Der Stiefvater der Boxerin Rola El-Halabi soll ihr vor ihrem WM-Kampf in die Hand, die Füße und in das linke Knie geschossen haben.

Berlin. Rola El-Halabi wollte ihren Weltmeistertitel verteidigen, als der Stiefvater am 1. April 2011 kurz vor dem Kampf in ihre Kabine an der Trabrennbahn Berlin-Karlshorst stürmte. Im Prozess vor dem Berliner Landgericht erinnerte sich die attraktive Berufsboxerin am Dienstag an die Szene. Der erste Schuss traf durch den Boxhandschuh die Schlaghand. „Dann hat er mich eiskalt angeschaut und ins Knie geschossen“, schilderte El-Halabi den Strafrichtern. An die übrigen Schüsse habe sie keine Erinnerung.

Der Stiefvater räumte zum Prozessauftakt den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung ein. Der in Kuwait geborene Goldschmied mit deutschem Pass bestritt aber, gezielt geschossen zu haben, um die Karriere seiner Stieftochter zu beenden. „Sie hat Scheiße gebaut, aber ich wollte ihr vor dem Kampf trotzdem alles Gute wünschen“, gab der Mittvierziger mit den grau melierten Schläfen im Gerichtssaal zu Protokoll. „Ich war nicht mehr ich, ich weiß nicht, warum ich schoss. Ich habe allen geschadet, am meisten meiner Familie und vor allem Rola“, fügte er den Namen der Stieftochter zögerlich hinzu.

Die mehrfache Leichtgewichts-Weltmeisterin der Boxverbände WIBA und WIBF äußerte den Wunsch, Ende 2012 wieder in den Ring zu steigen. „Die Hoffnung stirbt nie“. Als die 26-Jährige diesen Traum schilderte, brach ihre klare Stimme. Sie war nach dem Attentat etwa sechs Wochen im Krankenhaus und zeitweise auf einen Rollstuhl angewiesen. Mittlerweile kann sie wieder normal laufen. Ein kleines Wunder, sagten ihr die Ärzte.

Ob El-Halabi eines Tages auch wieder boxen kann, ist hingegen ungewiss. „Ich habe kein Gefühl in der Hand. Sehnen sind entzündet und Nerven an den Fingern zerstört. Die Narben schmerzen“, berichtete die junge Frau. Ein Knochenstück aus dem Becken ersetzt inzwischen eines ihrer Handknöchelchen.

Stiefvater und Stieftochter sahen sich nach den Schüssen erst im Gerichtssaal wieder. Der 44-Jährige würdigte El-Halabi kaum eines Blickes. Während ihrer Vernehmung verschanzte er sein Gesicht hinter einem aufgestützten Arm. „Früher war ich für ihn der wichtigste Mensch auf der Welt“, schilderte die Sportlerin das Verhältnis zum Stiefvater. „Wir waren viel zusammen, geschäftlich, auf Reisen, beim Training und zu Hause.“

Die Beziehung zum Vater verdüsterte sich nach ihren Worten, als sie sich einem noch verheirateten Mann zuwandte. „Das ist der Mann fürs Leben“, habe sie gedacht. Ihr Stiefvater habe den Mann, mit dem sie inzwischen verlobt ist, nicht akzeptiert. „Die Herkunft, das Umfeld und die Religion“ hätten ihm nicht gepasst, sagte die Muslima. Sie trennte sich vom Stiefvater als Trainer. Ihr Verlobter ist ein Grieche christlich-orthodoxen Glaubens.

Nach den Schüssen habe der Vater auf Arabisch gesagt, „verzeih mir bitte“, erinnerte sich die Berufssportlerin, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt. Im Prozess bat sie der Angeklagte um Entschuldigung. Der Prozess wird an diesem Donnerstag mit Zeugenvernehmungen fortgesetzt.