Die US-Raumfähre “Atlantis“ kam nach ihrer Abschieds-Mission ins All mit zwölf Sekunden Verspätung zurück auf der Erde. Es war die wohl bekanntesten Raumfähre der Welt.

Berlin/Washington/Cape Canaveral. Bye, bye Shuttle: Mit einer nächtichen Bilderbuchlandung hat die US-Raumfähre Atlantis mit ihrer 135. Shuttle-Mission die Ära der US-Shuttles beendet. Mit zwölf Sekunden Verspätung setzte sie am Donnerstag um 5.57 Uhr Ortszeit (11.57 Uhr deutscher Zeit) nach ihrer 13-Tage-Reise zur Internationalen Raumstation ISS butterweich auf der Runway 15 des Kennedy Space Centers (KSC) in Cape Canaveral (Florida) auf. „Aufgabe erfüllt, Houston!“, meldete Chris Ferguson, der Commander der vierköpfigen Crew der letzten Shuttle-Mission, an das Kontrollzentrum in Texas. „Nachdem es der Welt mehr als 30 Jahre diente, hat das Space Shuttle seinen Platz in der Geschichte verdient“, sagte er und bestätigte der Bodenkontrolle im texanischen Houston den reibungslosen Ablauf des Heimfluges: „Es ist zu seinem finalen Stopp gekommen“. Rund zweitausend Mitarbeiter und Gäste der Raumfahrtbehörde Nasa begrüßten die Raumfahrer mit großem Jubel.

Die Reise zur Internationalen Raumstation ISS beschloss vorerst auch die Ära der bemannten Raumfahrt in den USA. Das Land hat nach der Ausmusterung der Shuttle für bislang unabsehbare Zeit keine eigenen Fluggeräte mehr, um seine Astronauten ins All zu bringen. Die Nasa ist für Reisen zur ISS auf Mitfluggelegenheiten in russischen „Sojus“-Kapseln angewiesen und hofft, dass private US-Unternehmen in drei Jahren die Lücke füllen werden.

Die Behörde hat schon mehrere Aufträge vergeben, darunter an das kalifornische Unternehmen SpaceX, das Ende des Jahres in seiner Kapsel „Dragon“ Ladung zur ISS transportieren will. Neben jungen Firmen machen sich auch Branchengrößen wie Boeing oder Lockheed Martin Hoffnung auf milliardenschwere Verträge mit der Nasa.

„Dieser letzte Shuttle-Flug markiert das Ende einer Ära, aber heute verpflichten wir uns erneut, die bemannte Raumfahrt weiterzuführen“, sagte Nasa-Chef Charles Bolden unmittelbar nach der Landung. Erklärtes Ziel der Behörde ist es, Menschen bis 2030 zum Mars zu bringen. Konkrete Pläne und finanzielle Mittel dafür stehen aber noch nicht in Aussicht.

Aufgabe der „Atlantis“-Abschiedsmission war es, einen Jahresvorrat von rund vier Tonnen an Proviant, Ausrüstung und Ersatzteilen zu der sechsköpfigen Besatzung der Raumstation zu bringen. Zudem brachte die Mannschaft eine tonnenschwere, defekte Kühlpumpe zur Erde zurück. Das war ein Transport, den nur ein Space Shuttle bewerkstelligen konnte. Andere Raumtransporter wie die „Sojus“ oder die unbemannten europäischen und japanischen Schiffe können nur einen Bruchteil der Ladung ins All hieven und keine schweren Teile zurückholen.

Die Orbiter bescherten der Nasa viele Triumphe. Sie flogen Sonden ins All, die Fotos von der Venus und dem Jupiter knipsten. Auch das erfolgreiche Weltraumteleskop „Hubble“ brachten sie auf Kurs und ermöglichten seine Reparaturen. Ohne die Shuttle wäre auch der Bau der ISS nicht möglich gewesen.

Doch die einstigen Prunkstücke stehen auch für schlimme Stunden: 14 Besatzungsmitglieder wurden vor den Augen der Nation bei zwei Katastrophen in den Tod gerissen. 1986 explodierte die „Challenger“ knapp anderthalb Minuten nach dem Start wegen defekter Dichtungsringe an einer Antriebsrakete. Die „Columbia“ ging 2003 bei der Rückkehr in die Erdatmosphäre in Flammen auf.

„Atlantis“ wird wie die anderen noch existierenden Schiffe „Discovery“ und „Endeavour“ künftig in US-Museen ausgestellt. Auch der Prototyp „Enterprise“ wird weiter zu sehen sein.

Insgesamt haben die Raumfähren seit ihrem ersten Flug am 12. April 1981 mehr als dreieinhalb Jahre im All verbracht. 355 Astronauten aus 16 Ländern sind in ihnen mehr als 872 Millionen Kilometer weit geflogen und haben dabei rund 21 000 Mal die Erde umrundet.

Bittersüßer Abschied von einer Erfolgsstory

Alles in allem haben die Raumfähren seit ihrem Erststart am 12. April 1981 eine Erfolgsstory geschrieben. Mit ihnen haben die USA zum ersten Mal ein wiederverwendbares Raumfahrtsystem gebaut, das 30 Tonnen schwere Lasten mit den Ausmaßen von Stadtbussen auf die Umlaufbahn hieven konnte. Und ohne die Shuttles gäbe es keine ISS, in der heute 15 Nationen zusammen forschen, um nur einige der Pionierleistungen zu nennen.

Allerdings sind auch nicht alle Blütenträume der Amerikaner gereift. 1986 und 2003 sind mit der Challenger und der Columbia zwei der fünf Shuttles verunglückt. 14 Astronauten verloren dabei ihr Leben. Die geplanten 50 Starts pro Jahr wurden ebenfalls nie erreicht, weil die Wartung der komplizierten Maschine immer aufwendiger und teurer wurde. Zuletzt kostete allein der Start über eine halbe Milliarde Dollar. Da zog Präsident Barack Obama die Reißleine.

Künftig sollen die Amerikaner mit privaten Raumschiffen ins All fliegen. Der erste Start wird nicht vor 2015 erwartet. Bis dahin ist man auf die guten Dienste der Russen angewiesen, die pro Mitflug zur ISS rund 80 Millionen Dollar verlangen. Erst zum Ende des Jahrzehnts will die NASA wieder mit einem neuen Raumschiff ins das Geschehen eingreifen und irgendwann zu Asteroiden und zum Mars fliegen.

Neue Ära

Für viele Amerikaner bedeutet das Ende der Shuttles einen bittersüßen Abschied. Die einen können einfach nicht begreifen, dass die USA mit dem Verzicht auf dieses Prestigeprojekt ihre Führungsrolle in der Raumfahrt aufs Spiel setzen, tausende andere wiederum beklagen den damit verbundenen Verlust ihrer Jobs.

„Mit dem heutigen Tag beginnt in der bemannten Raumfahrt die Epoche der Sojus-Raumschiffe – die Epoche der Zuverlässigkeit“, betonte die Moskauer Weltraumagentur Roskosmos in einer ersten Stellungnahme zum Ende des Shuttle-Programms. Mindestens bis 2016 könnten Astronauten nur noch mit Sojus-Kapseln zur ISS fliegen.

Drei Jahrzehnte seien die Raumfähren bemannt ins Weltall geflogen und hätten auch großkalibrige Nutzlasten auf die Umlaufbahn gebracht, ohne die der Bau der ISS nicht möglich gewesen wäre. Die Menschheit zolle ihnen deshalb ihren Respekt. Allerdings hätten sich die Shuttles zuletzt als unsicher und unrentabel erwiesen.

Sieben Deutsche unter den Shuttle-Astronauten

Sieben der 355 Astronauten aus 16 Ländern, die mit den Shuttles geflogen sind, kommen aus Deutschland. Wann ESA-Astronaut Alexander Gerst als nächster Deutscher zur ISS fliegen wird, ist noch nicht sicher. „Die Planung steht nach wie vor auf 2013/2014“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Johann-Dietrich Wörner, der Nachrichtenagentur dapd. Für Deutschland ändere sich auch die Situation nach Einstellung der Shuttle-Flüge „nicht grundlegend“, fügte er hinzu. „Wir arbeiten national, europäisch und international und suchen uns die Partner jeweils themenspezifisch.“ Das DLR versuche weiterhin, in Forschung und Technologie in der ersten Reihe „mitzuspielen“. Die Arbeit auf der ISS sei dabei eine dieser Aktivitäten. (dapd/abendblatt.de)