Kamran, sei nicht nur religiöse Pflicht und körperliche Übung, sondern stärke auch den Geist und die Selbstdisziplin. Es gehe zum einen darum, seinen Konsumzwang zu zügeln, zum anderen aber auch darum, Empathie für Bedürftige zu entwickeln. „Das Fasten, der Verzicht, sind sehr schwierig“, sagt Kamran, „ich kann danach die Gefühle bedürftiger, notleidender Menschen besser verstehen.“ Deshalb sei das Spendenaufkommen von Muslimen im Ramadan auch besonders hoch. „Die Menschen besinnen sich darauf, anderen zu helfen.“

Auch Ditib zählt auf seiner Internetseite Nutzen und Sinn des Ramadan auf. Dort heißt es, das Fasten „wertet unsere ethischen Werte auf, bewahrt uns vor Schlechtem, belehrt den Menschen, gütig zu sein (...), macht den Menschen körperlich und spirituell gesund, bringt dem Menschen Geduld bei und belehrt den Menschen, den wahren Wert des Segens zu verstehen“.

• Auf was müssen gläubige Muslime im Ramadan verzichten?

Während der Fastenzeit verzichten Muslime zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang darauf, Speisen und Getränke zu sich zu nehmen. In dieser Zeit stehen sie schon vor Sonnenaufgang auf, um zu essen und zu trinken. Während des Tages nehmen sie nichts zu sich. Erst nach Sonnenuntergang beginnt das Fastenbrechen, das mit einem Ramadan-Gebet abgeschlossen wird.

Zum Fasten gehöre jedoch mehr als der Verzicht auf Speisen und Getränke, erklärt Talat Kamran. So sollen die Gläubigen allen menschlichen Gelüsten entsagen: Geschlechtsverkehr, Alkoholkonsum oder auch das Rauchen sind tabu. „Da es auch darum geht, spirituelle Kraft zu schöpfen, sollte man auch keinen Krach machen, kein aggressives Benehmen zeigen, keine negativen Gedanken haben, immer friedlich bleiben – also eigentlich Sachen, die immer gelten, aber im Ramadan besonders“, sagt Kamran.

• Wer muss fasten – und wer nicht?

Eigentlich sind alle gesunden Gläubigen zum Fasten verpflichtet, die volljährig sind. Als volljährig gilt in diesem Fall, wer die Pubertät erreicht hat. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: „Wer auf Reise ist, braucht nicht zu fasten, auch nicht Schwangere, Kranke oder Menschen, die zu alt sind“, zählt Kamran die Sonderfälle auf. Wer kann, müsse die Fastentage später nachholen.

Zum Teil halten sich auch Sportler oder Menschen, die harte körperliche Arbeit verrichten, nicht an die Fastenzeit. „Eigentlich gelten für sie keine Ausnahmen“, sagt Kamran. Allerdings biete der Koran Interpretationsmöglichkeiten. „Es ist einfach eine Frage der Auslegung“, weiß der Experte. „Wenn zum Beispiel ein gläubiger Profisportler ein wichtiges Spiel hat, wird er Gott um Vergebung bitten und die Fastentage nachholen, sobald es sein Beruf zulässt.“

Eine Regel gelte jedoch ausnahmslos: „Die Gesundheit geht immer vor“, betont Kamran. Kritiker bemängelten, dass viele Muslime auch fasteten, wenn ihre Gesundheit es eigentlich nicht zulässt. Allerdings sollte man seine eigene oder auch die Gesundheit seines ungeborenen Kindes nicht gefährden, appelliert Kamran an andere Gläubige.

• Was sagen Ärzte zur muslimischen Fastentradition?

Dr. Eva Lischka, Fastenärztin sowie Vorsitzende der Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung, warnt vor allem davor, zu wenig Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Insbesondere in warmen Ländern und beim Fasten während der Sommermonate, steige die Gefahr für die Gesundheit. Wenn man zu wenig trinke, erhöhe sich die Konzentration der Harnsäure im Blut, weil zu wenig Harnsäure mit dem Urin aus dem Körper ausgeschieden werde. „Damit steigt die Gefahr für Gicht oder Nierensteine“, erklärt die Ärztin.

Auch weil Muslime während des Ramadan tagsüber auf Getränke verzichten, sei die muslimische Fastentradition nur bedingt vergleichbar mit dem Heilfasten. „Wir definieren Fasten als den freiwilligen Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel für eine bestimmte Zeit“, sagt Lischka. Beim Buchinger-Heilfasten, das sie und ihre Kollegen als Therapie in der Buchinger-Wilhelmi-Klinik am Bodensee anbieten, nehmen die Fastenden zwischen 250 und 500 Kalorien pro Tag zu sich, ausschließlich in Form von Gemüse- und Obstsäften, Brühen, Tee und ein wenig Honig. „So ist der Körper gezwungen, an seine eigenen Reserven ranzugehen. Das ist entzündungshemmend und gesundheitsfördernd“, erklärt die Ärztin. Zudem sorge die Freisetzung des Botenstoffs Serotonin für eine verbesserte Stimmung. Der ursprüngliche Gedanke hinter dem Ramadan-Fasten sei somit sicher ein ähnlicher wie beim Heilfasten: Er umfasst sowohl die körperliche als auch die seelische Reinigung.

So wie viele Muslime heute den Fastenmonat begingen, nähmen sie während des Fastens jedoch sogar zu statt ab, erzählt Lischka und berichtet von Muslimen, die nach dem Ramadan zur Fastenkur in ihre Klinik kämen. Statt leichte Speisen zu sich zu nehmen, würden bei den gemeinschaftlich gefeierten nächtlichen Fastenbrechen häufig viele kalorienreiche Speisen verzehrt. „Man freut sich, dass man zusammensitzt, gemeinsam isst und genießt – das ist ein bisschen so wie bei uns an Weihnachten“, sagt die Ärztin. „Und wer kennt das nicht? Dann muss man alles probieren, was Freunde und Verwandte mitgebracht haben, weil man niemanden beleidigen und allen gerecht werden will“, fügt sie hinzu. Der eigentliche Sinn des Fastens werde so ad absurdum geführt. „Aber das ist sicher von jedem einzelnen abhängig“, sagt Lischka. „Da kommt es ganz darauf an, wie gefastet wird.“

• Wann ist der Fastenmonat zu Ende?

Der Ramadan dauert normalerweise 30 Tage. Für Muslime in Deutschland endet der Fastenmonat in diesem Jahr am 5. Juli. Anschließend beginnt das große, dreitägige Fastenbrechen, das auch als Zuckerfest bekannt ist. Das Zuckerfest gehört neben dem Opferfest zu den wichtigsten muslimischen Feiertagen. Neben dem Moscheebesuch mit Festgebet gehört auch der Besuch der Eltern oder Großeltern dazu. Das Fest wird gemeinsam mit Verwandten gefeiert. Vor allem Kinder erhalten Geschenke, Geld und Süßigkeiten.

• Warum findet der Ramadan immer zu unterschiedlichen Zeiten im Jahr statt?

Der Fastenmonat findet einmal im Jahr statt, richtet sich dabei aber nicht nach dem gregorianischen Kalender, sondern nach dem Mondkalender. Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Kalenders. Da das Mondjahr kürzer ist als das Sonnenjahr, verschiebt sich der Ramadan jedes Jahr um zehn oder elf Tage nach vorn. Während also in diesem Jahr der Fastenmonat am 6. Juni beginnt, fängt er 2017 schon am 27., 2018 bereits am 16. Mai an, und so fort.

• Was erschwert Muslimen die Fastenzeit?

Fällt der Ramadan in die Sommermonate, bringt das naturgemäß Schwierigkeiten mit sich. Zum einen ist es für den Körper viel anstrengender, auf Speisen und vor allem auf Getränke zu verzichten, wenn die Temperaturen steigen. „Daran sieht man vor allem, dass das Fasten auch eine geistige Übung ist“, sagt Talat Kamran. „Die ersten Tage sind schwierig, aber man gewöhnt sich dran“, ist er sich sicher. Je mehr Gläubige mitmachten, desto einfacher sei es für den Einzelnen. „Die Gemeinschaft stärkt – und die Überwindung gibt spirituelle Kraft.“

Insgesamt sei es für Muslime in nicht-muslimischen Ländern wie Deutschland schwieriger, sich an die Regeln im Ramadan zu halten. In muslimisch geprägten Ländern wisse jeder Bescheid, dass Fastenzeit ist, jeder halte sich daran. „Die Atmosphäre stimmt ganz automatisch, weil alle die Fastenzeit sehr wichtig nehmen“, sagt Kamran. „In der Türkei wird zum Beispiel in manchen Orten das Fastenbrechen mit einem Kanonenschuss eingeläutet“, erzählt Talat Kamran, „das macht einfach Spaß.“

• Wie können Nicht-Muslime ihre muslimischen Freunde, Arbeitskollegen oder Nachbarn unterstützen?

Rücksichtnahme sei das wichtigste Stichwort, findet Talat Kamran. Dabei reiche es zum Beispiel, einfach mal zu schauen und zu fragen, wie es den Fastenden geht. „Gespräche führen, den Ramadan thematisieren, einfach Fragen stellen und Interesse zeigen, das tut gut“, weiß der gläubige Muslim. Vor einem Fastenden zu essen oder zu trinken, sei eigentlich kein Problem. Wenig hilfreich sei es nur, wenn jemand gar kein Verständnis zeigt. Sätze wie „Warum machst du so einen Quatsch überhaupt?“ oder „Bist du blöd, den ganzen Tag nichts zu essen oder zu trinken ist doch Schwachsinn“ seien demotivierend, kämen aber leider vor.

Auf der anderen Seite sieht er auch die Muslime in der Pflicht, den Ramadan zu erklären. „Ich empfehle unseren Moschee-Vereinen immer, auch Christen und andere Menschen zum Fastenbrechen einzuladen“, erzählt Talat Kamran. In Mannheim funktioniere das gut. Zum Fastenbrechen würden insbesondere verschiedene Arten Suppen, verschiedene Sorten Fladenbrote und auch Süßspeisen vorbereitet. „Wenn wir sehen, dass die Menschen Interesse zeigen und mit uns gemeinsam feiern, tut das sehr gut.“