Islamabad/Kabul. Das Erdbeben der Stärke 7,5 hinterlässt Trümmer und Verzweiflung. Viele fühlen sich an die Tragödie vor zehn Jahren erinnert.

Wo gerade noch Lehmhäuser standen, türmen sich nun zerbröselte Mauerreste. Menschen stehen verängstigt vor den Überresten, nicht wissend, wo sie nun die kühlen Nächte verbringen sollen. Mit zerstörerischer Gewalt hat die Erde am Montag im Hindukusch-Gebirge gebebt und den Menschen in der Grenzregion zwischen Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan viel Tod und Leid gebracht.

Fernseh- und Stromnetz bricht zusammen

Das Erdbeben der Stärke 7,5 ist auch für zahlreiche Gebäude in den Städten zu gewaltig. In Peshawar fallen Betonteile und Ziegel herab, erschlagen Menschen und zerstören Auto-Rikschas. Das Fernseh- und Stromnetz bricht zusammen. Tausende Menschen, die gerade mit ihrem Mittagessen fertig waren, stürmen Hals über Kopf ins Freie.

„Ich habe noch nie in meinem Leben so etwas gespürt“, sagt Tahir Farooq, Besitzer einer Reiseagentur in Pakistans Hauptstadt Islamabad. „Es war schrecklich. Einen Moment lang dachte ich, das ganze fünfstöckige Gebäude würde auf mich drauffallen“, sagt der 28-Jährige.

Die meisten Toten sind bislang in der nordwestpakistanischen Provinz Khyber-Pakhtunkhwa zu beklagen. Genau dort lebt die Familie des Obstverkäufers Shakeel Ahmed, im Ort Swabi. Weil die Mobilfunknetze stundenlang nicht funktionieren, kann er niemanden im Ort erreichen. „Ich sorge mich so um meine Kinder“, klagt er.

In Krankenhäusern drängen sich die Verletzten

In den Krankenhäusern der Region drängen sich die Menschen auf den einfachen Betten, ihre Kleidung ist oft blutverschmiert. Durch die Flure hetzen Männer mit ihren Kindern auf den Armen. Viele der kleinen Patienten haben Mullbinden um den Kopf gewickelt oder die Arme eingegipst.

Erst vor sechs Monaten hatte die Erde in der Himalaya-Region gebebt – Tausende Todesopfer waren zu beklagen. Aber zahlreiche Pakistaner fühlen sich natürlich an das Erdbeben vor fast genau zehn Jahren erinnert: Damals waren in Kaschmir mindestens 86.000 Menschen ums Leben gekommen, bis zu vier Millionen Menschen wurden obdachlos. „Es war so furchtbar, wir dachten, das wird jetzt noch einmal so eine Tragödie“, sagt Dil Mohamed, Lehrer in der Stadt Mansehra. Auch Stunden nach dem Beben trauen er und seine Familie sich noch nicht ins Haus zurück, aus Angst vor Nachbeben.

Viele fühlen sich an verheerendes Beben vor zehn Jahren erinnert

Wie 2005 traf es erneut eine abgelegene Region, in der es nur wenige Straßen gibt. Erdrutsche erschweren den Zugang zur Region. Abdeel Ahmed fuhr mit seinem Van gerade auf dem wichtigsten Highway zwischen Pakistan und China, als plötzlich Felsbrocken von den Berghängen herabrollen. „Wir hörten Frauen und Kinder schreien und sahen, wie sie auf der anderen Seite des Flusses aus ihren Häusern rannten“, erzählt er.

„Es war so unheimlich“, sagt der 27-Jährige. „Die Felsen kamen so schnell, dass wir dachten, wir würden weggefegt.“ Er und die 16 Passagiere seien aus dem Wagen gesprungen und hätten begonnen, Verse aus dem Koran zu beten. „Alle hatten Todesangst. Zum unserem Glück wurde niemand auf der Straße verletzt.“