Obama versprach den Opfern des Wirbelsturms schnelle Hilfe. Der Marathon in New York soll am Sonntag trotz Kritik stattfinden.

New York. Der Wirbelsturm „Sandy“ hat nach Angaben des Fernsehsenders CNN einen Tank in New Jersey aufgerissen und mehr als eine Million Liter Diesel in den Atlantik laufen lassen. Das Unglück sei in einer Raffinerie in dem kleinen Städtchen Sewaren in New Jersey passiert, berichtete der TV-Sender am Mittwoch (Ortszeit). Nähere Details wurden zunächst nicht bekannt.

Trotz der immensen Schäden, die „Sandy” angerichtet hat, soll der New-York-Marathon am Sonntag stattfinden - allerdings in einer abgespeckten Version. Die für Freitag geplante Eröffnungszeremonie ist abgesagt worden. Auch ein fünf Kilometer langes Rennen im Central Park am Sonnabend fällt aus. Eventuell wird auch die Strecke leicht geändert, obwohl sie nicht direkt von der Überschwemmung betroffen ist.

Viele New Yorker kritisieren den Entschluss, den großen Lauf dennoch auszutragen. Die Senatorin Liz Krueger sprach von einer eklatanten Fehlentscheidung. „Ich verstehe, dass der Marathon der lokalen Wirtschaft Einnahmen bringt, aber seien wir ehrlich, er bindet erhebliche Kräfte. In keinem der Bezirke läuft es auch nur annähernd normal“, wird sie von der „New York Times“ zitiert.

James Molinaro, der Chef des Stadtbezirks Staten Island, appellierte an Bürgermeister Michael Bloomberg, die Entscheidung noch einmal zu überdenken. Molinaro erklärte, er habe mit einer Absage gerechnet. „Mein Gott. Was wir hier haben, ist schrecklich, eine Katastrophe. Wenn sie laufen wollen, lasst sie für sich selbst laufen. Das ist nicht die Zeit für eine Parade“, sagte Molinaro. Das 42,195 Kilometer lange Rennen durch die fünf Stadtbezirke beginnt traditionell auf der Verrazano Narrows Bridge in Staten Island.

New York ringt nach „Sandy“ um ein Stück Normalität

Nach den Zerstörungen durch „Sandy“ beginnt für New York der lange Weg zurück in die Normalität. Erstmals seit der Sturm über den Nordosten der USA zog und 59 Menschen mit in den Tod riss, erwachte die Stadt am Mittwoch wieder zu Sonnenschein. Überflutete U-Bahn-Tunnel, massive Schäden am Stromnetz und verwüstete Straßenstriche machten aber deutlich, dass es noch Tage dauern wird, bis die Millionenmetropole wieder zu ihrer üblichen Hektik zurückkehren kann.

Doch am Mittwoch begann für viele New Yorker wieder der Alltag. Pendler fuhren am frühen Morgen mit Bussen durch die wegen des Stromausfalls immer noch dunklen und weitgehend leeren Straßen. Zur Rush Hour waren viele Straßen bereits wieder verstopft.

Nach zwei Tagen Pause wurde mit Hilfe von Stromgeneratoren auch der Handel an der New Yorker Börse wieder aufgenommen. Bürgermeister Michael Bloomberg läutete unter dem Jubel der Aktienhändler pünktlich um 9.30 Uhr (Ortszeit) die Glocke zum Handelsstart. Der Dow-Jones-Index der 30 führenden Industriewerte verzeichnete in der ersten Stunde ein Plus von 18 Punkten. Am Mittwoch wurde außerdem der internationale Flughafen JFK wieder geöffnet. Auch die Aussichtsplattform auf dem Empire State Building war erstmals wieder für Besucher zugänglich, vor dem Gebäude bildete sich eine lange Menschenschlange.

Doch anderswo ging es immer noch um die Rettung von Menschenleben. Suchmannschaften durchkämmten besonders schwer getroffene Gebiete wie den New Yorker Stadtteil Queens, wo ein Großbrand bis zu hundert Häuser zerstörte. Und vor allem jenseits des Hudson River in New Jersey warteten noch Tausende auf Hilfe. Die Zahl der Toten in den USA stieg mittlerweile auf 59 und auch in der Karibik wurde die Opferzahl durch „Sandy“ wegen weiterer bestätigter Toter in Haiti am Mittwoch von 52 auf 71 erhöht.

„Wir werden durch die kommenden Tage kommen, indem wir das tun, was wir immer in schweren Zeiten machen“, sagte Bürgermeister Bloomberg. „Indem wir zusammenstehen, Schulter an Schulter, bereit, unseren Nachbarn zu helfen, einen Fremden zu trösten und die Stadt, die wir lieben, wieder auf die Füße zu bringen.“

Tatsächlich war dafür noch viel zu tun. Alle zehn U-Bahn-Tunnel unter dem East River waren überflutet und Bloomberg rechnete damit, dass es bis zum Wochenende dauern könnte, bis das U-Bahn-Netz, mit dem täglich fünf Millionen Menschen zur Arbeit oder in die Schule fahren, wieder in Betrieb ist. Allerdings konnten Inspektoren den genauen Schaden wegen des Hochwassers noch nicht begutachten.

Und auch der Stromversorger Consolidated Edison erwartet, dass die letzten seiner noch 337.000 vom Netz abgeschnittenen Kunden erst in einigen Tagen wieder Strom haben würden. Der Alarm im Atomkraftwerk Oyster Creek in New Jersey konnte hingegen am Mittwoch wieder aufgehoben werden. Wegen Problemen im Zusammenhang mit „Sandy“ mussten auch der Reaktor 1 im Atomkraftwerk Nine Mile Point im Staat New York, der Reaktor 3 im AKW Indian Point nördlich von New York City und der Reaktor 1 in Salem am Fluss Delaware in New Jersey vom Netz genommen werden.

Präsident Barack Obama, der für New York und Long Island den Notstand ausgerufen hatte, besuchte am Mittwoch das benachbarte New Jersey , wo „Sandy“ am Montag (Ortszeit) in der Nähe von Atlantic City auf Land getroffen war. Dort traf er mit dem republikanischen Gouverneur Chris Christie zusammen. Das Sturmtief zog inzwischen in Richtung Kanada weiter. Obama versprach den Opfern des Wirbelsturms schnelle Hilfe. „Höchste Priorität hat die Stromversorgung“, sagte Obama am Mittwoch in der erheblich zerstörten Ortschaft Brigantine am Atlantik. Die Betroffenen könnten sich ab sofort für Hilfsleistungen registrieren lassen. „In unseren Herzen denken wir an die Familien, die ihre Liebsten verloren haben“, sagte der Präsident.

Obama sagte für den dritten Tag in Folge alle Wahlkampftermine ab, um sich um die Koordinierung der Aufräumarbeiten nach dem Sturm zu kümmern. Sein republikanischer Rivale Mitt Romney wollte seinen Wahlkampf am Mittwoch in Florida in vollem Umfang wieder aufnehmen. Obama will den Wahlkampf am heutigen Donnerstag wieder aufnehmen. Er werde nach Nevada fliegen, teilte das Präsidialamt am Mittwoch mit. Der Bundesstaat gehört zu den umkämpften im Duell mit Romey.

In New Jersey, wo der Sturm am Montagabend (Ortszeit) auf Land getroffen war, versuchten Einsatzkräfte Einwohner zu retten, nachdem dort eine Sturmflut zwei Städte unter Wasser gesetzt hatte. Mit schwerem Gerät kam die Nationalgarde am Dienstagabend in Hoboken an, wo Tausende in ihren Häusern festsaßen. Dort bot sich ihnen ein Bild der Verwüstung. Stromleitungen hingen ins Wasser, aus den Kanälen drang das Abwasser nach oben. Über zwei Millionen Menschen waren in New Jersey noch immer ohne Strom.

Entwarnung kam derweil vom größten New Yorker Flughafen. Der Flugbetrieb am John F. Kennedy Airport wurde am Mittwoch mit Einschränkungen wieder aufgenommen. Genauso wie am Newark International Airport in New Jersey. Der zweite New Yorker Flughafen LaGuardia soll den Angaben zufolge weiterhin geschlossen bleiben. Fluggesellschaften mussten wegen „Sandy“ über 18.000 Flüge streichen.

Derweil rechnete der Informationsdienst IHS Global Insight im Nordosten der USA mit einem wirtschaftlichen Gesamtschaden von bis zu 50 Milliarden Dollar (38,7 Milliarden Euro) durch „Sandy“. Die direkten Schäden könnten sich auf rund 20 Milliarden Dollar belaufen, Gewinneinbußen auf bis zu 30 Milliarden Dollar. Nach Auffassung von Ökonomen dürfte der Sturm der Volkswirtschaft der USA langfristig allerdings keinen weiteren Schaden zufügen.