Der wegen Mordes angeklagte Paralympics-Star Oscar Pistorius hat zu Prozessauftakt auf unschuldig plädiert. Eine Nachbarin sagte aus, in der Tatnacht „entsetzliche Schreie“ einer Frau gehört zu haben.

Johannesburg. Der Mordprozess gegen den beinamputierten Sportstar Oscar Pistorius hat mit einem harten Schlagabtausch begonnen. Gleich die erste Zeugin der Anklage widersprach am Montag Pistorius' Darstellung jener Nacht, in der seine Freundin Reeva Steenkamp gewaltsam starb. Der 27-Jährige selbst bezeichnete sich zum Prozessauftakt als „nicht schuldig“ im Sinne der Mordanklage. Staatsanwalt Gerrie Nel hingegen betonte, Indizien und Zeugen würden klar die Schuld des südafrikanischen Paralympics-Stars belegen.

Pistorius' Nachbarin Michelle Burger sagte dem Gericht in Pretoria, sie habe in der Tatnacht zunächst Schreie eines Mannes, dann einer Frau und danach Schüsse gehört. „Sie schrie furchtbar und rief um Hilfe“, berichtete Burger. Zwischen den Schüssen später habe es eine größere Pause gegeben. Die Nacht sei „sehr traumatisch“ gewesen.

„Mein Mann ist auf den Balkon gegangen.(...) Ich habe wieder Schreie gehört. Es war schlimmer als vorher. Sie war sehr verängstigt“, sagte Burger weiter aus. „Ich wusste, dass etwas Schreckliches passieren würde.“ Danach habe sie vier Schüsse gehört. Dies entspricht der Zahl der Schüsse, die Pistorius auf seine Freundin abfeuerte.

Pistorius hatte bisher stets behauptet, er habe in der Tatnacht am 14. Februar 2013 keinen Streit mit seiner Freundin Steenkamp gehabt. Auch will er die Schüsse kurz hintereinander abgefeuert haben. Als er durch die geschlossene Badezimmertür schoss, habe er dahinter einen Einbrecher vermutet. Die Zeugin sagte, sie habe zunächst an einen Überfall im Haus des berühmten Nachbarn geglaubt. Burgers Haus liegt ungefähr 150 Meter vom Domizil des Angeklagten entfernt.

Pistorius bezeichnet Schilderung als falsch

Wie zur Mordanklage erklärte der Paralympics-Star auch zum Vorwurf, er habe gegen das Waffengesetz verstoßen, er fühle sich „nicht schuldig“. Einer seiner Verteidiger, Kenny Oldwage, verlas eine Erklärung von Pistorius, in der dieser seine Unschuld beteuert und die Schilderungen der Anklage als falsch bezeichnet: „Sie könnten nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein.“

Zuvor hatte der Staatsanwalt Nel den 27-Jährigen des vorsätzlichen Mordes an dem blonden Model Reeva Steenkamp beschuldigt. Der behinderte Profisportler habe seine Freundin mit Absicht und gezielt erschossen, sagte der Ankläger.

In der ersten Reihe des Zuschauerraums saßen unter anderen sein Bruder Carl und seine Schwester Aimée sowie die Mutter von Reeva Steenkamp, June. Diese hatte in einem Zeitungsinterview von Montag erklärt, sie könne sich vorstellen, Pistorius zu verzeihen, wolle dem Täter aber vorher in die Augen blicken.„Ich werde bereit sein, ihm zu vergeben“, sagte June Steenkamp der Zeitung „The Star“. „Aber zuvor will ich ihn zwingen, mich anzublicken, damit er den Kummer und den Schmerz sieht, die er mir bereitet hat“, sagte die 67-Jährige.

15 Verhandlungstage angesetzt

Der Prozess, der auf zunächst 15 Verhandlungstage angesetzt ist, wurde erstmals von mehreren südafrikanischen Fernsehsendern live übertragen. 300 Journalisten aus dem In- und Ausland hatten sich angesagt. Im Gerichtssaal waren 80 zugelassene Reporter.

Die Verhandlung unter dem Vorsitz der Richterin Thokozile Masipa begann nach Gerichtsangaben wegen der Abwesenheit eines Übersetzers mit 90 Minuten Verspätung. Zudem soll eine Frau versucht haben, dem Gericht neues Entlastungsmaterial über Pistorius zu übergeben.

Pistorius war 2012 bei den Olympischen Sommerspielen in London zu Weltruhm gelangt, als er beim Sprint der unversehrten Athleten antrat. Der Prozess soll wegen des riesigen öffentlichen Interesses zeitweise live im Fernsehen und Radio übertragen werden. In Pretoria sind hunderte in- und ausländische Journalisten, um über den spektakulären Fall zu berichten.