Köln/Düsseldorf. Ein verurteilter Vergewaltiger ist in Köln bei einem seiner bewachten Ausflüge entwischt. Weil der Bewacher eine Pinkelpause einlegte.

Es könnte der folgenreichste Toilettengang der jüngeren nordrhein-westfälischen Justizgeschichte gewesen sein. Der Gewalt- und Sexualstraftäter Peter Breidenbach ist zwei Bediensteten der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aachen am Mittwochmittag ausgerechnet auf dem stillen Örtchen eines Kölner Brauhauses entwischt. Bis Donnerstagabend fahndete die Polizei vergeblich nach dem 58-Jährigen, der seit 1991 hinter Gittern saß und als gefährlich gilt. „Es spricht viel dafür, dass menschliches Versagen die Flucht ermöglicht hat“, räumte ein Sprecher von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) ein.

Breidenbach wurde nach seiner neunjährigen Haftstrafe wegen mehrfacher Vergewaltigung sowie schweren Raubes und sexueller Nötigung in Sicherungsverwahrung genommen. Obwohl er seine Strafe verbüßt hat, kann er wegen anhaltender Gefährlichkeit nicht auf freien Fuß gesetzt werden. „Zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit“, wie es im Juristendeutsch heißt, gewährt ihm das Gesetz jedoch vier begleitete Ausführungen pro Jahr.

Diesem 58-Jährigen Straftäter gelang bei einem Ausflug in ein Brauhaus die Flucht aus der Sicherungsverwahrung.
Diesem 58-Jährigen Straftäter gelang bei einem Ausflug in ein Brauhaus die Flucht aus der Sicherungsverwahrung. © dpa | dpa

Am Mittwoch wurde der Gefangene von zwei JVA-Bediensteten zum Shoppen nach Köln eskortiert. Gegen 13.30 Uhr kehrten Breidenbach und seine Begleiter in einem Brauhaus in Dom-Nähe ein. Von da an gehen die Schilderungen auseinander. Die JVA berichtete an das Justizministerium, Breidenbach sei zur Toilette begleitet worden. Er ist Diabetiker, muss sich regelmäßig Insulin spritzen. Der Häftling habe sich dort in eine Kabine begeben, der Justizbeamte zu den Urinalen. Während sich sein Bewacher erleichterte, konnte Breidenbach davon schleichern.

Wirtshausmitarbeiter schildern das Geschenen

Angestellte des Wirtshauses wollen dagegen beobachtet haben, dass man den Sexualstraftäter sogar allein zur Toilette gehen ließ. Kurz darauf seien die Bewacher hektisch durch das Lokal gelaufen und hätten gesagt, sie suchten ei­nen Diabetiker, der womöglich zusammengebrochen sei. Von einem Gewalttäter, den man am besten aus Eigenschutz gar nicht erst anspricht, sagten sie nichts.

„Der Toilettengang hätte so oder so in dieser Form nicht passieren dürfen“, sagte Kutschatys Sprecher. Für Ausführungen von Sicherungsverwahrten gebe es strenge Verhaltensauflagen. „Es gab bei ihm keine Hinweise auf Fluchtgefahr“, erklärte die Aachener JVA-Leiterin Reina Blikslager. Es müsse sich um eine „Kurzschlussreaktion“ gehandelt haben. Breidenbach sei bereits achtmal ohne Vorkommnisse ungefesselt ausgeführt worden. Zuvor hatte man ihn auch schon immer wieder mit der sogenannten „Hamburger Fessel“, ei­ner Hand-Fuß-Kette unter der Kleidung, in die Freiheit begleitet.

Der Flüchtige ist zuckerkrank und braucht Insulin

Die Polizei suchte zunächst den Großraum Köln ab, fuhr zu einer Verwandten des Geflüchteten in der Domstadt, informierte Krankenhäuser und Apotheken, wo sich Breidenbach Insulin besorgen könnte. Trotz der Sicherungsverwahrung hätte der Mann offenbar sogar Chancen gehabt, irgendwann aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Doch er verweigerte konsequent ei­ne erforderliche Sozialtherapie.