Zahl der Todesopfer durch „Sandy” weiter gestiegen. Schäden könnten sich auf bis zu 50 Milliarden Dollar summieren. Weltweite Anteilnahme.

New York. An der US-Ostküste ist die Zahl der Todesopfer des Hurrikans „Sandy“ weiter gestiegen. Bis Donnerstag wurden nach offiziellen Angaben 98 Leichen geborgen, darunter 40 in New York. Allein im Stadtteil Staten Island, der am Montag von einer Flutwelle überrollt worden war, kamen 20 Menschen ums Leben. Heimatschutzministerin Janet Napolitano wollte Staten Island am Freitag besuchen. Dort sind Klagen von Einwohnern laut geworden, der gegenüber Manhattan liegende Bezirk sei von der Politik vergessen worden. Bilder aufgebrachter Bürger könnten kurz vor den Wahlen am Dienstag die Pläne der Politiker durchkreuzen.

In den weiterhin von der Stromversorgung abgeschnittenen Vierteln New Yorks wurde zudem eine fehlende Polizeipräsenz kritisiert. Einwohner äußerten sich besorgt über die Sicherheit auf den Straßen und in den U-Bahnen. Auf den Straßen Manhattans patrouillierten Mitglieder der Guardian Angels, einer Freiwilligentruppe, die sich den Kampf gegen die Kriminalität zum Ziel gesetzt hat.

Der verheerende Wirbelsturm hat unterdessen eine weltweite Welle der Hilfsbereitschaft für New York und die US-Ostküste ausgelöst. In Amerika spendeten zahlreiche Bürger, Unternehmen und Prominente. Die wirtschaftlichen Ausfälle kosten allein die Stadt New York jeden Tag Hunderte Millionen Dollar. Die Zahl der Todesopfer in den USA stieg laut CNN weiter. Unterdessen normalisiert sich das Leben im „Big Apple“ langsam wieder: Die Flughäfen sind geöffnet, die ersten U-Bahnen fahren – aber noch sind Zehntausende ohne Strom und Wasser.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekundete in einem Schreiben an US-Präsident Barack Obama ihr Beileid. Dieser hatte am Mittwoch den schwer heimgesuchten Bundesstaat New Jersey besucht und rasche Hilfe zugesichert. Selbst politische Feinde der USA zeigten sich großmütig: Iran bot die Entsendung von Flutexperten an, Kuba – selbst schwer betroffen – kondolierte.

Allein beim Roten Kreuz kamen in den USA bis Mittwoch mehr als elf Millionen Dollar (etwa 8,5 Millionen Euro) an. Medienmogul Rupert Murdoch spendete ebenso wie die Autobauer Toyota und Ford. Auch der Volkswagen-Konzern stellte eine halbe Million Dollar zur Verfügung. Das Geld soll laut VW zur Finanzierung von Unterkünften, Zelten, Nahrung und Hilfe für notleidende Familien in den betroffenen Gebieten genutzt werden.

Nach Schätzungen der Bundesbehörden verursachte „Sandy“ im Osten der USA einen Gesamtschaden von 20 Milliarden Dollar. Der auf Risikoanalysen spezialisierte Versicherungsdienstleister Eqecat ging sogar von einem volkswirtschaftlichen Schaden zwischen 30 und 50 Milliarden Dollar aus.

Der Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, bezifferte in einem Brief an Obama die Kosten für die Millionenmetropole am Hudson auf insgesamt sechs Milliarden Dollar (4,6 Milliarden Euro).

Manche Gegenden in New York sähen aus wie London oder Dresden nach den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg, beschrieb Bürgermeister Michael Bloomberg seine Stadt. Besonders schwer traf es Breezy Point, ein nettes Viertel direkt am Atlantik gelegen. Zuerst kamen die Fluten, dann das Feuer, wahrscheinlich ausgelöst durch Kurzschlüsse. Mehr als 80 hölzerne Häuser brannten nieder.

Das südliche Drittel von Manhattan ist auch nachts nach wie vor in weiten Teilen wegen der Stromausfälle stockfinster. Die Gegend südlich des Empire State Buildings war am stärksten von den Überflutungen betroffen. In dem Stadtteil liegen auch der Ground Zero mit dem neuen World Trade Center und die Wall Street. Die Börse handelt seit Mittwoch aber wieder.

Immerhin fuhren am Donnerstag in New York wieder die ersten U-Bahnen. Zwischen Manhattan auf der einen und Brooklyn und Queens auf der anderen Seite des East Rivers verkehren aber noch keine Züge, weil die Tunnel nach wie vor vollgelaufen sind. Immerhin: Bis einschließlich Freitag fahren alle Busse, Bahnen und auch Vorortzüge kostenlos. Zudem müssen nach Anordnung des Bürgermeisters in allen Autos, die über die Brücken nach Manhattan fahren, mindestens drei Insassen sitzen.

Dass die Stadt schnell zur Normalität zurückkehren will, wird auch daran deutlich, dass am Wochenende wie geplant der Marathon stattfinden soll. Doch es gibt auch Kritiker: „Ich verstehe, dass der Marathon der lokalen Wirtschaft Einnahmen bringt, aber seien wir ehrlich, er bindet erhebliche Kräfte. In keinem der Bezirke läuft es auch nur annähernd normal“, sagte die Senatorin des Bundesstaates New York, Liz Krueger, der „New York Times“.

Unterdessen normalisierte sich die Lage am Frankfurter Flughafen nach mehreren Flugausfällen wieder. Nur drei Flüge nach New York müssten am Donnerstag annulliert werden, teilte der Flughafenbetreiber Fraport am Donnerstag mit.