Soziale Netzwerke und TV machen Baumgartner mit seinem Sprung zum Helden. Millionen zittern mit – und eine Marketingaktion geht auf.

Die Mondlandung unserer Generation. So wurde der Überschall-Sprung von Extremsportler Felix Baumgartner zigfach in sozialen Netzwerken und im Fernsehen beschrieben. Ein gesponsertes Live-Spektakel für die Generation Facebook und Twitter, durchkomponiert von Marketingstrategen, inszeniert nach den Regeln der Hollywood-Ästhetik. Und doch stockte Millionen Menschen der Atem, als sie mit dem Sportler aus der Stratosphäre auf die Erde blickten. Nach dem geglückten Überschall-Flug siegte selbst bei Kritikern die Faszination für das Überwinden menschlicher Grenzen.

Es hätte auch ein Action-Film sein können, der am Sonntag live Millionen Menschen stundenlang vor ihren Bildschirmen hielt: Kaum jemand glaubt mehr an den jungen, sympathischen Helden (Felix Baumgartner), der mit Hilfe seines großväterlichen Freundes (Joe Kittinger) Unglaubliches schaffen will. Doch plötzlich geht alles ganz schnell, und er hebt ab Richtung All, lebende Rückkehr ungewiss. Sorgenvolle Blicke der hübschen Freundin, die Mutter weint.

Probleme tauchen auf (Visierheizung), doch der Abenteurer hält an seiner Mission fest. Und er spricht mit Blick auf die Erde Worte für Geschichtsbücher: „Manchmal musst du weit hinauf gehen, um zu sehen, wie klein du eigentlich bist. Jetzt komme ich nach Hause.“ Schocksekunden während des Sprungs (Baumgartner trudelt) – dann das Happy End. Der Tollkühne schwebt sicher zur Erde, kniet sich auf den Boden, reckt die Hände zum Himmel: „Mission accomplished!“ Dann wird klar, dass er einen Rekord seines 84-jährigen Mentors vermutlich aus Respekt nicht gebrochen hat. Beide Männer salutieren voreinander. Solche Helden rühren die ganze Welt.

„„Projekt Stratos“ war ein durchgestyltes Ereignis für das Flachbildschirm- und Web-Zeitalter, gezeigt in HD, untermalt vom schweren Atem des Protagonisten, begleitet von Tabellen in Echtzeit“, schreibt die österreichische Zeitung „Kurier“ am Montag. Auch in sozialen Netzwerken sind viele von der Inszenierung des Sponsors Red Bull genervt, fragen nach dem eigentlichen Sinn des Spektakels. „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für das Marketing von Energiegetränken“, lästert jemand auf Twitter. Den immer wieder betonten wissenschaftlichen Nutzen hatten Experten bereits vor dem Sprung infrage gestellt.

Eine PR-Aktion in dieser Größenordnung und mit dieser Reichweite habe es bisher noch nie gegeben, sagt der Marketingexperte Claus Ebster von der Universität Wien: „Das hat kurzfristig einen sehr hohen Werbewert.“ Langfristig komme es darauf an, was Red Bull jetzt mache. „Der Sprung alleine reicht nicht.“ Doch auch dafür hat der Salzburger Weltkonzern bereits Vorbereitungen getroffen: Man werde in den kommenden Tagen selbst stückchenweise weitere Details zu Baumgartner und seinem Sprung bekanntgeben, heißt es von einem Sprecher am Montag. So kann das Unternehmen das Thema so lange in den Medien halten wie möglich. Talkshow-Auftritte des Helden sind auch bereits geplant.

Denn „Fearless Felix“ (der furchtlose Felix) löst weltweit emotionale Reaktionen aus. Auf der Facebook-Seite der Mission sammelte das Bild, auf dem Baumgartner nach der Landung auf dem Boden kniet, mehr als 475.000 „Gefällt mir“-Klicks ein. Viele schreiben in Foren, dass sie während des Sprungs Tränen in den Augen hatten. Ein Leser aus Minneapolis postet unter einem Baumgartner-Artikel der „New York Times“: „Es ist definitiv ein PR-Stunt für Red Bull. Aber es ist so viel mehr als das.“