Über das Atomkraftwerk zog der Wirbelsturm ohne große Schäden hinweg - 260.000 Haushalte waren ohne Strom, Rettung mit Booten.

Tokio. Es war die größte Befürchtung: Der Wirbelsturm "Roke" könnte zum erneuten Mal die Verhältnisse im havarierten Atomkraftwerk Fukushima verschärfen. Das große Fiasko blieb aus. Das Fazit: Lediglich eine Überwachungskamera wurde von dem Taiifun zerstört. In Tokio führten Sturm und Starkregen dazu, dass der Zugverkehr zum Erliegen kam, zehntausende Pendler saßen auf Bahnhöfen fest. In der Mitte des Landes waren fast 260.000 Haushalte ohne Strom. „Roke“ war mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 160 Kilometern pro Stunde in der Nähe der Stadt Hamamatsu, rund 200 Kilometer westlich von Tokio, auf Land getroffen. Sechs Menschen kamen in dem Wirbelsturm ums Leben oder wurden vermisst, wie Medien und Behörden erklärten.

Außer einer durch den Sturm beschädigten Überwachungskamera gab es keine weiteren Schadensmeldungen aus dem bei einem Erdbeben sowie einem Tsunami im März havarierten Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi. Ein Sprecher des Kraftwerksbetreibers Tepco hatte vor der Ankunft des Sturms erklärt, einige Arbeiten an der Anlage seien unterbrochen worden. Eine Gefahr für die Kühlsysteme bestehe jedoch nicht.

Der Autobauer Toyota stellte die Produktion in seinem Werk in Aichi am Nachmittag vorsorglich ein. Auch Nissan und der Maschinenhersteller Mitsubishi schickten Beschäftigte vorzeitig nach Hause oder schlossen Werke vorübergehend. Mehr als 200 Inlandsflüge und einige Bahnverbindungen wurden gestrichen, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete.

Mehr als eine Million Menschen wurden nach Berichten japanischer Medien aufgefordert oder angewiesen, ihre Häuser zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Es wurde befürchtet, dass ihre Häuser überschwemmt oder von Erdrutschen begraben werden könnten. In Nagoya, rund 270 Kilometer westlich von Tokio, zeigten Fernsehbilder, wie Menschen durch knietiefes Wasser wateten. Einige Bewohner mussten mit Schlauchbooten aus ihren Häusern geholt werden.

+++ Tropische Wirbelstürme - Hurrikan, Taifun, Zyklon +++

Wegen der Zugausfälle drängten sich in Millionenstädten wie Tokio die Menschen in den Bahnhöfen und Zügen noch mehr als sonst. Viele Unternehmen schickten ihre Mitarbeiter bereits am Nachmittag nach Hause - äußerst ungewöhnlich in dem für seine besonders langen Arbeitstage bekannten Hochtechnologieland. Die Deutsche Schule in Yokohama und andere Schulen des Landes ließen ihre Schüler früher nach Hause.

Einige der Todesopfer wurden laut japanischen Medienberichten von angeschwollenen Flüssen fortgerissen. In der Industriestadt Nagoya fiel ein 66-Jähriger vom Dach eines Hauses, als er eine Dachrinne von Trümmerteilen befreien wollte. In der Provinz Saga wurde ein 71-Jähriger über Bord seines Fischerbootes gerissen, als er es bei den starken Stürmen festmachen wollte.

Der von den Behörden als „äußerst heftig“ eingestufte Taifun traf am frühen Nachmittag bei der Stadt Hamamatsu, rund 250 Kilometer südwestlich von Tokio, auf Land. Er bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von rund 40 Kilometern pro Stunde in nordöstliche Richtung. Der 15. Taifun der Saison hat an seinem Zentrum Windgeschwindigkeiten von bis zu 216 Kilometern pro Stunde.

Die Meteorologische Behörde warnte die Bevölkerung der größten Hauptinsel Honshu vor weiteren Überschwemmungen, Sturmböen sowie Erdrutschen und rief zu "höchster Wachsamkeit“ auf.

+++ Die Hurrikan-Stärken der Saffir-Simpson-Skala +++

Hintergrund: Tropische Wirbelstürme – Taifun, Hurrikan, Zyklon

Taifune sind tropische Wirbelstürme im westlichen Pazifik. Im westlichen Atlantik und im östlichen Pazifik spricht man von Hurrikan, im Indischen Ozean von Zyklon. Sie entstehen über dem Meer, wenn das Oberflächenwasser mindestens 26 Grad warm ist und stark verdunstet. Die durch die Erddrehung entstehende sogenannte Corioliskraft bewirkt, dass die Luft sich um das Zentrum dreht. Über Land verliert der Sturm schnell an Kraft, da der Nachschub feuchtwarmer Luftmassen fehlt.

Tropische Wirbelstürme können einen Durchmesser von einigen hundert Kilometern haben. Typisches Kennzeichen ist das sogenannte Auge, eine windstille Zone von etwa 20 Kilometern Durchmesser im Wirbelzentrum. Die Luftmassen rotieren rasend schnell entgegen dem Uhrzeigersinn um das Auge des Sturms. Der Sturm selbst bewegt sich hingegen eher gemächlich vorwärts. Sein Weg kann relativ gut vorausberechnet werden. Für Menschen sind nicht nur die Stürme selbst gefährlich, sondern auch die von ihnen ausgelösten Flutwellen.

Wirbelstürme werden je nach Windstärke auf einer Skala von 1 (119 bis 153 Kilometer pro Stunde) bis 5 (schneller als 249 Kilometer pro Stunde) eingeteilt.

Mit Material von dpa und rtr